Alles alte Geschichten

Gestern, kurz vor dem Einlaufen in Karl Johan haben wir kurz überlegt, ob wir nicht vielleicht noch links abbiegen nach Linköping. Das liegt nicht am Kanal und auch nicht am Roxen, aber dicht an letzerem und ist auch durch einem Kanal mit dem See verbunden. WIr haben uns dann aber für Karl Johan entschieden. Und dann für Karl Johans oberen Hafen. Womit uns der Seeweg – hier mal wörtlich – nach Linköping zwar abgeschnitten war, wir dafür aber wesentlich geschützer lagen. Der untere Karl Johan ist gegen Ostwind ungeschützt. Der war zwar nicht angesagt, kam dann aber trotzdem. Wir haben die anderen dann da unten schaukeln sehen.
Linköping haben wir uns für heute vorgenommen, mit alternativen Verkehrsmitteln, hier Fahrrad. Nach der einzigen Landkarte, die wir für diese Gegend haben, nämlich die auf dem Handy, soll man als erstes die Räder an der Schleuse bergauf schieben. Obwohl es eine Straße gibt, die anscheinend zum gleichen Ziel führt, haben wir das so gemacht. Das war eigentlich blöd, dann aber auch wieder nicht, denn so sind wir Wilhelm Tham begegnet.  Nicht persönlich, der Herr weilt schon länger nicht mehr unter uns. Sondern in Form des nach ihm benannten Fahrgastschiffes. Ehemals Dampfer, heute mit pflegeleichteren Dieselmotoren schwedischer Fertigung ausgestattet, ist die Wilhelm Tham historsches Denkmal. (1) Weil sie nur wenige Kabinen hat und daher die eigentlich mögliche Fahrgastzahl nicht ausschöpft, auch ein recht exklusives Kanalvergnügen. Ein recht sperriges dazu. Bei den Regeln, die einem zur Kanalbenutzung mitgegeben werden, wird auf die Begegnung mit den Fahrgastschiffen besonders hingewiesen. In der Tat sind die Dinger so bemessen, dass sie gerade eben noch in den Kanal passen. Und auch gerade eben so in und durch die Schleusen. Wir haben es gesehen: Um das Schleusentor auf und am Bug des Dampfers vorbei zu bekommen hat die Meisterin der Schleuse mehrere Anläufe gebraucht und der Matrose an den Vorleinen etliches an Handarbeit.

Passt es jetzt ?

Sabine hat in den letzten Tagen schon mehrfach gefragt, was wir denn machen, wenn uns so ein Teil auf dem Kanal entgegen kommt. Noch fehlt uns diese Erfahrung, und Wilhelm ist ja jetzt vorbei und auf dem Weg nach Stockholm. Aber es sind noch mehr unterwegs. Wenn also sowas kommt, gucken, was von der Brücke angezeigt wird und dann entsprechend vorbeischieben. Oder auch zurück, marsch marsch. Wir werden sehen. Wir können reagieren, die Dampfer eigentlich kaum. Die haben nur sehr wenig Wasser unter dem Kiel. Nach der ausgiebigen und natürlich fachkundigen Begutachtung dessen, was die Wilhelm Tham Mannschaft da so ruhig und gekonnt veranstaltet hat, haben wir uns also, wie geplant, gen Linköping begeben.

Linköping (gesprochen ungefähr ¨Linnschöping¨) ist eine der ältesten Städte Schwedens und war einer der Ausgangspunkte der Christianisierung. Um 1100 wurde es Bischofssitz und entsprechend wurde die Kathedrale neu, um und ausgebaut und ist heute die zweitgrößte Kirche Skandinaviens und damit auch Schwedens. Außerdem kündet noch ein Schloss, ehemaliger Bischofssitz, von einstiger Bedeutung. Nach der Reformation hat sich der König das Schloss zu eigen gemacht, Linköping verlor seine herausragende Bedeutung als Kirchenzentrum, wurde aber immerhin Provinzhauptstadt.

Dom von Linköping

Überhaupt hat die Reformation einiges an Unruhe gebracht. Der schwedisch-polnische Doppelkönig, katholisch, wurde hier von seinem eigenen Onkel, später Karl IX, evangelisch, mit militärischen Mitteln seines Amtes enthoben. Und zwei Jahre später wurden einige, je nach Darstellung, Ratsherren oder Adlige, auf dem Großen Platz / Store Torget vom Leben zum Tode befördert, weil sie zu ihrem vorherigen und legitimen König standen. Man sieht, wie das Christentum die Moral hebt: Man mordet nicht mehr,wie als Waräger, wegen es schnöden Mammons, sondern für höhere Werte wie den rechten Glauben. Oder kann das zumindest vorgeben.

Durchsetzung des rechten Glauben in Linköping

Wir Bremer haben unseren Spuckstein, die Linköpinger einen Brunnen mit drastischen Darstellungen des Geschehens.
Oben drüber ein reitender Folke, legendärer Begründer des Folkunger-Geschlechts – wer auch immer das war(2). Der sieht allerdings aus wie eine berittene Version von Gollum. Nach der Visite Linköping zurück zu Oskar und Karl Johan, nicht ohne noch Vreta zu besuchen. Vreta ist heute im Wesentlichen ein Friedhof mit Kirche. An der sind alle wesentlichen Baustile von der Romanik bis zum 19. Jahrhundert vertreten.

Klosterkirche Vreta

Was daran liegt, das es einst die Klosterkirche eines der wichtigsten Klöster Schwedens war. Vom Kloster, das nach der Reformation aufgelöst wurde, nachdem die letzten Nonnen verstorben waren, steht außer der Kirche noch ein Kornspeicher. Der damit das älteste Wirtschaftsgebäude Skandinaviens wäre, wäre er nicht Ausstellungsraum. Und es gibt noch ein paar Ruinen. In einer davon ein ungelöstes Rätsel. Ein Bauwerk, dass eine Wasserstelle sein könnte, gingen nicht zwei Treppen zum Wasser hinunter. Oder ein Taufbecken, was es in dieser Form zwar in mittelalterlichen Anlagen anderswo gibt, aber nicht in Skandinavien. Ich tippe mal auf Kneipp-Bad. Alles schon mal da gewesen. Jedenfalls findet die schwedische Altertümer-Verwaltung diese Objekt so bedeutend, dass sie es unter Glas gestellt hat. Was ja bei der Wilhelm Tham, die weit mehr unter der Witterung leidet, leider nicht geht.


(1) Wilhelm Tham war Ingenieur bei Motala Verkstad und Husquarna und Reichstagsabgeordneter. Über den findet man etliches bei Wikipedia. http://de.m.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Tham Das Schiff gleichen Namens ist Baujahr 1912 und damit das zweitälteste auf dem Kanal. Den Rekord hält die Juno, Bj. 1874. Sollte eigentlich Darwin heißen, aber das war einigen Aktionären zu modern.

(2) Folkunger waren ein Haufen mittelalterlicher Rabauken, über die man etwas im Wikipedia finden kann. http://de.m.wikipedia.org/wiki/Folkunger

Aller Anfang ist holprig

Jetzt segeln sie wieder. Später als in den vergangenen Jahren und nach Westen.
Dass wir, für unsere Verhältnisse, so spät los sind, hat diverse Gründe. Der angenehme ist, dass ein neues Enkelkind angekommen ist. Es gab und gibt auch noch weitere Angelegenheiten, die zu regeln waren und teils auch noch zu regeln sind.
Nun endlich Aufbruch in den letzten Maitagen. Sehr warm und windig. Abends also von Bremen bis Elsfleth, wenig Strecke, aber wenigsten ein Anfang. Dann Bremerhaven. Sehr warm, sehr windig. Die letzten Reste der Großseglerveranstaltung werden abgeräumt. Unter anderem die ¨Mir¨. Durch die Klappbrücke vom Neuen Hafen zum Kaiserhafen I. Und die ist nicht unbedingt für Schiffe dieser Größe geplant gewesen, vor allem nicht für solche, die oben so weit in den Wind ragen. Trotz zweier Schlepper ging es dort erstmal an die Wand. Der Schlepper in der Durchfahrt kann natürlich auch nur nach vorne und nur begrenzt gegen den Wind ziehen. Also ein spannendes Manöver, das Ding da durch zu kriegen. Und mit jeder Menge Zuschauer (nicht Gaffer!), einige an Land und ganz viele an der Reling der Mir.

Mir an die Wand gefahren
Mir an die Wand gefahren

Da hast du einen Plan
Der Plan war gar nicht gut. Oder doch, der Plan war schon gut, aber die Verhältnisse, die war’n nicht so. Der Plan war der: Von Bremerhaven die Weser runter mit ablaufendem Wasser, und mit auflaufendem nach Wangerooge West. Leider verschlechterten sich die Wetteraussichten von einem Wetterbericht zum nächsten. Von Gewitterböen bis 8 Bft war die Rede. Auch wenn die Gewitter ja meist über Land entstehen, doch lieber in geschützten Gewässern bleiben. Also nicht außen herum, sondern übers Watt. So’n Gewitter auf dem Watt ist zwar auch nicht unbedingt lustig, und man kann auch schlechter ausweichen, aber dafür holperts auch nicht so bei Starkwind. Hat auch geklappt, dafür mußte das Ziel allerdings angepasst werden. Horumsersiel statt Wangerooge. Besondere Ereignisse unterwegs: Unter Segeln mit dem stehenden Propeller eine treibende Pricke eingesammelt. Sabine hat uns mit Hilfe des Bootshakens wieder befreit. Wir haben sie NICHT!!! abgefahren, die Schnittflächen am unteren Ende waren gerade und sauber. Die ist aus freiem Willen auf Wanderschaft gegangen. Leider hatten wir keine Möglichkeiten, sie ihrem Herrchen wieder zuzuführen und mussten sie notgedrungen wieder in Freiheit setzen. Kein Wunder, dass vor Fed-siel die Fahrwassermarkierungen problematisch sind: Die Pricken schwimmen weg!
Nächster Tag: ¨Die schwül-warme Tropenluft wird durch kühlere, trockene Lust ersetzt¨. OK, stimmt. Die Front ist durch, es ist Rückseitenwetter: Himmel blau, wolkig, gute Sicht und etwas kühler, so um die 12° bei Sonnenschein. Auch Deutschland kann so kalt sein. Dafür ist der kräftige WNW-Wind gut geeignet, die Jade bis zum Minsener-Oog-Wattfahrwasser runter zu segeln, mit Reff. Weniger gut um von dort nach Wangerooge zu kommen. Da muss fossiler Brennstoff herhalten, leider.
Und nun leider nochmal mit Öffies nach Bremen, diverse Restpunkte erledigen, so z.B.: Sika kaufen, neue Klopumpe kaufen, an die falsche Adresse geschickte Seekarte abholen, Brille abholen, Auto in die Werkstatt, und und und …
Fängt alles etwas holprig an dieses Jahr.