Kinderheime und Kasernen

… oder ¨Die dunklen Seiten der Sonneninsel¨.

Die helle Seite

Jeder sieht Meer, Strand, Dünen. Badeort. Viel grüne Wiesen, glückliche Pferde. Ein Inselwäldchen. Die immer schön gepflegte Inselbahn. Vielleicht auch noch Lilli Marlen vor der Kaserne, deren Sängerin ja auch eine Beziehung zu Langeoog hatte. Und ein Haus hier. Und natürlich auch gar nicht Lale Andersen hieß, sondern Liese-Lotte Brunnenberg. Klingt aber nicht so gut, vor allem nicht so nordisch.

Inselbahn und glückliche Pferde

Viel Strand, denn Langeoog ist eine der wenigen Inseln, deren Westseite nicht mit Beton und Basalt gegen die Erosion geschützt werden muss. Statt dessen gibt es dort einen schönen, unverbauten Strand. Vermutlich, weil Baltrum so klein ist, dass von da mit der Ebbe wenig Wasser kommt und der Strom schön weit von der Langeooger Seite weg bleibt.

Meinungsverstärker für Jungpiraten

Ist ja auch alles in Ordnung, und wir gönnen es den Langeoogern und ihren Gästen.

Die dunkle Seite

Die dunklen Seiten sieht man erst auf den zweiten Blick. Warum nur haben die Langerooger einen solch riesigen Hafen mit völlig überdimensionierten Molen, von dem dann nur ein kleiner Teil tief gehalten wird und der Rest zu einer Schlickwüste geworden ist? Ein Schlick, der im Bereich des Yachthafens übrigens so dünn und weich ist, dass die Boote fast genauso tief im Schlick schwimmen wie bei Hochwasser im Wasser. Nur fahren kann man darin wohl nicht. Durch die Klopumpe ginge er ja vielleicht noch, durch die Kühlwasserpumpe vermutlich nicht. Wir haben beides lieber nicht probiert.

Der riesige Hafen, von dem nur ein kleiner Teil nutzbar ist

Das ist ein Erbe der dunklen Zeiten. Der Hafen diente der Versorgung des Luftwaffenstützpunkts Langeoog. Ob er je in seiner vollen Größe genutzt wurde, entzieht sich der Kenntnis des Chronisten. Aber Gigantomanie war damals ja auch Stil der Zeit. Heute haben Segler immerhin direkt jenseits der Molen sofort viel tiefes Wasser.

Vom Fliegerhorst oder wie das hieß ist auch noch einiges zu sehen. Nach dem Krieg wollten die Briten sowas hier verständlicherweise nicht mehr sehen. Ein Altlangeooger hat uns mal erzählt, dass alle Langeooger ran mussten und auf dem Flugfeld Bäume pflanzen. Heute wird das Ergebnis etwas schamhaft ¨Inselwäldchen¨ genannt und enthält, geschätzt, immer noch genug Beton für eine mittlere Kleinstadt. In die betonierte Ringstraße, die zu der Anlage gehörte, hat man schön abwechselnd rechts und links Löcher gesprengt, um sie unbrauchbar zu machen. Hat seinen Zweck erfüllt, heute wird ein Teil als Fahradstrecke genutzt, immer schön im Slalom um die mittlerweile entstandene Vegetation herum. Mit ein paar Bänken und Wartehäuschen aufgepeppt fällt die finstere Vergangenheit auch nicht mehr so auf.

Durch bepflanzen entwidmete Rollbahn

Segeln mit der Seuche

Lokalkolorit

Diese Jahr alles anders. Sonst bemühen wir uns, Mitte Mai aufzubrechen. Ohne Seuche. Dieses Jahr war es Mitte Juli. Einerseits wegen der Seuche, andererseits war der Skipper temporär gesundheitlich auch nicht so ganz beieinander. Jetzt ist er wieder beieinander. Die Seuche bleibt, und keiner weiß wie lang noch. Das schränkt die Auswahl an Zielen und Fahrtgebieten etwas ein – England geht gar nicht, Schweden ist grenzwertig.
Zudemhaben wir aus guten Gründen hin und wieder die Enkelinder (6 und 3) an Bord. Was bei der Zielwahl weitere Schwerpunkte setzt. Jüngstmatrosen sind erfahrungsgemäß für lange Törns sehr wenig, für Sandstrände leicht und für flache Schlammlöcher mit größter Begeisterung zu haben.

So haben wir Orte im näheren Umfeld besucht, in denen wir schon jahrelang nicht waren, oder auch überhaupt noch nicht:
Bremen-Bremerhaven, Kinder kommen an Bord.
Bremerhaven – Sandstedt. In Sandstedt gibts einen großen Spielplatz, einen Sandstrand und einen Kinderstrand. Letzterer liegt direkt am Bootshafen (gut), besteht oben aus Sand (gut), es geht flach ins Wasser (auch gut) und besteht weiter unten aus sehr feinkörnigem Sediment mit hohem Anteil an Biomasse (vulgo Schlick, Matsch, Gatsche, Pampe. Bewertung je nach Altersgruppe stark unterschiedlich).
Sandstedt-Bremerhaven mit Kindern, so der Plan. Sandstedt – Großensiel, so die Realität. Was nicht an den Kindern, sondern an einer Änderung der Windrichtung lag. Warum auch nicht, man kann ja mal seine engere Heimat besichtigen. zumal wir wirklich schon länger nicht hier waren.

Massentierhaltung

Mittagshochwasser. Da kommt man von Großensiel nicht so richtig gut weg. Nach Helgoland ok, aber da wollen wir nicht hin. Weser raus und bei den Inseln durch´s Seegat wieder rein geht nicht, weil´s dann schon dunkel wird, was auf dem Watt nicht so schön ist – man sieht die meist unbeleuchteten Seezeichen nicht mehr. Und über den Hohen Weg, das Flach zwischen Weser und Jade geht auch nicht, weil´s dann da für uns zu seicht ist – es sei denn, man/frau/schiff fährt stundenlang unter Motor gegen den Tidenstrom. Was wenig Freude macht und viel CO2 in die Atmosphäre bläst. Also Zwischenstop in Bhv.
Hier zeigt sich das ganze Ausmaß der modernen Massentierhaltung.

Iona: Massentierhaltung britisch

Pikanterweise heißt dieser Massentierhaltungskäfig ¨Iona¨. Was, wie man weiß, oder, wenn man es nicht weiß, in einer meiner früheren Berichte auch nachlesen kann, eine Hebrideninsel ist. Die als besonders ¨heilig¨ angesehen wird und auf der eine beträchtliche Anzahl schottischer und eine etwas geringere Anzahl norwegischer Könige begraben liegt. Eine nicht so beträchtliche Anzahl lebender Bewohner gibt´s dort auch. Nach gewöhnlich gut informierten Quellen so etwa 125. Was bei knapp 9 Km³ genügend Raum gibt, den in Zeiten der Seuche gebotenen Anstand zu wahren.
Auf der schwimmenden ¨Iona¨ teilen sich 1762 Besatzungsmitglieder und bis zu 5206 zahlende Passagiere 345x42m in mehreren Ebenen. Die teilen sie sich allerdings noch mit diversen Maschinen- und Bespaßungsanlagen. Muss das schön sein.

Massentierhaltung international

Gibt natürlich nicht nur britische schwimmende Massentierhaltungsanlagen. Und sie schwimmen zur Zeit überall küstennah herum. An der Bremerhavener Stromkaje großen, in den Häfen die kleineren, auf Wanderooge Reede die, deren Größe man schlecht schätzen kann. Wer´s braucht…
Sollte ich je überlegt haben, bei sowas mitzumachen, jetzt nicht mehr…

Regionalverkehr

So ein Boot ist ja alles mögliche gleichzeitig: Fahrzeug, Wohnort, Spielzeug (Segeln macht Spass!), Überlebensgerät (ohne Boot/Schiff lebt es sich auf See meist nicht sehr lang. Und wenn etwas länger, dann nicht sehr schön) und, neue Erkenntnis, hochwertige Quarantänestation. Selten ist man so weit von anderen Keim-schleudern entfernt wie dann, wenn man unterwegs ist. Im Hafen gewährt zumindest der Abstand der Liegeplätze einen gewissen Schutz.
Also raus, nach Westen.
In der Wesermündung begegnet uns eine neue Sorte Kardinaltonnen. Für Nichtsegler: Kardinaltonnen haben nichts mit kirchlichen hohen, wahlberechtigen Funktionsträgern zu tun, sie kennzeichnen ein Hindernis für die Schifffahrt durch Angabe der Richtung, in der dieses liegt. Man nennt sie auch einfach Kardinale, was wiederum auch nichts mit der Schauspielerei zu tun hat.

Nordost-Kardinale

Bislang kannten wir die Geschmacksrichtungen nördlich, südlich, östlich, westlich und unten drunter. Anscheinend hat die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung jetzt auch nordöstlich und südöstlich eingeführt. Oder man hat sie beim Aussetzen verdengelt. Ein und wohlbekannter Mitarbeiter der WSV hat uns aber versichert, dass die sowas, also das Verdengeln, nicht machen.

Jetzt also von Bhv nach Fedderwardersiel. Ein Hafen, in den ich Sabine bislang nur mit großem Aufwand an Überzeugungsarbeit dirigieren konnte. Da liegt man ja schief (stimmt manchmal) oder fällt um (stimmt meiner Meinung nach nicht).

Die Überzeugungsarbeit hat diese Mal die Kombination aus Tide, Tageslicht und Wetter übernommen.
Weiter über Horumersiel/Wangersiel/Wangerland (das ist alles der gleich Ort, sowas können nicht nur Briten, gibt´s auch hier), Wangerooge nach Langeoog.

Wangerooge: Hinter der Tonne kommt gleich die Sandbank!

Die erste Etappe überwiegend unter Segeln, die zweite leider überwiegend unter Motor. Was nicht so schön ist, aber bei Westwind im Watt leider schwer zu vermeiden. Da freut man sich immer, wenn das Fahrwasser mal in eine Richtung geht, in die man auch segeln kann. Das ist nicht nur wesentlich leiser, sondern manchmal sogar schneller.

Diesmal ziemlich viele Tage auf einmal. Gelobe Besserung. Zumindest, wenn keine Kinder an Bord sind!

 

Rücksturz Phase 2

Die Frösche vom DWD waren die besseren, leider. Wenige Meilen westwärts des Scharhörnriffs wurde der Wind immer weniger. WIr haben Wangerooge trotzdem angelaufen, aber leider nicht ohne Rückgriff auf fossile Brennstoffe. Solang dümpeln bis wieder Wind kommt geht in der Nordsee ja schlecht, vor Elbe, Weser und Nordergründen gar nicht. Sonst ist man schnell da, wo man nicht hin will oder darf.
Zu unserem freudigen Erstaunen lag die Ansteuerungstonne für die Harle wirklich (wieder?) da, wo sie auf der Seekarte eingezeichnet ist. Was ja bei den Seegatten durchaus nicht selbstverständlich ist.
Das Nordsee-Gefühl stellt sich wieder ein: Planen mit der Tide und den Wattenhochs, aufstehen dann, wenn die Natur das will. Und tiefenentspannte Wartephasen, wenn sowieso kein Wasser da ist. Ständige Veränderungen. Das Fahrwasser am Minsener Oog hat sich in den letzten Jahren immer dichter an die Insel verlagert. Jetzt ist es so dicht am Südstrand, dass man den Seehunden fast über die Flossen fahren würde, wenn dort welche lägen. Tun sie aber nicht. Vermutlich ist ihnen der Priel zu schmal.

Ganz dicht am Minsener Oog

Es geht in kleinen Etappen weiter. Die Wetterberichte, zumindest die dort angegebenen Windrichtungen, stimmen nur bedingt. Gestern wollten wir mit SW die Jade hoch, also am Wind. Vorhergesagt war SW, W drehend. WIr hatten den Wind von hinten, bei 3 Knoten süd-setzendem Strom. Also eindeutig Nordnordwest.
Immnerhin gut zu gebrauchen, um bis Fed.-siel zu kommen.
Da stehen wir nun, hoch, trocken und ein bisschen schief und warten auf das Steigen des Wassers. Eben Navigation in Tidengewässern.

Hoch und trocken und ein bisschen schief

Rücksturz Phase 1

Damit die geschätzten Leser nicht anfangen, sich zu sorgen: Es ist nichts berichtenswertes vorgefallen. Enkelkinder sind wieder zu Hause. Boot nach Kiel gesegelt, nächsten Tag durch den NOK alias Kiel-Kanal bis Brunsbüttel. Man kann das machen, die knapp 100 km am Stück unter Motor.

NOK: Falscher Dampfer trifft echten Dampfer

Normalerweise machen wir das nicht so, dieses Mal hat es sich aus Tide und Langfrist-Wetterbericht so ergeben. Ein wenig klingeln da schon die Ohren, wenn man in Brunsbüttel ankommt.

Liegen jetzt in Cuxhafen. Wenn das Wetter so sein wird wie Windfinder es voraussagt, geht es morgen nach Wangerooge. Leider sind die Wetterfröschinnen und -frösche sich wieder sehr uneins. Falls, wie die Frösche des Deutschen Wetterdienstes annehmen, morgen Nachmittag nur noch Schwachwind ist, gleich unter Motor in die Weser. Diesel haben wir genug, Lust dazu aber keine.

Aber die Verhältnisse …

Die Planung gehört auch zum Segeln. Und die ist in der tidenfreien Ostsee wesentlich einfacher als bei uns. Besonders das Umplanen. Wir haben offengelassen, wo wir abends sein wollten. Je nachdem, was das Wetter so anbietet: Marstall, Bagenkop, Albuen. Schleimünde/Maasholm war nicht vorgesehen, die Wettervorhersagen waren unterschiedlich, aber um Nordwest sollte es bei allen sein. Da liegt die Schleimündung von Kiel aus dann in Windrichtung. Morgens noch Diskussionen, ob nicht doch vielleicht zu viel Wind sei oder sein könne. Was wir schon kannten: Man kann sich als Ortsfremder in der Kieler Förde arg verschätzen. Drinnen ist der Wind ganz friedlich und draußen kachelt´s dann. Es kachelte aber nicht, es flaute, und zwar soweit ab, dass wir uns entschlossen haben, unter Motor Richtung Schlei zu fahren. Schlei muss bei uns sein, wenn wir in der Ostsee sind, eigentlich. Bei einer Windstärke nach Beaufort ist es schließlich egal, aus welcher Richtung sie kommt. Als dann eine halbe Stunde später doch etwas Wind aufkam nochmal Planänderung, neue Richtung Bagenkop. Auf halber Strecke hat uns der Wind dann doch wieder verlassen und der Diesel (ja, sowas ungehöriges haben wir) musste doch ran.

Track Kiel-Bagenkop mit Schleimünde-Haken

Bis zwei Meilen vor Bagenkop, da gab´s dann endlich Wind. Und am Abend dann eine ganz Menge Wind. Aber das hilft jetzt nichts mehr.

Nächster Morgen: Immer noch eine ganze Menge Wind. Aber bis zur Südspitze von Langeland ist nur ein kurzes Stück, und an der Ostseite hat man dann ablandigen Wind mit entsprechend ruhiger See. Ab 11 Uhe soll es laut Windfinder weniger werden. Dann kann man weiter nach Osten, aus der Abdeckung hinaus und ins Smaland-Fahrwasser. So der Plan. Etwa 32 Meilen, bei 4,5 bis 5 Knoten gut zu schaffen. Die Realität war dann etwas anders, aus den 4 1/2 bis 5 Knoten wurden etwas mehr als 2 1/2. Nun weiss der Segler ja, dass im Großen Belt Strom stehen kann. Den vorher zu sagen ist nicht ganz einfach, weil da Windrichtung und -stärke, Dauer des Windes, Luftdruck und ein Bisschen auch die Tide der Nordsee mitmischen. Da ist die Planung auch hier nicht sooo einfach. Bislang war der Strom immer so, dass er keine Probleme gemacht hat. Heute schon, bei Gegenstrom zwischen 2 und 3 kn werden 30 Meile sehr lang. Herrlicher Sonnenschein, Temperatur zwar im unteren zweistelligen, morgens sogar im oberen einstelligen Bereich. Mit entsprechender Kleidung trotzdem angenehm, zumindest in der Sonne. Wir sind flott durchs Wasser gesegelt, nur das Szenario am Ufer hat sich ungewohnt langsam geändert. Den Plan, ins Smaland-Fahrwasser zu kommen haben wir aufgegeben. Auf Langelands Ostseite gibts´s nur einen Hafen, Spodsbjerg, und da sind wir gelandet.

Spodsbjerg in der Vorsaison, viel Platz

So langweilig, wie man im Hafenführer lesen kann, finden wir´s nicht. Fähre, Lotsenstation, Supermarkt, WLAN und Fischereihafen. Und am Horizont ziehen die großen Schiffe vorbei. Reicht doch als Unterhaltungsangebot. Bücher haben wir auch.

Lotsenstation Spodsbjerg, mit Bäumen vor den Fenstern

Die Lotsen halten offenbar schon lange nicht mehr durch Blick aus dem Fenster nach Kunden Ausschau. Was man an den Bäumen vor der Lotsenstation gut erkennen kann. Es gibt sie hier aber noch, was man wiederum an den Versetzbooten erkennen kann, die hier auslaufen und dann den Hebel auf den Tisch legen.

 

Morgen soll ein Trog durchziehen, gegen 8 Uhr soll es losgehen. Wir haben noch zu lesen, und übermorgen geht´s dann weiter. Wenn der Wetterbericht stimmt.