Schärracholf und Brügge

Manchmal versteht man ganze Sätze des Niederländischen, öfter mal eher gar nichts. Das Fahrwasser, das ins Haringsvliet oder auch wieder hinaus führt, heisst Slijkgat. Bedeutet wohl nicht Schleichkatze. Die Tonnen, die es anzeigen und auch dringend benötigt werden, heißen konsequenterweise SG1, SG2 u.s.w.
Die Niederländer als Seefahrt betreibende Kulturnation senden über Seefunk regelmäßig Sicherheitsinformationen für die Seefahrt. Die haben ja auch eine Küstenwache, die sinnvolle Aufgaben erledigt.
Nur mit der Kommunikation mit nicht-Niederländern hapert es manchmal ein bisschen. Das internationale Buchstabieralphabet ist ja eigentlich so angelegt, das die Buchstabierwörter (Alpha, Bravo, Charly u.s.w.) von jedem etwa gleich ausgesprochen werden können. Leider waren die Niederlande in dem Gremium, das das festgelegt hat, wohl nicht vertreten. Jedenfalls haben wir mehrere Sendungen gebraucht, um die Aussage: ¨Charted depth unreliable between Schärracholf six and Schärracholf eight¨ unserer Umgebung zuzuordnen. Immerhin wir hatten die Stelle auch selbst erkannt und gemieden. Aber ¨unreliable¨ ist arg beschönigend. Da möchte man nicht hineingeraten.

Schärracholf six to Schärracholf eight
Schärracholf six to Schärracholf eight

Ansonsten war das Ziel Zeebrügge. Laut Wetterbericht der letzte Tag mit Ostwind. Sehr warm. Wegen der vielen Flachs, und die heißen nicht nur so, stellenweise ist das Wasser viele Meilen vor der Küste nur einen Meter Tief, wegen der vielen Flachs also in einem großen Bogen vom Haringsvliet nach Zeebrugge. Dabei quert man die Fahrwasser Richtung Antwerpen/Vlissingen. Was uns vor Rotterdam mit seinem Sportboot-Zwangsweg erspart geblieben ist, wurde vor Antwerpen nachgeholt. Die müssen hinter dem Horizont und in der Schelde gewartet haben bis Martha kommt. Die Querung des Fahrwassers erforderte jedenfalls aufmerksames Abschätzen. AIS hilft auch nur bedingt, wenn soviele Kontakte da sind, das die Zuordnung zu dem, was man sieht, unsicher wird. Bei der Annäherung an Zeebrugge haben wir dann angesichts der Tanks und Containerbrücken unser Ziel geändert und Blankenberge angesteuert. Passt besser zum heißen Wetter und liegt direkt nebenan.
Ansteuern ist in Ordnung, aber reinfahren ? Die Zufahrt ist eingefasst von zwei Holzmolen, die ins tiefe Wasser reichen sollen. Laut Handbuch wird die Einfahrt wärend der Saison auf 2.7 m gehalten. Unter Kartennull versteht sich. Sah aber recht unruhig aus zwischen den Molenköpfen. Und viel Wasserbauer-Arbeitsgerät im Kanal. Bei 50 cm Wasser unter den Kielen, Tendenz fallend, haben wir in einem mehr oder minder eleganten Dreh den Bereich wieder verlassen. Vor der Einfahrt, in sicherer Entfernung, haben zwei anscheinend ortskundige Segler gerade die Segel heruntergenommen. Einer davon hat uns dann sicher an allen Flachs, Spülern, Rohren und sonstigen Wasserbauer-Arbeitsgeräten vorbei in den Hafen geführt. Ist wohl nichts mit 2.7 m. Aber hier wird wenigstens daran gearbeitet, den Hafen nutzbar zu halten.

Follow me, Blankenberge Pilot
Follow me, Blankenberge Pilot

Der Hafen ist verwinkelt, gegen Wind von See durch die Hochhäuser geschützt, aber nicht wirklich schön. Mindestens 3 große Vereine liegen hier und nehmen Gäste auf. Duschen, Strom, Wasser, WLAN, alles da und in Ordnung. Aber Blankenberge zeigt, ähnlich Scheveningen, wo Badetourismus hin führt, wenn dem nicht natürliche Grenzen wie auf unseren Inseln gesetzt sind. Die erste Häuserreihe am Strand ist durchgehend 10-stöckig. Was die Unterbringung vieler zahlender Gäste ermöglicht, aber nicht unbedingt das Ambiente fördert. Der Strand ist mit allerlei Strandhütten, Restaurants und Kinderbelustigungsanlagen durchgestaltet.
England ist nicht weit, man merkt’s schon.
Es gibt auch eine Seebrücke, wenn auch nicht so aufwändig wie die in Scheveningen. Dafür kann man von der Seebrücke Zeebrügge gut sehen.

Seebrücke mit Zeebrügge
Seebrücke mit Zeebrügge

Als die Küsten dieser Welt verteilt wurden, hat Belgien nicht viel abbekommen. Und dieses Wenige ist vielfach wohl ähnlich gestaltet. Und bis auf Antwerpen, das ja aber nicht direkt an der Küste liegt, sind alle Orte durch eine Straßenbahn miteinander verbunden. Die Kusttram (sprich Küsttram), geht von Knokke bis De Panne.

Wenn man hier ist, muss man sich natürlich Brügge anschauen. In der Zeit ihrer wirtschaftliche Blüte hatte die Stadt ein Stapelrecht. Solche Sachen gab es in der Hanse: Alle Waren auf Schiffen, die Brügge anliefen, mussten zunächst den dortigen Kaufleuten angeboten werden. Daran, und am Handel mit flandrischen Tuchen hat sich Brügge eine goldene Nase verdient. So golden, dass der zur Schau gestellte mittelalterliche Reichtum noch heute beeindruckt. Wenn meine Mitbremer mitunter auf ihren hanseatischen Traditionen herum reiten, sollten sie mal Brügge besuchen, um die Bedeutung unserer Hansestädte im Rahmen dieser Institution richtiger einzuschätzen. Mancher Prunkbau, der bei uns Kategorie eins wäre, wird hier im Stadtführer gar nicht erwähnt.

Brügge, Belfried
Brügge, Belfried
Brügge, Rathaus
Brügge, Rathaus

Auch wenn wir eigentlich genug Boot fahren, eine Besichtigung der Wasserseite von Brügge sollte man sich hier auch gönnen.

Brügge vom Wasser aus
Brügge vom Wasser aus

Brügge hat sein mittelalterliches Stadtbild teils dem Verlust des Hafens durch Versandung zu verdanken. Und der Tatsache, dass die Niederlande das heutige Belgien im ¨Goldenen Zeitalter¨ der Niederlande wirtschaftlich ziemlich abgehängt haben. Auch niedergekämpft. Die hatten schließlich nicht den richtigen Glauben, den evangelischen. Sondern den richtigen, den katholischen.
Zurück in Blankenberge fand dann, rechtzeitig vor dem geplanten Ablegen, der schon sein drei Tagen angekündigte Wetterumschwung wirklich statt. Mit Blitz und Donner und viel Regen. Und der Frage des freundlichen Hafenmeisters: ¨Sie wollen doch jetzt wohl nicht mehr los?¨ Nein, wollen wir nicht. Morgen. So das Wettter und die Tide wollen. Auslaufen um Niedrigwasser herum ist ja wohl zur Zeit nicht drin.

Das solle 2.70 m sein ?
Das solle 2.70 m sein ?

Autor: cord

Hat mal Physik studiert, aber fast alles wieder vergessen. Hat jetzt altersbedingt viel Freizeit und segelt gerne. Oder macht Musik. Verheiratet, zwei erwachsene Kinder. Und inzwischen zwei Enkelkinder.