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Calais gibt es nicht. Der Berichtende hat leichtfertig einen schweren Verstoß gegen die Verkehrsregeln begangen. Einen geharnischten, unfreundlichen und leider berechtigten Anschiss dafür kassiert. Und wartet jetzt auf die entsprechende Zahlungsaufforderung. Sein Selbstbewusstsein ist arg angeschlagen. Das hätte nicht passieren dürfen. Vorläufig jedenfalls will er das Wort Calais nicht mehr hören. Calais gibt es nicht mehr. So wie Bielefeld. Das gibt es ja auch nicht.
Der Weg von der Nordostspitze Frankreichs auf die große Insel führt über ein Verkehrstrennungsgebiet. Das muss man mit Kurs rechtwinklig zum Verlauf queren. Morgens war Starkwind angesagt, drum haben wir die Querung auf Nachmittags verschoben. Da standen dann allerdings 3 kn Strom Richtung Nordosten. Auf dem VTG war wenig los, einem einzigen Schiff mussten wir ausweichen. Rausgekommen sind wir allerdings dann weit östlich von Dover, noch östlich der Godwin Sands. Und auf dem Weg zurück, neben dem VTG, gings es dort zu wie auf der A6 um 17:00 am Freitag. Glück gehabt.
Der Hafen von Dover ist riesig, man wird aber freundlich in die richtige Ecke geleitet und liegt dann versteckt in einem der alten Docks. Noch. Davor breitet sich gerade eine Großbaustelle aus. Die ganze Westecke soll in einen modernen Handelshafen umgebaut werden, und die Marina kommt dann davor. Größtbaustelle. Irgendwann mal, aber vielleicht kriegen die Briten sowas ja auch besser hin als wir. Bis dahin werden Ohrstöpsel an die Gäste verteilt. Britisch-pragmatische Lösung. Der Wassersport im Hafen von Dover – sowas gibt es auch, Schwimmen verboten, Planschen erlaubt, Bootfahren und ähnliches auch, aber nur mit Auftriebshilfe – ist zur Zeit der Rammarbeiten eingeschränkt, sonst erlaubt. Andere Länder, andere Restriktionen. Bei und wäre vermutlich alles verboten bis zum Ende der Bauarbeiten und darüber hinaus.

Nich von Peyton!
Nicht von Peyton!

Die Stadt: Gar nicht mal so hässlich. Wirkt viel kleiner als ich es mir vorgestellt habe, birgt aber etliche interessante Ecken und Gebäude. Allen voran natürlich Dover Castle, das wir aber (noch) nicht besichtigt haben.

Und natürlich die Kliffs. Man könnte durchaus noch einen Tag dranhängen, aber morgen sieht es nach günstigem Wetter für Rye aus. Und das soll sich auf jeden Fall lohnen. Muss man ausnutzen,

Dover Castle
Dover Castle

mit gutem Wetter werden wir ja z.Z. nicht gerade verwöhnt. Man hört aber auch entsprechende Klagen aus der Heimat.

Küstenfahrt

Das Wetter war auch am nächsten Tag nicht besser. Der Berichterstatter hat auch noch eine temporäre Gehbehinderung durch die Pflastertreterei in Brügge. Und so sind aus der einen Übernachtung in Blankenberge leider 5 geworden. Ständig SW 5 mit Böen 6 angesagt, oder auch 6 mit Böen 7. Immer aus Südwest, da wollen wir hin. Und kalt war’s auch. Aus der Heimat wurde von Sturmschäden berichtet. Was mancht man da, wenn man zu alle dem auch nicht richtig laufen kann. Lesen. Wenn mit dem Buch fertig, noch ein’s anfangen. Dann hat Sabine den Vorschlag gemacht, mit der Kusttram (sprich Küst-Tram) die belgische Küste von der Landseite zu besichtigen. Sie hatte einen Bericht im Fernsehen gesehen, in dem der Teil, der direkt hinter dem Strand verläuft, besonders ausführlich dargestellt war.

Kusttram
Kusttram

Sie war dann etwas enttäuscht, weil das in Wirklichkeit nur einen kleinen Teil der Gesamtstrecke ausmacht. In den Orten ist es eben eine ganz normale Straßenbahn. Oder fast normal. Bei bis zu 70 Km/h, einem Meter Spurbreite und frischen Seewind schlingert das Ding mitunter doch ganz beträchtlich.
Also mit der Tram von Blankenberge bis De Panne Centrum. Dann bis De Pann Station, das ist die Endhaltestelle, dahinter ist auch Belgien zu Ende. In die leere Bahn zurück und wieder bis Blankenberge. Den anderen Teil der Strecke bis Knokke/Heist haben wir uns geschenkt. Vermutlich wird aber auch dort das Bid über weite Strecken von der typischen belgischen Bettenburg geprägt: 10 und mehrstöckige Badegast-Schließfächer. Und obwohl ein nicht unerheblicher Teil davon zum Verkauf steht, werden immer noch neue gebaut. Hier sieht man, wie idyllisch die Hotels an der Strandpromenade von Norderney sind.

Belgische Bettenburgen
Belgische Bettenburgen

Am sechsten Tage endlich dann war das Wetter so, das man weiter konnte. So gegen 4 Uhr morgens hörte das Geklapper in den Masten und das Schaukeln am Steg auf. Und mit nordwestlichem Wind, angenehmen Temperaturen und ein bisschen Restwelle sind wir bis Nieuwpoort gekommen.

Gevaarlike Verondieping im Havengeul
Gevaarlike Verondieping im Havengeul

So war auch der Plan, der Skipper lebte zwischenzeitlich in der irrigen Vorstellung, es bis Dunkerque/Dunkerk/Dünkirchen schaffen zu können, aber Wind, Strom und Manschaft wollten nicht. So sind wir also in Nieuwpoort. Spricht man nicht so kompliziert wie es aussieht. Ungefähr so wie Newport. Eine Gründung aus dem 11 Jahrhundert. Etliche Male abgebrannt und zusammengeschossen, zuletzt von unseren Vorfahren 1914-18, Worauf man an mehreren Stellen mit mehr oder minder eindrucksvollen Gedenktafeln und ¨Westfront¨-Mahnmalen erinnert wird.
Nieuwport liegt an einem Fluss der da heißt Yser (oder IJser), worin der auf die Wiederholungen europäischer Flußnamen getrimmte natürlich eine neue Version der ¨Weser/Werra/Isere/Wear¨-Reihe erkennt.

Nieuwpoort
Nieuwpoort

Wie man hier lesen kann, haben die Belgier im 1. Weltkrieg das Yser-Tal geflutet, indem sie die Entwässerungsschleusen bei Flut geöffnet und bei Ebbe geschlossen haben. Also die gleiche Taktik, die die Wassergeusen schon gegen die Spanier angewendet haben. Was da allerdings noch gegen unsere Altvorderen verteidigt wurde, ist mir nicht klar. Ein paar Kilometer weiter ist Belgien sowieso zu Ende.
Ansonsten hat Nieuwport einiges an malerischer Bausubstanz zu bieten. Was allerdings überwiegen rekonstruiert ist, siehe ¨Westfront¨. Und einen quadratisch-praktischen Stadtplan. Der allerdings ist echt, das ist schon seit 1426 so.

PS: In Blankenberge gibt es keine blanken Berge. Auch kein bedeckten oder sonstige Berge. Und Nieuwpoort ist auch nicht neu. Aber wenigstens Port.