Das Restaurang am Ende des Universum


Es war so ziemlich alles am Ende, nach mehreren Tagen und Nächten in kleinen Häfen oder vor Anker. Auf Hasselö und Harstena gab es zwar je eine “Handelsbod”, aber das Angebot dort war doch eher kioskhaft und spärlich. Also gingen die Vorräte zu Ende, das Trinkwasser wurde knapp und die Dusche rief. Wir haben uns einen Ort rausgesucht, der diesen Kriterien entsprechen sollte: Günstige Entfernung für segelnde Spätaufsteher, Einkaufsmöglichkeiten, Anlegeplätze in günstiger Entfernung zu letzeren. Die Lösung hieß Oxelösund
Unser Handbuch berichtet nur die nötigsten Fakten zu den drei Sportboothäfen, nichts über den Ort selbst. Und das zu Recht.

Der Name hätte uns stutzen lassen sollen. Aus segeltouristische Sicht bietet Oxelösund genau das und nicht mehr: Liegeplätze und Einkaufsmöglichkeiten. Aus ökonomischer Sicht auch einen Industriehafen, ein Chemiewerk und ein Stahlwerk. Einen Ortskern mit dem Charme der Wiederaufbau-Architektur der 50 Jahre. Obwohl die Schweden da ja eigentlich nichts wieder aufzubauen hatten. Der größte Teil des alten Ortes lag wohl da, wo jetzt die Chemiefabrik steht. Erinnert etwas an unseren Heimathafen. Da gibt es auch ein Stahlwerk, das da steht, wo vorher ein Ort war.


Im neuen Ortskern von Oxelösund, wenn man denn diese architektonische Einöde so nennen will, sprachen mich unabhängig voneinander zwei Wahlkampfhelfer an. Ich konnte ihnen klar machen, dass ich 1) in Schweden kein Wahlrecht habe und 2) ihre Partei auch bei uns nicht wähle. Daraufhin konnte man sich wichtigeren Themen zuwenden. Der eine sprach Deutsch und kannte Bremen, oder zumindest kannte er die Stadtmusikanten. Die andere war, gleich mir, der Meinung, dass man Okelösund nicht unbedingt kennen müsse und doch lieber nach Nyköping weiter fahren solle.
Das mit Nyköping trifft sicher zu, ist aber mit 12 Meilen rein und 12 Meilen raus für Segler schon ein Abstecher, den man nicht mal so eben einschiebt. Vielleicht auf dem Rückweg.

Nach einer Nacht mit Blick auf Chemiewerk und ein- und auslaufenden Schiffen und dem Aroma von heißem Asphalt – das war wohl das Chemiewerk – haben wir uns dann (vorläufig) von den Anouks verabschiedet. Die wollten nach Nynäshamn, wir nach Ankarudden. Das sind ein paar Meilen weniger, wir sind nicht so schnell.
Kann kein Schwedisch, aber Udde ist wohl sowas wie Spitze, weil alle möglichen Landspitzen xx-udde heißen, und Ankar ist halt phonetische Schreibung. Wir sprechen es ja eigentlich auch so aus.

Vollständig heißt es Ankarudden Fiske Hamn, und genau das ist es: Ein Fischereihafen auf Torö, besser auf einem Torö. Die Schweden haben so viele Inseln, dass der eine oder andere Name schon mal wiederverwendet werden muss. Torö und Torrö sind uns schon mehrfach begegnet.   

Die Plätze für Sportboote im Ankarudden Fisk Hamn sind recht begrenzt und waren, als wir ankamen, auch noch schlecht genutzt. (Anders ausgedrückt: Manche Boote blöd angebunden, so das sie 2 Plätze belegten.) Bei einem Steg mit freien Plätzen war uns nicht klar, ob er privat war oder nicht. Angelegt, gefragt: War ein Restaurant (oder eben Restaurang) und wir durften bleiben. Haben direkt auf dem Steg gespeist: Es war ein gutes Restauran(t/g).

Ankarudden, im Nebel Landsort

Ach ja, Torö: Das war das Torö, dessen Verlängerung dann Landsort wäre. Und Landsort gibt es wohl nur einmal.

Völlig überlaufen ?

Man hatte uns gewarnt: Harstena sei ein beliebtes Ausflugsziel und man müsse sich auf viel Trubel im Hafen und im Ort einstellen. Zumindest in der Saison.
Harstena ist die Hauptinsel einer Gruppe von Schären und Inseln. In Ost-West-Richtung dicht am äußeren Rand des Schärengürtels, in Nord-Süd-Richtung etwa da, wo es zum Göta-Kanal links ab geht.

Der Hafen ist Teil eines Sundes, der die Hauptinsel von ihrer unbewohnten Nachbarinsel trennt. Und der Trubel hält sich, zumindest zur Zeit noch, für mitteleuropäischen Geschmack, in überschaubaren Grenzen. Allerdings hat hier die Ferienzeit noch nicht angefangen, das geht erst übermorgen los.

Harstena hatte zu seiner “Blütezeit” etwa 70 Einwohner, die sich durch Robbenschlagen, Seevögel umbringen und Vogeleier einsammeln ernährten. Alles Dinge, die heute verboten sind und zudem auch nichts einbringen würden.
Heute liegt die Zahl ständiger Einwohner bei etwa 12. Allerdings gibt es etliche Sommerhäuser, die aber nur bei genauem Hinsehen als solche zu erkennen sind. Der Ort hat sein Aussehen seit dem vorvorigen Jahrhundert nicht wesentlich geändert. (Ich hörte hierzu “Wie Bullerbü”.) Und das ist wohl, neben der großartigen Landschaft, ein Grund für die vielen Touristen, die hierher kommen.

Die beiden Kreuzfahrtschiffe


Touristen sind natürlich die anderen, nicht wir!

Man merkt aber schon, wenn die beiden Kreuzfahrtschiffe wieder abgelegt haben. Dann kehrt mehr Ruhe ein. Und das Inselmuseum schließt pünktlich zur Abfahrt. Was wir nicht wussten und somit die Trankocherei nicht besichtigen konnten. Die steht nämlich am äußersten Ende des Ortes, verständlicherweise. Stinkt aber nicht mehr, kein Mensch braucht heute noch Robbentran.

Schären schleichen

Wir schleichen uns durch die Schären. Die Beiträge werden ein bisschen seltener, weil vor schauen, planen und Landschaftserlebnis das Schreiben etwas zurück treten muss.
Immer noch zusammen mit der Anouk. Wobei “zusammen” nicht für die Zeiten gilt, in denen wir wirklich segeln. Da sehen wir uns nur von ferne oder gar nicht. Anouk ist deutlich länger und schneller. Wir sprechen die Ziele ab und treffen uns wieder  – oder auch nicht.

Nicht kam so: Wir haben das Ziel abgesprochen, Ralf hat mir den Zielhafen in seinem schlauen Buch gezeigt. Ich hab es mir in meinem schlauen Buch angeschaut, bin zu mir an Bord gegangen und habe eine Route zu den Koordinaten  vorbereitet, die in meinem Buch gedruckt standen. Das Ziel war ein Steg vor einem Strand.

Das verhängnisvolle Buch



Als wir schon nah am Ziel waren, sahen wir aber zwar Steg und Strand, aber keine Anouk. Dafür relativ freier Blick auf den Hafen von Vestervik.

Wir haben uns gewundert, geärgert, telefoniert, sind wieder ein Stück unter Motor zurück und dann nochmal ein ca. 8  Meilen gesegelt zum richtigen Hasselö. Eine Insel mit 30 Einwohnern, die wohl alle vom Tourismus leben. Leider wenig davon gesehen, weil wir durch unser Missgeschick so spät angekommen sind.

Da wollten wie eigentlich nicht hin!

Heute sind wir auf Bokö, einer kleinen Insel mit ca. 12 Einwohnern, aber ein paar mehr Häusern, einschließlich einer Informationsbude in der Nähe des Steges. Da kann man u.A. auch lesen, dass so um 1840 “die Einwohner freundlich miteinander umgingen und das Personal das tat, was es sollte”.  Heute sind es zwar weniger Einwohner, aber ansonsten soll das Gesagte immer noch zutreffen.

DIe Bucht ist gut geschützt, am Steg liegen einige Boote mit Heckanker und eins katholisch, weil der berichtende Skipper keine Lust hatte, seinen zweiten Anker zusammen zu bauen und die lange Leine unten aus der Backskiste zu wühlen und das Wasser nach Aussage eines freundlichen Ortskundigen am Steg 4 Meter tief ist.

Charlotte (6) von der Anouk hat bei der Buchtbereisung im Schlauchboot eine “echt coole, krasse Klippe” bestiegen, von der man einen schönen Blick auf die Boote am Steg hat.

Ohne die drei Anouks wären wir jetzt nicht hier.

Mittsommer

Das oben ist der Sonnenaufgang, morgens um 4:00.

Figeholm hat einen wunderschönen Gästehafen – eigentich drei kleine, alle in Sichtweite voneinander, ~600 Einwohner und ein gut im Wald verstecktes Kernkraftwerk.

Heute wird hier Mittsommer gefeiert. Immer am Freitag nach Sommeranfang.

Die Feier, jedenfalls der öffentliche Teil beim Bootclub, war ein bisschen wie der schwedische Sommer selbst: Sehr schön und recht kurz. Außerdemwar sie gut vorbereitet,schon gestern waren Tische, Stühle und all das Material vorbereitet, dass man so braucht für die Fete.

Aus dem vorbereiteten Material entsteht dann “life” vor den Augen der Figeholmer und der reichlich anwesenden Yachties etwas, was einem Maibaum bei uns nicht unähnlich ist.

Wie das Ding heißt, was die Kränze daran bedeuten – wir wissen es nicht. Um diesen Baum herum wird dann getanzt, die größe der Begleitkapelle entspricht der Größe des Ortes. Leider verstehen wir die Texte nicht. Und alle die Lieder haben wir schon gehört, offenbar wir da das gleiche an der Ost- wie an der Westküste gesungen und gespielt. Jedenfalls klang das in Varberg genauso. Nur lauter.

Des Königs neuer Hafen

Karl hatte schon einen, Friedrich auch. Wilhelm bekam ihn erst später, Oskar bekam ihn 1856: einen Hafen, der seinen Namen trug. Bei Oskar I war es so, das der Ort schon da war, ~2200 Einwohner hatte und von Flecken zur Stadt befördert wurde – und bei der Gelegenheit wurde aus Döderhultsvik eben Oskarshamn. Etwas von seinem Marktfleckencharakter hat sich Oskarshamn auch bis heute erhalten. Auch wenn von hier die Fähren nach Gotland fahren und deren Ausmaße schon recht beträchtlich sind. (“Immer ein bisschen wie Venedig” Aussage eines Oskarshamner Hafenmeisters).

Außerdem steht hier ein großes schwedische Automobilwerk. (Volvo ist in Göteborg, Saab gibt’s nicht mehr, was bleibt da noch? Die großen Autos!)

Der Yachthafen von Oskarshamn – nicht der Stadthafen, der andere – ist eine eigenwillige Mischung: Eine große Wasserfläche, von der aber nur ein Teil befahrbar ist. Man hat einige Schären mit einem Damm verbunden, im Hafen gibt es diverse Untiefen und daher auch etliche Tonnen. Nach vorn hat man einen Blick auf Teile des Industriegebiets, nach hinten auf eine malerische Schärenlandschaft. Platz für Gäste gibt es genug.

Stadthafen

Einen Hafenmeister gab’s zunächst nicht. Mit dem Bezahlen ist das hierzulande für Ausländer manchmal etwas schwierig, weil die Schweden oft und gerne mit einer Bankapp bezahlen, die aber nur mit schwedischen Bankkonten funktioniert. Sabine hat dann jemanden gefragt, und siehe, dass war der Hafenmeister. Der hatte uns schlicht nicht gesehen.


Dafür hat er Sabine aber zu dem Thema “Wohin sollte man zur Mittsommerfeier fahren?” eine Liste mit drei Orten gegeben. 1. Figeholm, 2.Krakelund, 3. Idö. Wir sind seinem Rate gefolgt, und das war gut so.
Wir haben uns entschieden, am nächsten Tag nach Figeholm zu fahren und Oskarshamn von dort aus mit dem Fahrrad zu besuchen. Das war nicht so gut so. Es gibt einen sehr schönen Radweg von Figeholm nach Oskarshamn. Wirklich, landschaftlich toll. Aber leider ~20 km Schotter und ständig rauf und runter. Das hat die mittelsportlichen älteren Herrschaften etwas gefordert.

Auf dem Rückweg wollten wir schlauer sein und sind der Wegempfehlung von Google gefolgt. Das war gar nicht schlau. Google Maps wollte uns auf die E22 locken. Voll des Vertrauens haben wir angenommen, dass es dann da ja wohl einen Radweg geben müsse. Diese Annahme war leider irrig. Nun ist es zwar legal, mit dem Velo hierselbst eine solche Straße (so zwischen gut ausgebauter Bundesstraße und Autobahn) zu benutzen. Aber Spaß macht das nicht. Immerhin es wird angezeigt, wo der Radweg von der Autobahn abzweigt – manchmal.

Nicht schön

Wieder in Figeholm waren wir jedenfalls etwas geschafft. Und die “Anouks” waren da. Was aber kein reiner Zufall war.