Trollhättan

Nachdem wir unseren gar königlichen Liegeplatz verlassen haben – schließlich hat schon Gustav II Adolf hier an- und abgelegt – sind wir in den Schären verschwunden. Bei strahlendem Sonnenschein und (laut Windfinder) 14° Lufttemperatur. Kann trotz der niedrigen Lufttemperatur ganz angenehm sein, wenn denn die Julisonne das ausgleicht.
Es gibt mehrere Wege durch den Schärengürtel, der den See teilt, je nach Schiffsgröße. Der südlichste ist selbst uns verwehrt, der wird von eine Brücke mit 2,7 m Durchfahrtshöhe überspannt. Aus der Zeit, als hier noch Landwirtschaft betrieben wurde. Etwa in der Mitte des Schärengürtels können auch 5000t-Schiffe durchfahren. Mit Verkehrstrennungsgebiet, obwohl es eigentlich nicht viel Verkehr zu trennen gibt.
Der Weg durch den Süßwasser-Schärengarten ist verwinkelt und daher spannend. Teils ging es sogar unter Segeln, wenn auch nur mit der Genua. Die kann man schnell mal einrollen ohne den Kurs ändern oder aufschießen zu müssen. Was ja unter Umständen nicht geht, weil eine der besagten 22000 Inseln im Weg ist.

Nach dem Verlassen des Schärengartens war nach einer Stunde Schluss mit Wind.

Ehemalige Lotsenstation am Rande des Schärengürtels des Väner

Also unter Motor bis zum Südwestende des Vänern, nach Vänersborg. Und so ward aus Morgen und Abend ein weiterer Tag.
In Vänersborg hat man den Anfang des Trollhätte-Kanals erreicht. Der besteht aus dem ausgebauten natürliche Abfluss der Väner, dem Göta Älf. Wobei Ausbau hier etwas bescheidener klingt, als das ganze Unternehmen war.
Während der Göta-Kanal, mit ein paar Updates und Renovierungsmaßnahmen, noch den Zustand vom Anfang des 19 Jhd. bewahrt hat, ist der Trollhätte Kanal im Laufe der Jahre immer wieder erweitert und vergrößert worden. Heute können relativ große Schiffe auf ihm den Väner erreichen.
Der Ausbau hat an einigen Stellen allerdings Strukturen geschaffen, die für die Kleinschifffahrt gewöhnungsbedürftig sind. Die bislang einzige Schleuse, die wir passiert haben, ist aus dem Fels gesprengt. Vor dem Fels stehen Betonpfeiler, an denen die Schiffe auf und ab gleiten können. Wir mit unseren bescheidenen Maßen passen aber leider zwischen die Pfeiler, mussten uns also mit dem Bootshaken und ähnlichen Utensilien von der Felswand abhalten. Mal wieder ein neues Schleusengefühl.

Naturnahe Schleuse am Trollhätte Kanal

Haben in Trollhättan festgemacht. Bei bestem Hochsommerwetter. Der Ort hat nicht nur einen lustigen Namen, zumindest im Deutschen, er hat auch eine interessante Geschichte. Der Göta Alf hat vom Väner bis zur Mündung ein Gefälle von etwa 44 Metern. Von diesen 44 Metern werden aber 32 im Stadtgebiet von Trollhättan verbraucht. Und, im ursprünglichen Zustand, auf wenigen hundert Metern. Diese Stromschnellen oder Wasserfälle waren einerseits ein unpassierbares Hindernis für die Schifffahrt, andererseits aber Energiequelle für alle möglichen Betriebe. So entstand hier der Industriestandort Trollhättan.
Mit den Wassermühlen aller Art war es vorbei, als man nach 1900 anfing, im großen Stil elektrische Energie aus Wasserkraft zu gewinnen.
Die Betriebe, die dann für das Groß-Wasserkraftwerk umziehen mussten, hat man unter anderem mit kostenlosem Strom für alle Zeit abgefunden. Für den Verlust des Naturschauspiels der Katarakte hat die Betreiberfirma eine Kirche gespendet.
Das Wasserkraftwerk sollte den Strombedarf ganz Schwedens für alle Zeit decken. Musste allerdings nach wenigen Jahren erweitert werden. Und dann nochmal. Und dann kam noch ein zweites dazu. Heute können nicht mehr alle Turbinen betrieben werden, einige sind stillgelegt, weil man an der Grenze dessen angekommen ist, was der Fluss hergibt.
Und damit manchmal noch etwas von dem zu sehen ist, was der Wasserfall einmal war, lässt die Betreiberfirma einmal in der Woche, in der Ferienzeit sogar einmal am Tag, für einige Minuten das Wasser doch noch über die Fälle laufen. Zumindest etwa 40% dessen, was da ursprünglich mal durchging.

Trollhättan-Wasserfälle ohne Wasser

Bei Hochwasser am Vänern auch mal mehr, aber um die Jahreszeit ist unsereiner ja nicht hier.

Das ältere der beiden Kraftwerke kann man heute im Betrieb besichtigen. Damit macht der Betreiber auch ein bisschen Publicity, darf er ja auch. Wir kaufen die Energie sowieso nicht direkt beim ¨Erzeuger¨(1).
Außer dem Wasserfall-EVU gab es hier bis vor wenigen Jahren eine weitere Firma, deren Produkte bei uns jeder kennt: Saab-Automobile. Aber dieser Zweig des Saab-Konzerns ist ja dahin gegangen. (Das der Saab 96 bei uns den Spitznamen ¨Blechtroll¨ hatte, erscheint mir jetzt in einem neuen Licht.)

Wasserfall heißt auf Schwedisch Vattenfall.


(1) Gänsefüßchen, weil man Energie natürlich nicht erzeugen, sondern nur umwandeln kann. Das weiß jeder aus dem Physikunterricht, nur die Werbeheinis nicht.

Autor: cord

Hat mal Physik studiert, aber fast alles wieder vergessen. Hat jetzt altersbedingt viel Freizeit und segelt gerne. Oder macht Musik. Verheiratet, zwei erwachsene Kinder. Und inzwischen zwei Enkelkinder.