Festungshaft

Rhein, Maas, Schelde
Leute gesetzeren Alters wie ich haben in der Schule noch gelernt, dass der Rhein in der Schweiz entspringt und in den Niederlanden in die Nordsee mündet. Und zwar als Delta mit den Armen Ijssel, Lek und Waal, von Ost nach West. Die ganz aufmerksamen wissen noch, dass es noch einen Arm gibt, der Alter Rhein heißt und der die Nordsee nie erreicht, sondern irgendwo bei Leiden im holländischen Kanalsystem verschwindet. Wenn man allerdings, wie wir es gerade tun, die niederländische Küste entlang fährt, entdeckt man vom Rhein nichts. Gut, die Ijssel fließt ins nach ihr benannte Meer, und das Wasser fließt im Wesentliche bei Kornwerdersand wieder ab. Aber das kann man eigentlich kaum als Mündung des Rheins ansehen. Danach kommen keine Flussmündungen mehr, den Nordzeekanaal kann man kaum als solche betrachten. Naja ein bisschen Wasser, das mal im Rhein war, kommt da vielleicht beim Schleusen mit raus, so über’s Markermeer.
Die nächste ernst zu nehmende Flussmündung bildet die Hafeneinfahrt von Rotterdam, die Neue Maas. Da die Maas westlich des Rheins verläuft, fragt man sich: Wo ist der Rhein geblieben? Das nächste Loch in der Küstenlinie heißt Haringsvliet und ist mit einer langen Reihe von Sieltoren verschlossen. Der besorgte Skipper forscht nach: Hier war mal die gemeinsame Mündung von Maas und Waal. Dient heute als ¨Überlauf¨, wenn Maas und Waal soviel Wasser führen, dass man es über die Neue Maas nicht los werden kann.
Zusammengefasst: Der Lek wird mit einem Teil der Maas gemischt zur Neuen Maas, die Waal wird mit dem anderen Teil verrührt und erreicht die See als Haringsvliet. Oder, je nach Wasserstand binnen, auch nicht. Der Rhein mündet gar nicht in die Nordsee, er wird vermischt und verrührt und ist am Schluss kaum noch zu erkennen.

Festungshaft
Unser Weg führte also an Rotterdam vorbei zum Haringsvliet (siehe oben, läuft heute als küstennaher Binnensee). Über das Maasgeul, vor dem die Handbücher so warnen. Weil man da die Zufahrt zu Europas größtem Hafen quert. Gut, man muss sich anmelden, und das klappt evt. auch nicht gleich beim ersten Mal, weil der diensthabende Lotse seine Ohren vielleicht gerade für etwas anderes braucht. Man soll auf dem Arbeitskanal ¨stand by¨ bleiben. Aber ich finde das Queren der Elbe bei Cuxhafen oder Brunsbüttel wesentlich schwieriger. Vielleich haben wir aber auch nur Glück gehabt.
Zum Haringsvliet: Der tidenabhängige Teil wirkt wie ein ziemlich naturbelassener Fluss, der abgedeichte tatsächlich wie ein Binnensee.
Wir sind also, im Binnenteil, in die Marina Stellendam. Vom Ort nichts zu sehen, dafür guter Service und Blick auf die zwar nicht schönen, aber beeindruckenden Entwässerungstore. Siehe Bild oben.
Damals, als ich noch zum Bruttosozialprodukt beitrug, habe ich ab und an auf einem Schiff gearbeitet, das den Namen ¨Hellevoetsluis¨ trug. ¨Hellevoet-¨ kann ich einigermaßen aussprechen, aber mein ¨-sluis¨ wurde von den holländischen Gesprächspartnern nicht für gut befunden. Dialog: (1) ¨Sluis.¨ ¨Nee, Sluis!¨ ¨Sluis?¨ ¨Sluis!¨ ¨Sluis?¨ ¨Sluis¨! Zurück zu (1). Wir haben es dann aufgegeben. Soll aber auch mit ¨Scheveningen¨ funktionieren, da erkennen sie auch jeden Ausländer.
Also Hellevoetsluis. Nicht nur Zungenbrecher, sonderen auch ein Ort mit Geschichte. Hier war einst der größte Teil der niederländischen Marine stationiert. Als damals die Niederländer in den Englisch-Niederländischen Kriegen der Royal Navy eine blamable Niederlage beigebracht haben, siehe ¨Raid of the Medway¨, haben sie das erbeutete Flagschiff nach Hellevoetsluis gebracht. Was der englisch König nicht lustig gefunden haben soll, zumal es auch seinen Namen trug.
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Ursprünglich wollte ich mir Hellevoetsluis ( nee, -sluis) mal ansehen. Schon allein wegen der Mühe, die mich der Name gekostet hat. Dann hab’ ich gelesen, dass die Zeit und unsere Vorfahren von der Stadt nicht viel übrig gelassen haben und habe H. wieder aus dem Plan gestrichen. Also am nächsten Tag zurück durch die Schleuse zur Nordsee. Nein! Ist nicht: Zweimal rot übereinander. Der Seefahrende weiß: Anlage außer Betrieb. Also nicht Nordsee, sondern H. besichtigen. Die historische Bausubstanz ist in der Tat schon etwas gelichtet. Aber der Dockhafen inklusive Trockendock, letzteres sogar noch in Betrieb, ist noch vorhanden. Enthält aber, bis auf museale Ausnahmen, keine Marineschiffe mehr, sondern Unmengen an ¨Plaisir-¨ und ¨Recreatie-¨Fahrzeugen. Und die Festungswälle und -mauern sind noch da. Sowas ist ja ziemlich unkaputtbar und kann jetzt touristisch verwertet werden. Und ein Leuchtturm. Und eine Windmühle.
In H. haben wir dann ein wenig im Netz geforscht und herausgefunden, das die Schleuse sogar drei Tage hintereinander gesperrt sein soll, wegen Austauschs von Schleusentoren. Unerfreulich, das gibt H. wirklich nicht her, Stellendam noch weniger. Der Skipper fühlt sich etwas eingesperrt. Festungshaft.

Festung Hellevoetsluis
Festung Hellevoetsluis

Am späten Nachmittag hatte ich dann eine Route hier raus gefunden, aber mit reichlich Schleusen, Brücken und auch Meilen. Dann an der Funke mitbekommen, das jemand mit der Schleuse eine Durchfahrt abspricht. Da ist also wieder jemand drauf, scheint wieder in Betrieb zu gehen.
Jetzt ist Abend, wir liegen im Außenhafen und wissen nicht wirklich, ob sie morgen wieder gesperrt ist – so steht es in der Veröffentlichung – oder morgen wieder normal arbeitet. Im Vorhafen ist es weder ruhig noch schön, aber dafür liegt auch keine Schleuse vor einem, die gesperrt werden kann.

Delft

Der Nachtrag zu Delft. Zwar, hab’ ich gerade gelesen, das zweitwichtigste Touristenziel in den Niederlanden, und mit über 100000 Einwohnern auch nicht wirklich klein. Macht aber trotzdem einen etwas beschaulichen Eindruck. Und man sieht der Stadt an, das sie alt ist und mal sehr reich war. In keiner anderen Stadt der Niederlande haben wir so großzügig angelegte Plätze und Straßen in der Altstadt gesehen und so viele alte und ungewöhnlich große Kirchen. Die Sitte, seine Prosperität durch auffallende Hochbauten zu demonstrieren, gibt es schon länger.

Reichlich große Kirchenm in Delft
Reichlich große Kirchen in Delft

Heute ist Delft ein Industriestandort, was man als Touri aber nicht merkt. Es hat eine große Technische Hochschule, was man, zumindest im Sommer, im Stadtbild eigentlich auch nicht merkt. Willhelm von Oranien hat hier gelebt und wurde hier auch gestorben, was man kaum merkt. Und für Jan Vermeer gilt das gleiche, weil an jeder dritten Straßenecke ein künstlerisch gestaltetes Objekt steht, das darauf hinweist.
Geplant für heute: Weiter nach Stellendam. Temperatur sehr hoch, Wind sehr schlapp. und nicht zu früh da sein, weil bei Niedrigwasser das Wasser aus dem Haringsvliet abgelassen wird. Was der Tidenstrom nicht hergibt ersetzen hier im Delta die Entwässerungsschleusen. So steht es in der einschlägigen nautischen Literatur. Leider ist das wichtigste Büchlein in niederländisch, was uns das Lesen etwas erschwert.

Seebrücke und fliegende Fußgänger

Broekerhaven – Amsterdam in Rekordzeit. Für ein Segelboot jedenfalls, mit dem Bus geht es wahrscheinlich noch wesentlich schneller. Aber so mit Nordwest 5 vor der Küste des Ijsselmeers mit ablandigem Wind südwärts, das läuft schon recht flott. Natürlich nicht ganz durch, denn das Fahrwasser dreht ja immer mehr nach Westen, und etwa am Stadtrand von Amsterdam ist dann Schluss mit Segeln. Kann man aber verschmerzen, denn dann kommt eine bewegliche Brücke und die Oranje-Schleuse, da ist nix mehr mit Segeln. Danach die letzte Meile bis zum Hafen schafft man dann auch noch unter Motor, stehen sowieso Häuser rum, die den Wind abschatten.
Amsterdam lassen wir mal weg. Wir natürlich nicht, wenn man schon hier ist, muss man auch in die Altstadt. Und sei es nur, um Essen zu gehen und die Verrückten und die anderen Besucher zu sehen. Aber da wir Amsterdam schon früher ausführlich behandelt haben, verzichten wir dieses Mal. Es hat sich an der Altstadt nichts wesentliches verändert. Drum ist sie ja ‘ne Altstadt.

Amsterdam: Oh weh, wo ist mein Fahrrad?
Amsterdam: Oh weh, wo ist mein Fahrrad?

Wenn man etwas bestimmtes sucht, sagen wir mal eine Ergänzung seines Seekartenbestandes oder Saxofonblätter, ist man übrigens in der Amsterdamer Altstadt meist schlecht beraten. Da gibt es nur bestimmte Produktgruppen: Anziehen, Essen, Kosmetik, Schuhe, Andenken, Sex. Vielleicht ab und an noch CDs, Platten und Bücher. Alles andere scheint in die Außenbereiche verbannt. Museen aller Kategorien, vom Rijksmuseum bis zum Sex- (beim letzten Besuch entdeckt) und Foltermuseum (bei diesem Besuch entdeckt). Und der Bahnhof ist jetzt wirklich vorläufig fertig. Auch bei diesem Besuch entdeckt.
Nächster Morgen, Abfahrt Amsterdam über Nordzeekanaal Richtung Ijmuiden, um von dort weiter nach Scheveningen zu segeln. Im Sixhaven wollten wir noch den Tank leeren, ihr wisst schon welchen. Ging aber nicht, weil der Gummikonus am Saugschlauch fehlte. Haben wir dann auf Marina Ijmuiden verschoben. Da wollten wir ohnehin rein, weil’s da ‘ne Tanke gibt. Diesel gab’s, Pumpe hat nicht funktioniert, weil offenbar der Schlauch irgendwo ein Leck hat. Luft lässt sich halt leichter ansaugen als Schwarzwasser.
Mit der Tidenvorhersage hat es nicht ganz so grandios geklappt. Festzustellen, wann Hoch- und Niedrigwasser sein sollen ist leicht und auch recht genau. Das mit dem Strom klappt leider nicht so gut, weil der Maßstab der Tidenkarten doch sehr papiersparend ist und man sich schon mal um ‘ne Stund verhauen kann, einfach wegen des Maßstabs. Ist ja leider nicht so wie am Ende der Deutschen Bucht, wo die Aussage einfach ist: Wenn das Wasser steigt geht der Strom nach Osten und wenn es fällt nach Westen. Was übrigens in der Elbmündung auch schon nicht stimmt.
Also Ijmuiden – Scheveningen unter Segeln. Von der Südmole Ijmuiden bis kurz vor die Einfahrt nach Scheveningen gibt es nichts, dem man ausweichen muss. Außer anderen Wasserfahrzeugen natürlich.
Scheveningen ist eines der großen Seebäder an der Nordholländischen Küste. Die besteht eigentlich nur aus einem riesig langen Strand von Den Helder bis Hook van Holland, nur unterbrochen durch die Einfahrten von Ijmuiden und Scheveningen.
In Scheveningen war Fete, der Hafen proppevoll und die Musik brüllend laut. Dem Berichtenden ist es, obwohl alle Gastlieger sich in 3-er Päckchen arrangiert hatten, gelungen, seine Luxusyacht direkt am Steg anzubinden. Liegt daran, dass, zumindest nach der Zeitschrift ¨Die Yacht¨, 10m-Boote der Einstieg ins Yachtsegeln sind. Plätze, in die die nicht reinpassen, werden offenbar vom Yachtie von heute als Verschnitt angesehen. Wir passen da aber noch rein. Schööön!
Lückenfüller
Lückenfüller

Erkundung von Sch. zu Fuß. Viel Strand, viel wasserferne Bespaßung. Nicht so Jahmarktmäßig wie an der Gegenküste, aber für die, die die Ostfriesen als maßstab nehmen, doch ein wenig exotisch. Großzügig gestaltete Promenade, aber wenig Menschen im Wasser. Allerlei Kunstwerke auf der Promenade, darunter einiges was uns sehr erfreut hat.
Kunst am Strand
Kunst am Strand

Und eine Seebrücke. Das waren ja ursprünglich mal Anleger für die Bäderdampfer, die dann dem Ausbau des Eisenbahnnetzes zum Opfer gefallen sind. Dann hat man eine neue Nutzung gesucht und gefunden. Heute neu erbaute sind reine Bespaßungszentren, die ursprüngliche Nutzung ist gar nicht mehr möglich. Die von Scheveningen steigt Richtung Wasser immer mehr an, da könnten nur noch Luftschiffe anlegen. Wenn da nicht sowieso soviel Gedöns drauf stünde.
Auf dem Weg über die Seebrücke begegnen einem immer wieder tieffliegende Fußgänger. Man kennt ja von heimischen Spielplätzen die Seilbahnen, die an einem hohen Dreibein o.ä. anfangen und an einem niedrigeren enden. Hier beginnen sie eine einem funkturmähnlichen Gebäude und enden am landseitigen Ende der Seebrücke. (Bild fliegende Menschen).
Scheveningen (S-cheveninge) hat noch so’n Vorort, der heißt Den Haag und ist zufällig der Regierungsitz und manchmal auch der Wohnsitz der Familie Oranje-Nassau. Den haben wir uns am Tag darauf angesehen. War vielleicht nicht so wahnsinnig weise, bei 28°C mit dem Fahrrad in die Großstadt, aber nun ja. Den Haag ist zwar die drittgrößte Stadt der Niederlande, aber gar keine Stadt. Hat nämlich nie in seiner Geschichte Stadtrechte bekommen, und heute interessiert es keine Sau mehr. Heißt auch nicht richtig Den Haag, weil, die Anwohner haben als Wohnort im Ausweis ¨’s Gravenhagen¨ stehen, auf der Bahnfahrkarte allerdings ¨Den Haag¨. Wenn man in Den Haag was zu tun hat ist man nicht in Den Haag, sondern im Haag. Offiziell hat man sich aus Gründen der internationalen Verständlichkeit auf ¨Den Haag¨ geeinigt, ¨’s Gravenhagen¨ soll aber vornehmer klingen. Wobei sich mir als nicht-Niederländer die Vornehmheit allerdings nicht erschließt.
Die spinnen, die Holländer.
Den Haag, Rittersaal
Den Haag, Rittersaal

Auch wenn man sich nicht auf den richtigen Namen einigen kann, es ist jedenfalls schon Jahrhunderte lang Regierungssitz und Sitz des Parlaments.
Abgeordneter nach unerwünschtem Abstimmungsergebnis
Abgeordneter nach unerwünschtem Abstimmungsergebnis

Hat auch den durchreisenden Touristen viel Interessantes zu bieten und ist nicht ganz so überfüllt und hektisch wie Amsterdam.
WIr haben uns durch die Nachmittagshitze wieder in den Hafen von Den Haag gestrampelt – Scheveningen. Ich glaube, so rum ist doch richtiger.
Unseren Plan, auch noch Delft zu besuchen, haben wir etwas abgeändert und sind mit der Den Haager (oder Haager?) Straßenbahn dorthin gefahren. Die geht durch, von Scheveningen bis Delft. Aber das kriegen wir später.

Hamsterrad

Broekerhaven. Kennt nicht jeder. Wir bis heute auch nicht. Aber jetzt. Und das kam so: Wetterberich Ost 2-3, süddrehend 4-5, später West drehend. Also bei Ostwind, recht wenig davon, aus Lemmer raus Richtung Enkhuizen. Um 13:00 wollte Sabine mit einer Ehrenamts-Kollegin telefonieren um irgendetwas buchhalterisches zu klären, online. Also um 13:00 da sein, wo man Handy-Empfang hat, z.B. Enkhuizen. Soweit so gut, die Kollegin hatte schon vorher angefangen und ist mit ihrer Aufgabe wohl nicht zurecht gekommen, was zu diversen SMS-en und Telefongesprächen geführt hat. Zu schlechter Stimmung an Bord, weil wir nun nicht an einem ruhigen Platz lagen um 13:00, sondern gerade im Navidukt, jenem Wasserbau-Wunderwerk , das oberirdisch Schleuse, unterirdisch Schnellstraße und im Nebenamt noch Teil des Dammes zwischen Ijssel- und Markermeer ist. Nach der Schleusung Sabine wieder unter Deck und weitertelefoniert. Aus Schleuse raus, Wind inzwischen Süd 5, Sabine (an Deck): Zuviel Wind, ich: Schöner Wind, hab schon gerefft (stimmt nicht, habe das Reffen nur vorbereitet, das Segel liegt ja noch auf dem Baum, Zeisinge sind aber schon raus), Sabine: ich will nicht bei dem Wind. C.: Na gut, was willst du. S.:Fahren wir in den Hafen da. C.: (Unwillig) Na gut. Martha und C.: (Kursänderung. Wind kommt von der Seite, Segel liegt nicht mehr auf dem Baum) (M.,S. und C. in den kleinen Hafen.) (M.,S. und C. liefern Hafenkino) Weil nämlich der Hafen eng ist, die Boxen auch, und offensichtlich aus Platzgründen auch schräg stehen, wodurch sich natürlich der nutzbare Raum zwischen den Heckpfählen verringert.
Fest.
So haben wir Broekerhaven kennengelernt.
Wenige, aber freundliche Vereinsmitglieder. Durch die Enge ist man relativ sicher vor Chartercrews. Und nachdem wir herausgefunden haben, wie man, wenn man das Gelände verlassen hat, auch wieder herein kommt, haben wir auch den Ort Broekerhaven besucht. Dort gibt es ein bemerkenswertes Bauwerk, wie man dergleichen vermutlich nur in den Niederlanden findet. Und dort auch nur einmal, zumindest nur einmal in der elektrischen Ausführung. Das Ding heisst Overhaal und dient dazu, Wasserfahrzeuge von einem Gewässer in ein anderes zu bringen, wobei die beiden auf unterschiedlichen Höhen liegen. Hier beträgt der Unterschied etwa 2.5m Meter. Normalerweise baut man dazu eine Schleuse.

Overhaal in Broekerhaven
Overhaal in Broekerhaven

Hier hat man im späten Mittelalter eine Art Kran gebaut, mit dem kleine Frachtkähne aus dem einen Gewässer gehoben und im anderen wieder abgesetzt wurden. Angetrieben durch zwei Menschen in so einer Art Hamsterrad. Für jeden eines. Und Ende des 19. Jahrhunderts hat man das Ganze mit elektrischem Antrieb nochmal gebaut. Ob der Platz oder das Geld für eine Schleuse nicht gereicht hat oder man das mühsam hochgepumpte Wasser nicht wieder mit einer Schleuse zurück laufen lassen wollte, ist uns nicht klar geworden. Jedenfalls gehört das Ding jetzt zu den technischen Denkmälern der Niederlande.

Overhaal Broekerhaven
Overhaal Broekerhaven

Und das hätten wir ohne den Hickhack am Mittag nie erfahren.

Ein Boot, zwei Tage, drei Städte

Eine Bauernnacht, siehe Bild oben. Nachdem uns der Wind von der Nordsee ins friesische Binnenland vertrieben hat, hat er sich jetzt wieder beruhigt. Also viel Motoren. Viel Segeln wäre aber sowieso nicht drin gewesen, weil man in den Kanälen wegen der Brücken und der vielen Abdeckung nur schlecht segeln kann, vor allem nicht gegen die Windrichtung. Und es teils auch gar nicht darf. Und die Seen sind zwar schön, aber doch so klein, dass man, wenn man alles oben und richtig getrimmt hat, man schon am anderen Ende angekommen ist. Also Motorboot fahren.
Leeuwarden haben wir zügig durchquert. Wirklich zügig, denn um diese Jahreszeit sind die Wartezeiten vor den Brücken noch kurz. Natürlich lohnt Leeuwarden einen Aufenthalt, aber das haben wir vor zwei und vier Jahren schon getan. Neu in L.: Es gibt jetzt, wen man die Innenstadt Richtung Harlingen/Sneek verlässt, einen Einkaufsbereich 76mit z.B. Feinkost-Albrecht und ähnlichen einschlägigen Versorgungseinrichtungen direkt am Kanal. Und einen Anleger davor. Bei bootfahrenden Volke der Niederländer eine nahliegende Geschäftsidee und für uns sehr praktisch. Nicht so praktisch: Wir sind praktisch die ganze Strecke bis Sneek unter Motor gefahren, obwohl sogar Wind war. Wegen der Enge des Kanals nur mit der Genua, die kriegt an schneller weg wenn es nötig wird. Aber sobald das Segel stand, kam entweder eine Kurve direkt in die Windrichtung, oder eine Kurve mit Brücke direkt dahinter, oder sonst ein Hindernis. Wir haben es aufgegeben und Diesel verfeuert.
Sneek, oder Snits, die Stadt im Herzen der Friesischen Seen. Wichtiger Sitz dessen, was vom niederländischen Yachtbau noch übrig geblieben ist. Und mit sehenswerter Altstadt. Sneek war wohl in seiner Glanzzeit recht reich und als einzige friesische Stadt auch ummauert. Wobei, sagt uns der Fremdenverkehrsprospekt, die Mauer und die zahlreichen Tore gar keinen militärischen Zweck hatten. Sie dienten nur der Disziplinierung der Einwohner – um 8 geht das Tor zu – und der Darstellung nach aussen. Von der Mauzer ist nicht erhalten, von den zahlreichen Stadttoren nur eines, eines der ursprünglich 2 Wassertore.

Wassertor Sneek
Wassertor Sneek

Wehrhaft sieht es nicht aus. Was noch? Ein großes Textil-Handelsunternehmen, im Deutschland mitunter als Clotten-August bezeichnet, wurde hier gegründet. Ein bekannter niederländischer Kräuterschnaps, Beerenburg (sprich -bürch) wurde hier erfunden und verkauft. Wir haben ein Fläschchen in dem noch existierenden Laden erstanden. Oben, unter dem Dachboden gibt es ein kleines Museum – oder ist das eine Werbeabteilung. Man darf, theoretisch, alle Produkte probieren. Praktisch geht das selbst dann nicht, wenn man spät damit anfängt. Man würde den Laden wohl nicht mehr aufrechten Ganges verlassen können. Wir waren kurz nach Ladenöffnung dort, weil wir ja noch weiter wollten. So haben wir denn auf die Probierstunde verzichten müssen, Fahnen gehören an den Mast oder ans Heck und nicht ins Gesicht der Besatzung.
Vom unseeligen Wirken unserer Vorfahren in Sneek sagt der Fremdenverkehrsprospekt nichts. Das kann man aber in Wikipedia nachlesen.
Weiter unter Motor auf den Kanälen bis Lemmer.
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Wichtiges Zentrum der Ijsselmeer-Tourismusindustrie und Heimathafen viele Charterboote. Leider einige dabei, bei denen es mir schon unangenehm ist, das die Besatzung meine Sprache spricht. Ich kann es nicht ändern, aber es war gerade mal wieder so. Im Moment würde ich mir sehr wünschen, dass die niederländische Polizei mehr Alkoholkontrollen macht. Besonders bei deutschen Charterern großer Motorboote.