Die Ruhe nach dem Sturm

Donnerstag. Das Sturmtief ist durch und ärgert jetzt die Ostseesegler. Hier ist es weiter bedeckt, mit frischem SW-Wind und Wasserstand bei Hochwasser ¨ohne wesentliche Abweichung vom mittleren Hochwasser¨. Also weiter übers Watt nach Norderney. Die Anzahl der Boote, die uns begegnen, ist recht überschaubar. Offenbar haben viele noch kein Vertrauen in die Wetterberuhigung.
Auf Norderney sind im Moment die Liegeplätze knapp, weil viele Skipper ihre Boote noch zusätzlich nach Luv angebunden haben und dann beide Plätze zwischen den Schlengeln belegen. Aber das wird wohl schon wieder. Es regnet kaum, es stürmt gar nicht, das Netz ist brauchbar und Diesel gibt es hier auch. Da kann man das minder romantische Ambiente des Norderneyer Hafens gut hinnehmen.

Sturmtef, schwere Schauerböen, Sch.-Wetter

Von Wangerooge übers Watt nach Langeoog und von dort dann weiter nach Norderney. Vielleicht schafft man es ja noch in die holl- resp. niederländischen Kanäle bevor das Wetter richtig schlecht wird.
Nein, man schafft es nicht. Nur noch bis Langeoog, mit einer Wettervorhersage, die SW–S 6-7, in Böen 8 lautet. Was etwas kurzfristiger vorhergesagt ist, ist der Wasserstand. Die Vorhersage lautet dann: Hochwasser an der deutschen Nordseeküste 2-4 dm weniger als normal. Sabine findet das ¨zu viel zu wenig Wasser¨, um über das Baltrumer Watt zu kommen. Das Wattenhoch bei Baltrum ist wirklich hoch, vor allem für Segler. Selbst für solche Flachgänger wie uns. Die Aussicht, dort festzukommen mit Böen von 8 Bft finden wir nicht allzu verlockend und bleiben dann lieber auf Langeoog.
Das war gut so, inzwischen lag die Prognose bei 7-8 Bft, Böen 10 Bft, schwere Schauerböen. Und sie traf zu. Im deutschen Seewetterbericht wird Regen ja nur erwähnt, wenn der die Sicht behindert. Tut er kaum, aber er macht nass. Und man kann sich im Freien auch schlecht davor schützen, weil er fast waagerecht kommt.
Lesen und Warten. Oder vielleicht im Netz rumsurfen und diesen Bericht hochladen, wenn denn im Langeooger Hafen das WLAN ginge. Geht aber nicht. Oder die Datendienste vom Telefon. Tun sie aber auch nur schlecht.
Nachtrag: Die Vorhersage wurde gerade auf Böen mit 11Bft aktualisiert. Das wären dann orkanartige Böen.

Alternative Fakten

Alles erledigt, Ersatzteile eingebaut, Fenster wieder abgedichtet. Auch die elektronische Seekarte so aktuell, wie sie geliefert werden konnte. Also leider nicht wirklich aktuell. Weil, zwischen Wangerooge und Harlesiel sieht die Welt neuerdings anders aus. So, wie wir die Welt an dieser Stelle der Welt kannten, gab es ein Fahrwasser von der Nordsee nach Harlesiel. Da war die Harle, die Tonnen dazu hießen Hxx (mit xx aus der Menge der natürlichen Zahlen) und führte dicht an Wangerooge vorbei. Der kurze Abstecher zum Hafen war mit den Tonnen W2 und W4 bezeichnet.
Mit diesem Wissen und einem, zugegeben, kurzen Blick in die Karte sind wir also von Wangerooge nach Harlesiel gestartet. Die Tonne vor dem Hafen haben wir nicht allzu intensiv betrachtet, schließlich liegt da schon ewig eine. Dem gewohnten Wege gefolgt und ….
Überraschung!!! Die Tonne, die eigentlich Hxx heißen sollte, hieß plötzlich W3! Die nächste dann W5. Verwirrung macht sich breit. Wo gehts hier hin? Nachdem der Vorrat an W-Tonnen aufgebraucht ist dann ganz vorsichtig zur nächst gelegenen. Ziemlich flach hier! Die hat dann wenigstens ein H im Namen und die Welt ist wieder halbwegs in Ordnung.
In der Schleuse in Harlesiel werden wir dann aufgeklärt, dass die Fahrwasser verlegt sind, was nicht so schlimm ist, und die Bezeichnungen geändert, was schon eher verwirrt. Information ist in der Seefahrt eine Holschuld, aber man muss ja erstmal auf den Trichter kommen.
Also, zusammengefasst: W heißt jetzt DH und führt vom Harle-Fahrwasser in den Wangerooger Hafen. W ist jetzt das, was ein Teil von H war, H ist jetzt da, wo vorher ein Teil von OB (Otzumer Balje) war. Raider ist jetzt Twix, und Lügen sind alternative Fakten. Und Negerküsse jetzt Schokoschaumgebäck mit Migrationshintergrund. Und neue Karten sind nicht unbedingt richtige Karten.

Aller Anfang ist holprig

Jetzt segeln sie wieder. Später als in den vergangenen Jahren und nach Westen.
Dass wir, für unsere Verhältnisse, so spät los sind, hat diverse Gründe. Der angenehme ist, dass ein neues Enkelkind angekommen ist. Es gab und gibt auch noch weitere Angelegenheiten, die zu regeln waren und teils auch noch zu regeln sind.
Nun endlich Aufbruch in den letzten Maitagen. Sehr warm und windig. Abends also von Bremen bis Elsfleth, wenig Strecke, aber wenigsten ein Anfang. Dann Bremerhaven. Sehr warm, sehr windig. Die letzten Reste der Großseglerveranstaltung werden abgeräumt. Unter anderem die ¨Mir¨. Durch die Klappbrücke vom Neuen Hafen zum Kaiserhafen I. Und die ist nicht unbedingt für Schiffe dieser Größe geplant gewesen, vor allem nicht für solche, die oben so weit in den Wind ragen. Trotz zweier Schlepper ging es dort erstmal an die Wand. Der Schlepper in der Durchfahrt kann natürlich auch nur nach vorne und nur begrenzt gegen den Wind ziehen. Also ein spannendes Manöver, das Ding da durch zu kriegen. Und mit jeder Menge Zuschauer (nicht Gaffer!), einige an Land und ganz viele an der Reling der Mir.

Mir an die Wand gefahren
Mir an die Wand gefahren

Da hast du einen Plan
Der Plan war gar nicht gut. Oder doch, der Plan war schon gut, aber die Verhältnisse, die war’n nicht so. Der Plan war der: Von Bremerhaven die Weser runter mit ablaufendem Wasser, und mit auflaufendem nach Wangerooge West. Leider verschlechterten sich die Wetteraussichten von einem Wetterbericht zum nächsten. Von Gewitterböen bis 8 Bft war die Rede. Auch wenn die Gewitter ja meist über Land entstehen, doch lieber in geschützten Gewässern bleiben. Also nicht außen herum, sondern übers Watt. So’n Gewitter auf dem Watt ist zwar auch nicht unbedingt lustig, und man kann auch schlechter ausweichen, aber dafür holperts auch nicht so bei Starkwind. Hat auch geklappt, dafür mußte das Ziel allerdings angepasst werden. Horumsersiel statt Wangerooge. Besondere Ereignisse unterwegs: Unter Segeln mit dem stehenden Propeller eine treibende Pricke eingesammelt. Sabine hat uns mit Hilfe des Bootshakens wieder befreit. Wir haben sie NICHT!!! abgefahren, die Schnittflächen am unteren Ende waren gerade und sauber. Die ist aus freiem Willen auf Wanderschaft gegangen. Leider hatten wir keine Möglichkeiten, sie ihrem Herrchen wieder zuzuführen und mussten sie notgedrungen wieder in Freiheit setzen. Kein Wunder, dass vor Fed-siel die Fahrwassermarkierungen problematisch sind: Die Pricken schwimmen weg!
Nächster Tag: ¨Die schwül-warme Tropenluft wird durch kühlere, trockene Lust ersetzt¨. OK, stimmt. Die Front ist durch, es ist Rückseitenwetter: Himmel blau, wolkig, gute Sicht und etwas kühler, so um die 12° bei Sonnenschein. Auch Deutschland kann so kalt sein. Dafür ist der kräftige WNW-Wind gut geeignet, die Jade bis zum Minsener-Oog-Wattfahrwasser runter zu segeln, mit Reff. Weniger gut um von dort nach Wangerooge zu kommen. Da muss fossiler Brennstoff herhalten, leider.
Und nun leider nochmal mit Öffies nach Bremen, diverse Restpunkte erledigen, so z.B.: Sika kaufen, neue Klopumpe kaufen, an die falsche Adresse geschickte Seekarte abholen, Brille abholen, Auto in die Werkstatt, und und und …
Fängt alles etwas holprig an dieses Jahr.