Sommer geht anders !

Nach einigen reichlich warmen Tagen haben wir es doch wieder recht norddeutsch. Für April wäre das so in Ordnung, Anfang Mai muss man mit solchen Temperaturen auch noch rechnen, aber als Ende Juni ist das so unbrauchbar. 14-16 Grad Tageshöchsttemperaturen bei Nordwind und reichlich Luftfeuchtigkeit. Und das soll ein Keil des Azorenhochs sein! Da finde ich manches Atlantik-Tief angenehmer.
Auf Wangerooge haben wir, Sabines Initiative folgend, den Strandspaziergang zum selektiven Einsammeln der faunaschädigenden Plastikrückstände genutzt. Selektiv, weil nur das, was sich zusammenknoten und tragen ließ.


Andere haben sich am Strand mit merkwürdigen Übungen unter Anleitung eines Feldherrn warm gehalten, der gegen den Lärm der Brandung seine Stimme geschult hat. Sah jedenfalls so aus.

Demostenes spricht gegen die Brandung


Da wir nun schon einige Tage hier sind und zum nächsten Monatsanfang in Norddeich sein möchten, haben wir zur nächsten Insel, nach Spiekeroog gewechselt. Ein kleiner Schritt für die Martha, und die Menschheit hat davon gar nichts. Das Harlesieler Wattfahrwasser gibt es nicht mehr, die Tonnen wurde eingezogen. Man muss jetzt durch  die Alte Harle (nördliches Fahrwasser), wenn man über das Watt von Wangerooge nach Spiekeroog will. Dort ist es bei Nordwest oder Nord immer ein spektakulärer Anblick, wenn man von hinten auf die Brandung zu fährt, um dann kurz vorher dem Fahrwasser folgend abzubiegen.

Bis ran und dann nach Bb!


Entsprechend der Witterung und der Nicht-Ferienzeit waren im Hafen noch reichlich Plätze.

Nix los.

Leider kommen auf das Liegegeld inzwischen so viele Zusatzabgaben, dass ich mich  schon an England als preiswertes Urlaubsland erinnere. (Kursverfall des Pfunds gar nicht mitgerechnet)

Crescendo-Decrescendo

Nach der Nacht im teil-idyllischen Hafen unterhalb Bohus wieder zurück auf den Göta Älf/Trollhätte Kanal. Die Idylle wurde etwas getrübt durch die Beschallung. Auf dem Parkplatz von Bohus war Oldtimer-Treffen mit dutzenden amerikanischer Blechmonster und wenigen europäischen Autos der 50er und 60er Jahre, auch Saab ¨Blechtroll¨ alias ¨Nordkapschüssel¨, entsprechend untermalt mit Elvis und anderem Rock ´n´ Roll von Konserve. Im Hotel ein Stückchen weiter verdiente ein Tom-Jones-Imitator sein Geld. Immerhin hat er das ganz ordentlich gemacht. Ab 23:00 war Schluss und die Idylle dann viel idyllischer.

Ein großes Schiff?

Zu Bohus und seiner Geschichte haben wir noch ein Detail gefunden: Als das Ganze noch den Norwegern gehörte, haben die Schweden, so um 1570, einen Turm der Festung besetzt. Nicht wissend, dass dort die Munition der Festung gelagert war, oder zumindest ein größerer Teil davon. Den haben die Norweger dann gezündet. Damit hatten sie keinen Turm mehr, aber auch keine Schweden. Letztere sollen ¨wie die Krähen¨ durch die Luft geflogen sein. Konnten aber danach nichts mehr dazu berichten. Raue Sitten hier.

Boshus vom Göta Älf

Wieder zurück auf den Göta Älf – ich weiss nicht, wie man das korrekt schreibt, man findet´s mit großem und mit kleinem ¨Ä¨. Je weiter man sich seiner Mündung nähert, um so mehr Industrie und Verkehr zeigt sich an den Ufern, besonders am linken. Rechts teils ursprünglich wirkende Natur – zwischen Kanal und Autobahn, da kommt kaum einer hin, um zu müllen oder zu bauen.
Die Nähe zu Großstadt hat den Vorteil, dass die Brücken jetzt immer besetzt sind und auf Anruf auch geantwortet wird. Hilft aber nichts, denn wegen des Verkehrs wartet man genau so lang wie weiter oben. Man weiss jetzt aber immerhin, dass man zur Kenntnis genommen wurde.
Und dann, nach der letzten Eisenbahn-Drehbrücke die furiose Steigerung: Mit dem Boot mitten durch Göteborg. Welches vom Wasser aus einen beeindruckenden Anblick bietet.

Göteborg, vorwärts

 

Göteborg, rückwärts

Göteborg seitwärts: Ostindienfahrer-Replik

Auf Landgang haben wir verzichtet: Zu heiß zum Pflastertreten in der Großstadt. Wir waren vor drei Jahren das letztemal hier, das muss reichen. Link: symartha.de/grossstadt-halbtrocken

Da haben wir die Stadt allerdings nicht vom Wasser aus gesehn, das haben wir jetzt nachgeholt. Damals sind wir mit der Fähre nicht so weit hinauf gekommen, da steigt man weiter draußen in die Straßenbahn um.
Zu Göteborg gehören ja zahlreiche Inseln und Schären, und dort haben wir angelegt, in Styrsö. Was den Hamburgern die Elbchausse und den Bremern Oberneuland ist den Göteborgern ihr Schärengarten. Nur viiiel schöner. Und nach der Steigerung in der Stadt ein ruhiger Ausklang.

Schären bei Göteborg

Naja, nicht ganz so ruhig, viele Boote und Fähren, und dicht besiedelt. Eben Stadtgebiet.

Die Nähe zu den Großen

Kalt, windig aber trocken. Heute auf dem Kanal von Rendsburg nach Kiel. Dabei nutzt man die nicht ausgebaute Teilstrecke des Kanals. Also den Teil, der noch die Maße aus Kaisers Zeiten oder wenig danach aufweist. Und zudem etliche Kurven. Ist schon ganz schön eng, wenn einem dann so ein Frachtschiff in den Kurven entgegen kommt. Zumindest fühlt es sich von unten, aus der Froschperspektive des Yachties, so an. Wie das dann aus der erhabenen Position des Frachterkapitäns aussieht, kann man sich ja so ungefähr vorstellen. Da sind wir so`n lästiges Schwimmzeugs.

Der nicht ausgebaute Teil des Kanals

Der Zustand des NOK ist ja bekanntlich eher kritisch, es fehlt deutlich an Geld und wohl auch an Ingenieurs-Kapazitäten. Beides hat man wohl für den sehr sinnvollen Rhein-Main-Donau-Kanal gebraucht, auf dem sowieso keiner fährt. Jedenfalls ist von den 4 Kammern der Schleuse in Holtenau nur eine in Betrieb, eine wird repariert, zwei sind stillgelegt. Entsprechend ist der Andrang an der letzten funktionsfähigen Kammer. Und entsprechend sind die Wartezeiten für die Sportboote, denn die Berufsschifffahrt hat natürlich Vorrang. Man kann sich also mental auf längere Wartezeiten vorbereiten. So hat uns denn auch die Durchsage an eines der Berufsschiffe, man müsse jetzt noch einen ganzen Pulk Sportboote mit in die Kammer nehmen, die warteten schon Stunden, bewogen, den Hebel ganz weit nach vorn zu schieben. Wir waren noch gar nicht in besagtem Pulk, wir kamen gerade erst um die Kurve. Mussten dann aber doch noch fast eine Stunde warten bis wir in der Kammer fest waren. Platz war genug, die großen haben meist auch einigen ¨Verschnitt¨. Bis allerdings ein Pulk Sportboote festgemacht und dann später auch wieder abgelegt hat, das dauert. Die Schleusenmannschaft war trotzem freundlich und sachlich. Was man  erwähnen sollte. Sie verwalten den Mangel und haben ihn nicht zu verantworten. Und die Yachten sind mehr oder weniger Gäste im Kanal, die Gebühren der Yachties sind wohl nicht entscheidend für den Unterhalt. (Der Autor kennt nur einen Kanal, der noch günstiger ist: Falsterbro-Kanal. Der kostet gar nichts. Allerdings kann man da bei der Einfahrt das Ende auch schon sehen.)

Halb so groß wie Delmenhorst …

Auch wenn es uns etwas gegen den Strich ging, die Entscheidung, in Brighton abzubrechen war wohl nicht ganz verkehrt. Entweder haben wir keinen Wind, zuviel Wind oder Ostwind. Mehr als die Hälfte der Zeit für die Rückfahrt vorzusehen scheint richtig gewesen zu sein. Nur nach der langjährigen Statistik herrscht überwiegend Westwind. Leider hält er sich aber nicht daran. So also die gleiche Streck zurück wie hin. Eigentlich hatte es ja England rauf, Frankreich runter werden sollen.
Vormittags aus Sovereign Harbour bei Eastbourne raus. Da gibt es nicht nur Martellos als Zeugen der Geschichte, sondern auch ein Wrack. Und ein Schild, das u.A. darauf hinweist, wer die Bösen waren, die das Schiff zum Wrack gemacht haben, am Anfang des 2. Weltkriegs. Das Wrack selbst ist weitgehend zerfallen, was noch dräut und auf unvorsichtige Sportbootfahrer wartet, sind die Dampfkessel. Direkt neben der Hafeneinfahrt. Einmal haben wir mitgehört, wie ein Hafenmitarbeiter einen Bootsführer freundlich aber nachdrücklich von der Gefahrenstelle weg geführt hat. Es hat auch Vorteile, dass die Häfen hier personel gut bestückt sind.

Sovereign Harbour, Eastbourne, Dampfkessel
Sovereign Harbour, Eastbourne, Dampfkessel

Mit Nordwind, durchaus kräftigem an Hastings vorbei und um Dungeness herum. Dungeness, das ist eine flache Halbinsel vor der südenglischen Küste, die sich durch Künstlerkolonien, eine spleenige Minieisenbahn, ein Kernkraftwerk im Naturschutzgebiet und durch die Tatsache, das der Tidenstrom östlich und westlich davon zeitweise entgegengesetz läuft, auszeichnet.

Geschickt ausgenutzt hat man so mehr als 7 Stunden mitlaufende Tide. Ganz bis Dover hat es nicht gereicht, der Wind hat auf Ost gedreht und das letzte Stück musste dann Wind aus dem Tank herhalten.
Also wieder Dover. Rye geht nur bei Hochwasser, Folkstone hat einen sehr rustikalen Hafen, der zudem vor Ostwind nicht schützt. Und Hastings hat eigentlich gar keinen Hafen, obwohl es doch zu den Cique Ports gehört. Dafür eine Seebrücke, die aber deutlichst das Ende ihrer Lebenszeit

Hastings mit verschraddelter Seebrücke
Hastings mit verschraddelter Seebrücke

erreicht hat.
Und da der Skipper bei seinem ersten Besuch in Dover etwas fußkrank war, gibt’s in Dover noch genug zu besichtigen.

Die Stadt Dover kennt eigentlich jeder, zumindest vom Namen her. Was natürlich an ihrer besonderen Lage an der Südostecke der großen Insel liegt, die wir oft fälschlich als England bezeichnen.
Dover ist ungefähr halb so groß wie Delmenhorst, aber ein bisschen interessanter. Erstens, weil es landschaftlich schön liegt. Zweitens, weil es eine lange und bewegte Geschichte hat, von der noch etliches zu sehen ist. Schon die Römer hatten hier ein Kastell. Liegt heute unter der modernen Bebauung. Zu sehen ist heute nur der Rest eines römischen Hauses, das beim Bau des Kastells zugeschüttet wurde, was die antiken Wandmalereien konserviert hat. Heute das ¨Painted Roman House¨.
Als William the Conquerer, von Hastings kommend auf dem Weg nach London – auch nicht die kürzeste Strecke – hier vorbei kam, haben seine Soldaten die Burg – jetzt schon an der heutigen Stelle – angezündet und niedergebrannt. William hat den Schaden bezahlt und die Burg wieder aufgebaut. Offenbar hat man hier schon länger Probleme mit Vandalismus.

Einer seiner Nachfolger, Henry II, hat dann die heute noch erhaltene normannische Burg dort hingestellt. Eine der größten und am besten erhaltenen. Die hat man in jüngster Zeit auch innen so ausgestaltet, wie sie zu seiner Zeit ausgesehen haben könnte.

Raumgestaltung, 12. Jahrhundert
Raumgestaltung, 12. Jahrhundert

Heinrich der Zweite, das war der Vater von Richard Löwenherz und Johann Ohneland und noch weiteren problematischen Nachkommen. Den Darstellungen im Dover Castle zufolge hat er mehr Kriege gegen die Armeen seiner eigenen Kinder geführt als gegen äußere Feinde. Zerrüttete Familienverhältnisse.
Aber die Burg ist geblieben, immer weiter ausgebaut und bis nach dem 2. Weltkrieg militärisch genutzt worden.
Auf dem Gelände finden sich auch eine sächsische Kirche und ein römischer Leuchtturm. Beides natürlich nicht mehr im Urzustand. An der Kirche findet man noch eine zugemauerte Tür aus ihrer Anfangszeit. Alles andere ist dem Laien nicht sichtbar. Und der Turm ist normannisch aufgestockt, aber noch als römisch erkennbar. Siehe Bild ganz oben.
Das war der Ostturm, der Westturm ist einer weiteren Festung zum Opfer gefallen, die Napoleon fernhalten sollte. Der ist ja dann auch nicht gekommen.

Dover Castle Hintereingang
Dover Castle Hintereingang

Alternative Fakten

Alles erledigt, Ersatzteile eingebaut, Fenster wieder abgedichtet. Auch die elektronische Seekarte so aktuell, wie sie geliefert werden konnte. Also leider nicht wirklich aktuell. Weil, zwischen Wangerooge und Harlesiel sieht die Welt neuerdings anders aus. So, wie wir die Welt an dieser Stelle der Welt kannten, gab es ein Fahrwasser von der Nordsee nach Harlesiel. Da war die Harle, die Tonnen dazu hießen Hxx (mit xx aus der Menge der natürlichen Zahlen) und führte dicht an Wangerooge vorbei. Der kurze Abstecher zum Hafen war mit den Tonnen W2 und W4 bezeichnet.
Mit diesem Wissen und einem, zugegeben, kurzen Blick in die Karte sind wir also von Wangerooge nach Harlesiel gestartet. Die Tonne vor dem Hafen haben wir nicht allzu intensiv betrachtet, schließlich liegt da schon ewig eine. Dem gewohnten Wege gefolgt und ….
Überraschung!!! Die Tonne, die eigentlich Hxx heißen sollte, hieß plötzlich W3! Die nächste dann W5. Verwirrung macht sich breit. Wo gehts hier hin? Nachdem der Vorrat an W-Tonnen aufgebraucht ist dann ganz vorsichtig zur nächst gelegenen. Ziemlich flach hier! Die hat dann wenigstens ein H im Namen und die Welt ist wieder halbwegs in Ordnung.
In der Schleuse in Harlesiel werden wir dann aufgeklärt, dass die Fahrwasser verlegt sind, was nicht so schlimm ist, und die Bezeichnungen geändert, was schon eher verwirrt. Information ist in der Seefahrt eine Holschuld, aber man muss ja erstmal auf den Trichter kommen.
Also, zusammengefasst: W heißt jetzt DH und führt vom Harle-Fahrwasser in den Wangerooger Hafen. W ist jetzt das, was ein Teil von H war, H ist jetzt da, wo vorher ein Teil von OB (Otzumer Balje) war. Raider ist jetzt Twix, und Lügen sind alternative Fakten. Und Negerküsse jetzt Schokoschaumgebäck mit Migrationshintergrund. Und neue Karten sind nicht unbedingt richtige Karten.