Das Rohr

Von Dragør Richtung Rødvig. Der Wind war mit SW 4 vorhergesagt, wobei SW im Mittel wohl auch hinkam, 4 eher nicht. Zu Anfang haben wir schon etwas an unsere seglerischen Fähigkeiten gezweifelt, weil trotz emsigen Kreuzens und wiederholten sorgfältigen Trimmens keine Höhe zustande kam. Bis wir eingesehen haben, das nach der Starkwindphase vor Dragør ein deutlicher nordsetzender Strom stand, dem wir dann unter Einsatz fossilen Brennstoffs entkommen sind. Wenn man aus dem Bereich der Flachs raus ist, geht’s wieder. Insgesamt blieb der Wind unstet und das Logbuch ist jetzt gut bestückt mit Einträgen wie „Genua raus, Motor aus“, „Genua weg, Motor an“ und so weiter.

Rødvig kam auf diesen Seiten schon mehrfach vor, es liegt einfach da, wo man einen Hafen auch braucht. Weshalb auch wir immer wieder dort vorbei gekommen sind. Dieses Jahr mussten wir doch einige Veränderungen feststellen. Die Ostseite des Yachthafens ist Baustelle. Die vielen Fischerhütten auf der Mole sind nicht mehr da. Dafür ist die Mole deutlich erhöht und mit einer Betonplatte versehen, aus der schon einige Leitungen hervorragen. Alles eine Folge der Sturmflut von letzten Oktober.   


Man kann sich das ganz Elend auch hier anschauen.

Die Rødviger haben es trotzdem geschafft, dass der Hafen und all seine Infrastruktur wieder funktioniert!

Für den nächsten Tag war SW 3 angesagt. Wir haben überlegt, damit nach Klintholm zu segeln, uns dann aber dafür entschieden, lieber unter Motor nach Nyord zu fahren. Und das war gut so, der Wind war so schwach, dass wir den ganzen Tag bis Kintholm gebraucht hätten und dann wahrscheinlich doch den Motor angeworfen hätten. Nach Nyord geht bei SW und dann auch noch so wenig davon sowieso nur unter Motor. Man braucht also gar nicht zu überlegen, ob man zu segeln versucht. (Ein paar Wassersporttreibende haben es trotzdem versucht und sind gescheitert.)

Nyord haben wir hier auch schon behandelt , daher nur ein Einzelaspekt: „Røret“.

Røret ist ein Boot, das wir auch früher schon hier im Hafen gesehen haben, wenn auch nicht ein einem so frisch renovierten Zustand.


Jetzt ist Røret offensichtlich fahrbereit und wird auch für Rundfahrten genutzt. Weil wir uns so ein Schmuckstück ja auch aus der Nähe ansehen mussten, wurden wir gleich von der freundlichen Røret-Besatzung angesprochen, dass es heute keine Fahrten mehr gäbe. Wollten wir ja auch gar nicht. Im Laufe des weiteren Gespräches kam zusammen: Røret, 1904 gebaut, Lärche auf Eiche (mit „Eisklasse“) war bis 1959 die einzige Verbindung von Nyord in die weite Welt. Damals mit einem Glühzünder-Motor, dessen charakteristisches Auspuffrohr noch erhalten ist und, so glaubt der Schreiber, dem Boot auch den Namen verschafft hat.

Der z.Z. sehr gepflegte Zustand beruhe leider darauf, das bei der besagten Oktober-Sturmflut wohl einige Boote im Nyorter Hafen gegen Røret gedengelt seien und deutliche Spuren hinterlassen hätten, die wieder beseitigt werden mussten. Im Nyorder Hafen sei fast alle neu, nach der Flut war kaum noch etwas zu gebrauchen. In Rødvig seien etwa 25 Boote gesunken. Die Røret-Leute waren sich nicht sicher, ob alle wieder gehoben seien.

Die Røret-Pfleger hab einiges zur Geschichte des Boots, des Ortes und des Sunds erzählt. Dass hier früher ca. 150 Menschen gelebt haben, alle von Landwirtschaft, Fischfang und Lotsenwesen. Das der Bogø-Sund ein dicht befahrener Wasserweg war, der allerdings ohne Lotsen nicht zu passieren war. So etwas wie die Hauptverkehrsader zwischen Holstein und Kopenhagen. Auf meine Frage, warum der Verkehr denn durch den verwinkelten Bogø-Sund und nicht durch den einfacheren Grønsund ging, wurde mir gesagt: Weil man hier überall ankern kann. (Theoretisch kann man das, wenn es nicht zu flach für’s eigene Boot ist und die Fischer die Fläche nicht schon mit ihren Gerätschaften belegt haben. Und im Grønsund kann man es nicht: Entweder ist es zu tief oder der Boden ist zu hart. Selbst schon ausprobiert.) Erst später ist mir aufgefallen: Østlich Östlich des Grønsunds liegt ein Flach, durch dass eine gebaggerte Rinne führt, die auch stændig ständig nachgebaggert werden muss. Das ging früher vermutlich gar nicht.

Auch für Nyord gilt: Alles ist repariert, alles funktioniert. Eine tolle Leistung, finden wir. (Offenbar musste wohl nicht alles europaweit ausgeschrieben werden.)

Autor: cord

Hat mal Physik studiert, aber fast alles wieder vergessen. Hat jetzt altersbedingt viel Freizeit und segelt gerne. Oder macht Musik. Verheiratet, zwei erwachsene Kinder. Und inzwischen zwei Enkelkinder.