Göta kanals höjdpunkt

Von mehreren unserer Freunde wurde uns empfohlen, Forsvik unsere Aufmerksamkeit zu widmen. Und zwar aus unterschiedlichen Gründen. Wegen des Industriemuseums, wegen des Cafes am Kanal und wegen der Schleuse.
Empfangen hat uns Forsvik mit Menschenmassen, Blasmusik und, etwas später, Gummientenrennen. Heute ist Sonntag, und das merkt man am Trubel. Alle paar Minuten fährt eine Feldbahn zum Industriemuseum. Das ist sicher lustig, vor allem mit Kindern. Allerdings kommen selbst Fußkranke da auch so hin.
Forsvik gab es schon lange bevor man mit dem Kanalbau angefangen hat. Hier fließt das Wasser mit einigem Gefälle, heute etwa 3 1/2 Meter, vom Vixen in den Vättern. So ist hier zunächst eine Mühle entstanden. Da genügend Wasserkraft zur Verfügung stand, kamen andere Betriebe dazu. Insbesondere die mittelschwedische Eisen- und Stahlindustrie hatte hier eines ihrer Zentren. Bei uns gibt es ja die Redensart von den ¨schwedischen Gardinen¨.
Für den Göta-Kanal ist der See Vixen der höchste Bereich, die Scheitelstrecke. Und einer der bautechnisch schwierigen, denn die beiden Seen sind durch Felsen getrennt. So hat man klugerweise hier angefangen zu bauen. Wenn man scheitert, dann gleich zu Anfang. Dieser Teil des Kanals, der jetzt die beiden Seen über eine Schleuse verbindet, ist also der älteste und auch der engste. Die Schleuse ist nicht nur eine der beiden höchsten, sie hat auch den größten Hub und sie ist, als einzige, zumindest teilweise direkt aus dem gewachsenen Fels gehauen und gesprengt. Was nicht so ganz gelungen ist, sie ist unten deutlich enger als oben. Was beim aufwärts Schleusen nicht stört, da sieht man das ja. Abwärts könnte es schon etwas eng werden, wenn man nicht gewarnt ist.

Schleuse Forsvik, aus dem Fels gearbeitet

Auch die kurzen Kanalstücke, die die Schleuse mit den beiden Seen verbinden, sind sehr eng geraten. Begegnungen sind selbst für größere Sportboote nicht möglich. Von ¨Wilhelm Tham¨, ¨Juno¨ und ¨Diana¨ gar nicht zu reden. Sicher ein spannendes Schauspiel, wenn die sich hier durchschieben. Kann man sich vom Cafe am Ufer bei Kaffee und Kuchen anschauen.
Mit dem Kanalbau hat die Metallindustrie hier einen Boom erlebt, Forsvik wurde ein Begriff. Das Produktspektrum war, ähnlich der wenig später entstandenen Motala Verkstad, riesig. Heute kann man eine ebenso umfangreiche wie lohnende Ausstellung besuchen, in der die Geschichte dieser Metallindustrie gezeigt wird. In der Gießerei wird noch gegossen, das riecht man. In der Schiede wird noch geschmiedet. Das haben wir gesehen. Man findet zahlreiche Holzmodelle für die Gießerei. Und vieles mehr. Leider, für uns, sind fast alle Beschreibungen nur auf schwedisch. So muss man sich vieles selbst zusammen reimen.

Schmiede. Die Dame ist echt, darum auch der anachronistische Gehörschutz

Auf dem Gelände findet sich auch eine Werft, die eine Replik eines der ersten Dampfschiffe, das auf dem Kanal eingesetzt wurde, gebaut hat. Das Original liegt im Vättern auf ca. 45 m Tiefe. Interessanterweise sind die Bordwände im Bereich der Räder nach innen gezogen, der Rumpf hat also eine Form, die einer Violine ähnlich ist und auch so heißt. Anders wäre man mit den Rädern nicht durch die Schleusen gekommen.

Eric Nordevall II

Danke allen Tippgebern, ich hoffe, ihr habt euch wiedergefunden. 😉

Am Abend, nachdem sich die Menschen- und Bootsmassen aufgelöst haben, habe ich noch gelernt, dass mir in der Schule etwas falsches beigebracht wurde. Nämlich dass im Norden Europas keine Schlangen vorkommen, weil es denen dort als wechselwarmen Tieren zu kalt ist. Stimmt offensichtlich nicht. Bin hier zwei Exemplaren begegnet. Eines der Art ¨serpens palsteki¨. (In Schweden kommt die Schlange aus dem Loch, windet sich um die Prinzessin und zieht sie dann in´s Loch. Bei uns, in einer Republik, geht das ja nicht. Mangels geeigneter Prinzessinnen)
Bei der anderen Schlange bitte ich die biologisch besser gebildete Leserschaft, mir bei der Bestimmung zu helfen. Bild liegt bei.

Serpens palsteki
Was ist das?

Für die nächsten Tage ist Starkwind angesagt. Draussen geht´s schon los, während ich noch tippe. Das Barometer ist so schnell gefallen wie selten und heute war es sehr heiß. Mal sehen, was da jetzt kommt.

Auf hohem See

Wir verlassen Motala und damit den Ostteil des Kanals. Dazu überquert man den Vättern, einen der drei großen Seen Schwedens. Mit 135 km Länge, 31 km Breite und 1886 Quadratkilometern Fläche schon ganz schön viel See.  Und mit 88 Metern über dem Meeresspiegel auch die höchste Wasserfläche, die Martha je befahren hat. Zum Vergleich der Bodensee: 63 km lang, 14 km breit, 536 Quadratkilometer Fläche. Und den müssen wir uns noch mit den Nachbarn teilen. Für den Kanalbau ungünstig erstreckt sich der Vättern in Nord-Süd-Richtung. Aber einen Kanal von Trelleborg nach Lappland wollte man damals nicht bauen. Immerhin auch quer mal so viel Wasser am Stück, dass es sich lohnt die Segel rauszuholen. Beide.

Inseln im Vättern

Im Vättern liegen einige Inseln und Inselchen. Die Insel weiter im Süden, hier mehr Inselchen. Und ein militärisches Übungsgebiet, in dem aber zum Glück für uns gerade nicht geübt wurde. Bei Karlsborg geht der Kanal dann weiter. Dort ist der Skipper leider beim Versuch, die entschlüpfte Heckboje doch noch mit der Hand zu fassen, heftig mit dem Achterstag kollidiert. Dem Drahtseil macht das wenig aus, dem kahlen Haupte des Kapitäns schon mehr. Nachdem der, Sabine sei Dank, verpflastert und die vollgeblutete Oberbekleidung bearbeitet war, haben wir uns noch das angesehen, was Karlsborg den Namen gegeben hat: Karls Burg. Richtiger Festung, denn so alt ist die Anlage noch nicht. Nach dem Ende der schwedischen Großmachtzeit, als man Schweden nicht mehr an der polnischen oder finnischen Grenze verteidigen konnte, hatte man sich etwas neues ausgedacht:
Wenn der böse Feind ins Land kommt, dann lässt man ihn sich in den schwedischen Wäldern die Füße wund laufen. Dazu wird alles Wichtige wie Staatsführung, Gold und König und was noch so als staatserhaltend angesehen wurde, im Kernland eingeigelt. Und diese Einigelfestung liegt hier. Genau da, wo der Götakanal den Vättern kreuzt, in der Mitte zwischen den beiden größten Städten Stockholm und Göteborg.

Festung Karlsborg

Funktioniert hat das natürlich nicht. Erstens, weil es doch klare Zeichen von Größenwahn aufweist. Und zweitens, weil die technische Entwicklung das Ganze überholt hat und die Festung den Waffen, die es gab, als sie fertig war, nicht gewachsen war. Militärische Gebiet ist sie immer noch, auch wenn man sie heute betreten und besichtigen kann. Wir haben nur einen Teil angesehen, von der Kirche bis zur Villa des Königs sind es mehr als ein Kilometer. Immerhin sieht alles noch gepflegt aus, es scheint also immer noch staatliches Geld in die Anlage zu fließen.

Motala

Borensberg liegt am Ostende des Sees Boren und am Göta-Kanal und gehört zu Motala. Es ist nett, aber nicht aufregend. Borenshult liegt am Westende des Sees Boren, gehört zu Motala, liegt am Kanal und hat eine der Schleusentreppen dieses Kanals. Was unter Umständen zu längeren Aufenthalten führen kann. Man kann ja auf so einer Treppe nicht abwechselnd rauf und runter schleusen. Wenn es abwärts geht, muss unter der obersten, vollen Kammer eine leere liegen. Wenn die oberste leer und die zweite von oben voll ist, muss die dritte leer sein, und so weiter. Aufwärts hingegen muss immer eine volle Kammer oberhalb der zu schleusenden Schiffe liegen. Und die Herstellung des Ausgangszustands, optimal: aufwärts alle voll bis auf die unterste, abwärts alle leer bis auf die oberste, braucht Zeit. Kommen dann noch Berufsschiffe dazu, die Vorang haben, kann es auch mal viel Zeit sein.

Verschleust, war noch voll

Da brauchbarer Segelwind herrschte haben wir den Borensee unter Segeln gequert (eigentlich gelängst, aber das Wort gibt´s leider nicht). Weil wir zudem faul waren und der See auf der Karte klein aussah, nur unter Vorsegel. Einige Wassersportskameraden haben uns, meist unter Motor, überholt. Hat ihnen nicht geholfen, denn an der Schleusentreppe haben sich alle wieder getroffen. Und siehe, die letzten werden die ersten sein. Da Martha so klein ist (für Ostseeverhältnisse), wurde sie bei einem Dicken mit eingefädelt, weil sie da noch rein passte. Auf dem Kanal sind alle gleich schnell, oder auch langsam, nämlich 5 kn. Und so waren wir dann beim ersten Pulk in Motala. Die Schleusen gruppieren die Boote ja ganz automatisch in Vierer-Konvois. Oder eben, in unserem Fall, in Dreiergrüppchen.
Motala. Der Kanalreisende weiß natürlich, wo das ist. Hier ist der Kanal-Nabel. Die Stadt etwa in der Mitte, hier ist die Kanalverwaltung. Und wärend der Bauzeit war hier die Zentralwerkstatt, wo alles hergestellt wurde, was man für den Kanalbau so brauchte, wie Spaten, Schaufeln, Schleusentore. Später auch Schiffe, wie die bereits erwähnten Kanal-Passagierdampfer. Aus der Kanalwerkstatt ¨Motala Verkstad¨ hat sich ein Universal-Metallbetrieb entwickelt, der von Schiffen über Lokomotiven und Kochtöpfen bis zu Minen und Torpedos so ziemlich alles hergestellt hat, was man aus Eisen und Stahl herstellen kann. Wenn auch nicht alles mit Erfolg.

Motala Verkstad Industriemuseum

Bekannte Ableger, wenn auch vielleicht nicht im rechtlichen Sinne, sind Firmen wie Elektrolux (Küchengeräte), Luxor (Radios etc) und Husquarna (auch so´n Universalbetrieb, Nähmaschinen, Rasenmäher bis Cross-Motorräder). In Teilen ein Produkt der Motala Verstad soll die Nautilus sein. Schreibt jedenfalls Jules Verne. Ein ganzes Uboot hätte wohl auch nicht durch den Kanal gepasst.
Heute befindet sich in einer der verbliebenen Werkshallen ein Industriemuseum, das einen Querschnitt durch die erfolgreichen und erfolglosen Produkte und auch etliches zur Produktion zeigt.  Mit Elektrolux und Luxor, aber ohne Husquarna.
Wer noch nie etwas von der Verkstad gehört hat, dem könnte der Name Motala trotzdem bekannt vorkommen. Wenn er denn, wie ich, alt genug ist zu wissen, wie ein richtiges Radio aussieht. Links ein Drehknopf für die Lautstärke, rechts einer für die Senderwahl/Abstimmung, vorn unten in der Mitte ein paar Tasten für ein/aus und den Frequenzbereich und darüber eine Glasscheibe, hinter der ein Zeiger läuft und zeigt, welchen Sender man gerade empfangen könnte (Damals wurden Frequenzen ausgehandelt und beibehalten. Nix 3., 4., 5. Generation versteigern!)
Funktionierte nur für Mittelwelle und Langwelle. (Die Älteren werden sich erinneren, was das war) In dieser Liste der Sender standen so exotische Namen wie Beromünster und Motala. Von denen kaum einer wusste, wo oder was das war. Heute wissen wir es. Motala ist hier, ungefähr in der Mitte zwischen Göteborg und Stockholm. Hier stand, weil Schweden ja so groß ist, der stärkste Langwellensender überhaupt. Weil Langwellen nun mal lang sind, war auch die Antenne lang und hing zwischen zwei 120 Meter hohen Gittermasten. Die dazugehörige, sehr üppig dimensionierte Sendeanlage stand in einem Gebäude zwischen den Masten und ist im wesentlichen bis heute erhalten. Genauer, deren sogar zwei, alt und neu, weil man irgendwann mit der Reichweite nicht mehr zufrieden war. Langwelle war´s, weil Mittelwelle in schwedischen Mittsommernächten nicht so recht funktioniert.
Programm wurde hier nie gemacht, das kam über Kabel aus Stockholm.

Langwellensender Motala

Inzwischen auch das Technikgeschichte, aber als Museum durchaus sehenswert. Und es hat den Namen Motala im weiten Umfeld bekannt gemacht. Weil Langwelle ja auch weit reicht. Und in Spezialbereichen auch noch heute genutzt wird, wie Loran, Navtex und Zeitsignale.
Und um das Thema Technikgeschichte in Motala abzuschlileßen: Ein Motala Motor Museum gibt es auch noch. Direkt am Hafen. Mit Husquarna. Wenn man die drei an einem Tag durch hat, ist man auch platt. Wie wir heute abend.

Motala Motor Museum

Nachtrag: Der Stadtplan von Motala ist zwar rechtwinklig, aber nicht rechteckig. Zumindest im Innenstadtbereich verlaufen die Straßen fächerförmig. Damit kreuzen sich die Strahlen und die gekrümmten Querstraßen rechtwinklig ohne ein Kästchenmuster zu bilden. Auch eine Idee von Baltzar von Platen, dem allgegenwärtigen Kanalerbauer. Der liegt hier auch begraben, direkt oberhalb des Kanals. Und Motala ist durchaus älter als der Kanal. Man findet nur nichts brauchbares darüber, wie alt. An der Kirche steht 1774, bei anderen Quellen findet man, das es 6000 Jahre alte Spuren von ¨Zivilisation¨ gibt, wie auf Pfähle gespießte Köpfe. Was dazwischen liegt, ist nicht so leicht heraus zu finden. Da schweigen die Motalaner sich aus. Aber es wirkt heute schon humaner.  Industrie gibt es hier immer noch, woran mich mein Freund und Ex-Kollege Timo erinnert hat. Er war schon mal dienstlich hier. Motala zeigt sich heute aber mehr wie ein Kurort und weniger wie ein Industriestandort. Bis auf die Museen.

 

Geschwindigkeitsrausch

Man soll sich Zeit nehmen für den Göta-Kanal. Sagt die Informationsbroschüre der Kanalverwaltung. Über Oskar, Berg und etliche weitere Einzel- und Doppelschleusen haben wir jetzt 73 m über Normalnull bzw Ostseeniveau erreicht. Mit der Technik von 1820 dauert das ein bisschen. Auf dieser Höhe läuft der Kanal dann etliche km als Konturkanal, also immer am Hang entlang. Bis auf ein paar kurze Durchstiche geht es an Steuerbord immer ziemlich nach unten. Einige Straßen und viele Wirtschaftswege kreuzen den Kanal auf Rollbrücken. Eine Konstruktion, die ich als Straßenbrücke sonst nicht kenne: Der Brückenkörper wird leicht angehoben und dann auf die eine Zufahrtsstraße geschoben. In ganz klein gibt es eine ähnliche Brücke über der Hafeneinfahrt von Hooge.  Die Durchfahrten unter den Brücken sind eng. Gerade so weit, das unsereiner da mit konstanter Geschwindigkeit durchfahren könnte, wenn die Brücken denn offen stünden. Meist werden sie aber, fernbedient, erst geöffnet, wenn man unmittelbar davor ist. Wie die Passagieschiffe da durchkommen, hätte ich gerne mal gesehen.

Die Passagierschiffe auf dem Kanal benutzen eine besondere, robuste Art von Fendern: Senkrecht an der Bordwand aufgehängte Birkenstämme. Wenn Birke platt dann neue Birke. Ein ordentlicher Vorrat an neuen und eine Halde bereits zerquetschter Birken wird an Bord mitgeführt. Leider kommen nicht alle Birken auch wieder an Bord, einigen sind wir ausgewichen, einer nicht. Das macht wach, dürfte aber bei unter 5 Knoten folgenlos geblieben sein.

Überhaupt, Geschwindigkeit: Wir haben für 12 Meilen 5 Stunden gebraucht. Mit einem Zwischenhalt, um uns ein Aquädukt/eine Trogbrücke anzusehen, was sich nicht wirklich gelohnt hat. Etwas mehr als 2 Meilen pro Stunde ist wohl hinreichend entspannt.

Übernachtungshafen Borensberg. Brücke, Einzelschleuse. Über den Motalastrom, der hier durch geht, eine alte Steinbrücke. Im Netz findet man zu Borensberg nur das Thema ¨Bahnstromsysteme¨. Dabei gibt es hier gar keine Bahn mehr. Dafür die Kanalschleuse. Und die ist handbedient. Als einzige auf dem östlichen Kanalteil. Das Holz der Schleusentore sieht noch ziemlich neu aus. Back to the roots?

Handarbeit in Borensberg

In der Zeit, in der wir, nach dem Festmachen, der Schleusenmeisterin bei der Arbeit zugesehen haben, durften sich mehrere Touristen an der Kurbelei beteiligen. So schwer ist der Job also gar nicht. Man muss das nur nach dem Tom-Sawyer-Prinzip delegieren.

Alles alte Geschichten

Gestern, kurz vor dem Einlaufen in Karl Johan haben wir kurz überlegt, ob wir nicht vielleicht noch links abbiegen nach Linköping. Das liegt nicht am Kanal und auch nicht am Roxen, aber dicht an letzerem und ist auch durch einem Kanal mit dem See verbunden. WIr haben uns dann aber für Karl Johan entschieden. Und dann für Karl Johans oberen Hafen. Womit uns der Seeweg – hier mal wörtlich – nach Linköping zwar abgeschnitten war, wir dafür aber wesentlich geschützer lagen. Der untere Karl Johan ist gegen Ostwind ungeschützt. Der war zwar nicht angesagt, kam dann aber trotzdem. Wir haben die anderen dann da unten schaukeln sehen.
Linköping haben wir uns für heute vorgenommen, mit alternativen Verkehrsmitteln, hier Fahrrad. Nach der einzigen Landkarte, die wir für diese Gegend haben, nämlich die auf dem Handy, soll man als erstes die Räder an der Schleuse bergauf schieben. Obwohl es eine Straße gibt, die anscheinend zum gleichen Ziel führt, haben wir das so gemacht. Das war eigentlich blöd, dann aber auch wieder nicht, denn so sind wir Wilhelm Tham begegnet.  Nicht persönlich, der Herr weilt schon länger nicht mehr unter uns. Sondern in Form des nach ihm benannten Fahrgastschiffes. Ehemals Dampfer, heute mit pflegeleichteren Dieselmotoren schwedischer Fertigung ausgestattet, ist die Wilhelm Tham historsches Denkmal. (1) Weil sie nur wenige Kabinen hat und daher die eigentlich mögliche Fahrgastzahl nicht ausschöpft, auch ein recht exklusives Kanalvergnügen. Ein recht sperriges dazu. Bei den Regeln, die einem zur Kanalbenutzung mitgegeben werden, wird auf die Begegnung mit den Fahrgastschiffen besonders hingewiesen. In der Tat sind die Dinger so bemessen, dass sie gerade eben noch in den Kanal passen. Und auch gerade eben so in und durch die Schleusen. Wir haben es gesehen: Um das Schleusentor auf und am Bug des Dampfers vorbei zu bekommen hat die Meisterin der Schleuse mehrere Anläufe gebraucht und der Matrose an den Vorleinen etliches an Handarbeit.

Passt es jetzt ?

Sabine hat in den letzten Tagen schon mehrfach gefragt, was wir denn machen, wenn uns so ein Teil auf dem Kanal entgegen kommt. Noch fehlt uns diese Erfahrung, und Wilhelm ist ja jetzt vorbei und auf dem Weg nach Stockholm. Aber es sind noch mehr unterwegs. Wenn also sowas kommt, gucken, was von der Brücke angezeigt wird und dann entsprechend vorbeischieben. Oder auch zurück, marsch marsch. Wir werden sehen. Wir können reagieren, die Dampfer eigentlich kaum. Die haben nur sehr wenig Wasser unter dem Kiel. Nach der ausgiebigen und natürlich fachkundigen Begutachtung dessen, was die Wilhelm Tham Mannschaft da so ruhig und gekonnt veranstaltet hat, haben wir uns also, wie geplant, gen Linköping begeben.

Linköping (gesprochen ungefähr ¨Linnschöping¨) ist eine der ältesten Städte Schwedens und war einer der Ausgangspunkte der Christianisierung. Um 1100 wurde es Bischofssitz und entsprechend wurde die Kathedrale neu, um und ausgebaut und ist heute die zweitgrößte Kirche Skandinaviens und damit auch Schwedens. Außerdem kündet noch ein Schloss, ehemaliger Bischofssitz, von einstiger Bedeutung. Nach der Reformation hat sich der König das Schloss zu eigen gemacht, Linköping verlor seine herausragende Bedeutung als Kirchenzentrum, wurde aber immerhin Provinzhauptstadt.

Dom von Linköping

Überhaupt hat die Reformation einiges an Unruhe gebracht. Der schwedisch-polnische Doppelkönig, katholisch, wurde hier von seinem eigenen Onkel, später Karl IX, evangelisch, mit militärischen Mitteln seines Amtes enthoben. Und zwei Jahre später wurden einige, je nach Darstellung, Ratsherren oder Adlige, auf dem Großen Platz / Store Torget vom Leben zum Tode befördert, weil sie zu ihrem vorherigen und legitimen König standen. Man sieht, wie das Christentum die Moral hebt: Man mordet nicht mehr,wie als Waräger, wegen es schnöden Mammons, sondern für höhere Werte wie den rechten Glauben. Oder kann das zumindest vorgeben.

Durchsetzung des rechten Glauben in Linköping

Wir Bremer haben unseren Spuckstein, die Linköpinger einen Brunnen mit drastischen Darstellungen des Geschehens.
Oben drüber ein reitender Folke, legendärer Begründer des Folkunger-Geschlechts – wer auch immer das war(2). Der sieht allerdings aus wie eine berittene Version von Gollum. Nach der Visite Linköping zurück zu Oskar und Karl Johan, nicht ohne noch Vreta zu besuchen. Vreta ist heute im Wesentlichen ein Friedhof mit Kirche. An der sind alle wesentlichen Baustile von der Romanik bis zum 19. Jahrhundert vertreten.

Klosterkirche Vreta

Was daran liegt, das es einst die Klosterkirche eines der wichtigsten Klöster Schwedens war. Vom Kloster, das nach der Reformation aufgelöst wurde, nachdem die letzten Nonnen verstorben waren, steht außer der Kirche noch ein Kornspeicher. Der damit das älteste Wirtschaftsgebäude Skandinaviens wäre, wäre er nicht Ausstellungsraum. Und es gibt noch ein paar Ruinen. In einer davon ein ungelöstes Rätsel. Ein Bauwerk, dass eine Wasserstelle sein könnte, gingen nicht zwei Treppen zum Wasser hinunter. Oder ein Taufbecken, was es in dieser Form zwar in mittelalterlichen Anlagen anderswo gibt, aber nicht in Skandinavien. Ich tippe mal auf Kneipp-Bad. Alles schon mal da gewesen. Jedenfalls findet die schwedische Altertümer-Verwaltung diese Objekt so bedeutend, dass sie es unter Glas gestellt hat. Was ja bei der Wilhelm Tham, die weit mehr unter der Witterung leidet, leider nicht geht.


(1) Wilhelm Tham war Ingenieur bei Motala Verkstad und Husquarna und Reichstagsabgeordneter. Über den findet man etliches bei Wikipedia. http://de.m.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Tham Das Schiff gleichen Namens ist Baujahr 1912 und damit das zweitälteste auf dem Kanal. Den Rekord hält die Juno, Bj. 1874. Sollte eigentlich Darwin heißen, aber das war einigen Aktionären zu modern.

(2) Folkunger waren ein Haufen mittelalterlicher Rabauken, über die man etwas im Wikipedia finden kann. http://de.m.wikipedia.org/wiki/Folkunger