Innen durch

Die Wettervorhersage wurde nächtens nochmal aktualisiert. Von SW 6 auf SW 6 mit Böen 8. Nun haben wir kein Windometer, wir benutzen immer noch den Nasensensor mit Beaufort-Skala. Da gibt es solch präzise Kriterien wie ¨deutliche Erschwernis beim Gehen¨. Die Erschwernis beim Gehen war auf dem ¨oude Veerdam¨, heute Teil des Yachthafens von Schiermonnikoog, heute morgen immer noch sehr deutlich. Schon gestern abend war’s deutlich, ein einsamer Eider-Erpel auf dem Veerdamm hat verzweifelt, aber erfolglos versucht, sein Gefieder zu ordnen. Menschen liefen mit etwa 10° Krängung nach Luv, um nicht vom Damm zu stolpern.

Eidererpel bei Bft 7
Eidererpel bei Bft 7

Wir haben es, wie schon geplant, vorgezogen, den Weg über die ¨Staande Mast Route¨ (ich hoffe, man schreibt das so) fort zu setzen.
Das seglerisch spannendste war eigentlich, aus dem Hafen zu kommen. Wie kommt man bei dem Wind vom Steg und um die Ecke, und wann ist genug Wasser da? Hat aber alles geklappt, und die paar Meilen von Schiermonnikoog nach Lauwersoog waren in etwa einer Stunde erledigt. Auch wenn es subjektiv länger erschien, wegen des Gehoppels. An der zweiten Schleuse, der vom Lauwersmeer zum ¨Dokkumer Nieuwe Zijlen¨ – das musste ich jetzt nachsehen – also dem Kanal Richtung Dokkum, haben wir erstaunt festgestellt, das in den Niederlanden sogar das Unkraut in den richtigen Farben wächst. Siehe Foto.
Wiesenblumen in korrekter niederländischer Farbgebung
Wiesenblumen in korrekter niederländischer Farbgebung

Dokkum haben wir ausgelassen, hier haben wir schon früher etliche Tage verbracht – zusammengenommen. Die Schleuserei und das Öffnen der Brücken hat wieder hervorragend geklappt. Man fährt auf die Brücke zu, es wird mit rot-grün angezeigt, dass man wahrgenommen wurde, die Schranken an der Straße gehen zu, die Brücke geht auf und durch. Und bitte durchfahren so bald es geht. Nicht auf grün warten. Was in Deutschland fast zwangsläufig zu einem Anraunzer führen würde, ist hier ein Gebot der Höflichkeit gegenüber dem Straßenverkehr. Andere Länder, andere Sitten an den Zugbrücken. Allerdings hat ja hier auch jede mittlere Gemeinde mehr bewegliche Brücken als die ganze Bundesrepublik zusammen. Da hat man sich halt schon auf die Dinger eingestellt. Und es ist noch nicht Saison, also auch noch nicht so viel Verkehr auf dem Wasser.
So sind wir flott, aber entspannt durch Friesland bis kurz vor Leeuwarden gekommen und haben an einem öffentlichen Liegeplatz festgemacht. Von dem wir dann nach dem Festmachen erfahren haben, dass es auch der letzte vor der Stadt ist. Elegant war das Anlegen wegen des kräftigen Windes (das soll nur 6 sein ?) nicht gerade, und wir haben Hilfe von einem dort schon liegenden Plattbodenschiff bekommen. Und den Kommentar, das es bei ihnen auch nicht eleganter ausgesehen habe. Was glaubwürdig ist, denn der dritte im Bund stand ebenfalls quer zum Kanal. Man hat hier halt kaum Windschutz. Und gemeinsame Uneleganz verbindet auch irgendwie.
Eine schauklige Nach liegt also vor uns. Internet gibt es hier nicht, aber Kühe, Ziegen, Wiesen und viel Wind. Und in der Ferne die Hochhäuser von Leeuwarden.

Örlei in se Morning

Norderney hat uns dann einen Tag länger gesehen als wir wollten. Weil Böen von 9 Bft angesagt waren, auch wenn die dann, zumindest hier, nicht statt gefunden haben. Muss man ja aber nicht riskieren, kommt keine Freude auf.
Sonnabend Norderney Borkum, bei ungefähr halber Tide raus und etwa eine Stunde nach Hochwasser in Borkum. Unsere Karten sind neu, großes Ehrenwort, und in diesem Falle auch berichtigt. Geholfen hat das allerdings auch nur bedingt. Zwischen Norderney und Juist laufen die Fahrwasser schon wieder anders. Und am Ostende von Borkum gibt es einen Prickenweg, der in der Karte gar nicht verzeichnet ist.
Auf Borkum einen Platz am Vereinststeg bekommen. Unserer Meinung nach besser als im ¨alten¨ Jachthafen und auf jeden Fall besser als an den ex-Bundeswehr-Pontons. Bei Westwind hört man die Windturbinen. Hatten wir. Bei Südwind hört man auch die Windturbinen. Hatten wir auch. Bei Ostwind hört man die Wellen ans Heck klatschen, weil das Hafenbecken so groß ist, und die Windturbinen hört man trotzdem. Nordwind hatten wir nicht, aber vermutlich hört man die Windturbinen. Um Borkum kommt man als Segler mitunter nicht herum, aber wirklich schön ist es im Hafen nirgendwo.
Der große, der Burkanahafen, hat für das segelnde Volk den großen Vorzug, dass man ihn zu, je nach Tiefgang, fast jeder Tide verlassen kann. Das gilt für den anderen leider nicht, da kommt man nur nahe Hochwasser rein und raus.
Raus aus Borkum: Da das Hochwasser gerade in die Mittagszeit fällt und wir nach Westen wollen, sind wir mit Tagesanbruch los. Heißt, wir haben aus der Sonnenaufgangszeit geschätzt, wann genug Licht ist, um die Tonnen erkennen zu können, und danach unsere Abfahrtszeit geplant: 5:00. Wie ein einheimischer Segler sagte: Hauptsache mit ablaufend Wasser hier raus, Rest ist egal. Ganz egal ja nun auch nicht. Wenn man das Hubertusgat nimmt, das im wesentlichen der Sportschifffahrt vorbehaltene Tief, durch das das Wasser aus Ems und Dollart seinen Weg in die Nordsee findet, dann sind da so etwa 2 Knoten Strom. Ob man z.B. 5 kn Eigengeschwindigkeit + 2 kn oder -2 kn hat, das ist schon ein wesentlicher Unterschied auf 20 Meilen Strecke.
Zumindest den größten Teil der Strecke hatten wir den Strom jedenfalls mit uns. Und auch den Wind, erst aus Süd, später aus Südwest. Bisschen holprig, aber für unsere Verhältnisse flott.
Kurz vor dem Ziel noch eine Planänderung: Statt ins verkehrsgünstige, aber öde (gilt nur für den Außenbereich, wenn man nicht schleusen möchte) Lauwersoog ins verkehrsungünstige (fällt hoch trocken) aber schöne Schiermonnikoog.

Zufahrt Schiermonnikoog bei Niedrigwasser
Zufahrt Schiermonnikoog bei Niedrigwasser

Und hier, nach dem abendlichen Wetterbericht (West 6, Gewitterböen) vermutlich noch eine Planänderung: Nicht übers Watt nach Ameland/Terschelling/Vlieland/Texel – waren wir überall schon mal -, sondern binnen über die ¨stehende Mast Route¨. Dokkum, Leeuwarden, Sneek, Lemmer. Waren wir, oder wenigstens ich, zwar auch schon, aber zumindest in den letzten beiden noch nicht mit dem Boot.

Die Ruhe nach dem Sturm

Donnerstag. Das Sturmtief ist durch und ärgert jetzt die Ostseesegler. Hier ist es weiter bedeckt, mit frischem SW-Wind und Wasserstand bei Hochwasser ¨ohne wesentliche Abweichung vom mittleren Hochwasser¨. Also weiter übers Watt nach Norderney. Die Anzahl der Boote, die uns begegnen, ist recht überschaubar. Offenbar haben viele noch kein Vertrauen in die Wetterberuhigung.
Auf Norderney sind im Moment die Liegeplätze knapp, weil viele Skipper ihre Boote noch zusätzlich nach Luv angebunden haben und dann beide Plätze zwischen den Schlengeln belegen. Aber das wird wohl schon wieder. Es regnet kaum, es stürmt gar nicht, das Netz ist brauchbar und Diesel gibt es hier auch. Da kann man das minder romantische Ambiente des Norderneyer Hafens gut hinnehmen.

Sturmtef, schwere Schauerböen, Sch.-Wetter

Von Wangerooge übers Watt nach Langeoog und von dort dann weiter nach Norderney. Vielleicht schafft man es ja noch in die holl- resp. niederländischen Kanäle bevor das Wetter richtig schlecht wird.
Nein, man schafft es nicht. Nur noch bis Langeoog, mit einer Wettervorhersage, die SW–S 6-7, in Böen 8 lautet. Was etwas kurzfristiger vorhergesagt ist, ist der Wasserstand. Die Vorhersage lautet dann: Hochwasser an der deutschen Nordseeküste 2-4 dm weniger als normal. Sabine findet das ¨zu viel zu wenig Wasser¨, um über das Baltrumer Watt zu kommen. Das Wattenhoch bei Baltrum ist wirklich hoch, vor allem für Segler. Selbst für solche Flachgänger wie uns. Die Aussicht, dort festzukommen mit Böen von 8 Bft finden wir nicht allzu verlockend und bleiben dann lieber auf Langeoog.
Das war gut so, inzwischen lag die Prognose bei 7-8 Bft, Böen 10 Bft, schwere Schauerböen. Und sie traf zu. Im deutschen Seewetterbericht wird Regen ja nur erwähnt, wenn der die Sicht behindert. Tut er kaum, aber er macht nass. Und man kann sich im Freien auch schlecht davor schützen, weil er fast waagerecht kommt.
Lesen und Warten. Oder vielleicht im Netz rumsurfen und diesen Bericht hochladen, wenn denn im Langeooger Hafen das WLAN ginge. Geht aber nicht. Oder die Datendienste vom Telefon. Tun sie aber auch nur schlecht.
Nachtrag: Die Vorhersage wurde gerade auf Böen mit 11Bft aktualisiert. Das wären dann orkanartige Böen.

Alternative Fakten

Alles erledigt, Ersatzteile eingebaut, Fenster wieder abgedichtet. Auch die elektronische Seekarte so aktuell, wie sie geliefert werden konnte. Also leider nicht wirklich aktuell. Weil, zwischen Wangerooge und Harlesiel sieht die Welt neuerdings anders aus. So, wie wir die Welt an dieser Stelle der Welt kannten, gab es ein Fahrwasser von der Nordsee nach Harlesiel. Da war die Harle, die Tonnen dazu hießen Hxx (mit xx aus der Menge der natürlichen Zahlen) und führte dicht an Wangerooge vorbei. Der kurze Abstecher zum Hafen war mit den Tonnen W2 und W4 bezeichnet.
Mit diesem Wissen und einem, zugegeben, kurzen Blick in die Karte sind wir also von Wangerooge nach Harlesiel gestartet. Die Tonne vor dem Hafen haben wir nicht allzu intensiv betrachtet, schließlich liegt da schon ewig eine. Dem gewohnten Wege gefolgt und ….
Überraschung!!! Die Tonne, die eigentlich Hxx heißen sollte, hieß plötzlich W3! Die nächste dann W5. Verwirrung macht sich breit. Wo gehts hier hin? Nachdem der Vorrat an W-Tonnen aufgebraucht ist dann ganz vorsichtig zur nächst gelegenen. Ziemlich flach hier! Die hat dann wenigstens ein H im Namen und die Welt ist wieder halbwegs in Ordnung.
In der Schleuse in Harlesiel werden wir dann aufgeklärt, dass die Fahrwasser verlegt sind, was nicht so schlimm ist, und die Bezeichnungen geändert, was schon eher verwirrt. Information ist in der Seefahrt eine Holschuld, aber man muss ja erstmal auf den Trichter kommen.
Also, zusammengefasst: W heißt jetzt DH und führt vom Harle-Fahrwasser in den Wangerooger Hafen. W ist jetzt das, was ein Teil von H war, H ist jetzt da, wo vorher ein Teil von OB (Otzumer Balje) war. Raider ist jetzt Twix, und Lügen sind alternative Fakten. Und Negerküsse jetzt Schokoschaumgebäck mit Migrationshintergrund. Und neue Karten sind nicht unbedingt richtige Karten.