Constables Windmühle

¨Hier drin ist es ja sehr angenehm.¨ Sagt Sabine. Draußen herrscht sommerliche Hitze. Zu Fuss alles zu weit. Für’s Fahrrad eigentlich zu heiß. Gestern noch ein bisschen was über Brighton gelernt. John Constable hat es gemalt, wie’s ländlich-idyllisch aussah am Anfang der 19. Jahrhunderts. William Turner auch, aber dessen Bilder hängen gerade nicht im Museum, der hat sie verkauft. Constable ist das weniger gelungen.
Isle of Wight fällt aus. Relativ früh aufgestanden wegen der Tide, der Wind kam aus Süden, obwohl er aus Osten vorhergesagt war. Als alles fertig zum Auslaufen war, kam er gar nicht mehr. Weder aus Süden noch aus Osten.
Was tun wir nun ? London? Bei der Hitze? Plus die Fahrpreise der britischen Bahnen? Sind die eigentlich der Grund für die vielen Hubschrauber über London? Viel teurer kann das auch nicht sein!
BritischAirwaysi360 ? Ein Aussichtsturm, an dem eine Art Fliegende Untertasse 360 Meter rauf und wieder runter fährt. Etwa zum Preise einer Bahnkarte nach London, einfach, eine Person.

BritishAirwaysi360
BritishAirwaysi360

So gegen 1400 Uhr aufgerafft, Fahrräder zusammengebaut und gegen den jetzt wieder vorhandenen, aber schwachen Ostwind an der Küste lang. Seven Sisters. Die ersten Kilometer gehen gut, unterhalb gibt es eine ausgebaute Promenade, oder wie immer man das nennen soll. Der Hauptzweck der Konstruktion ist wohl, die Felswand und damit die oben verlaufende Straße vor dem Absturz zu bewahren.
Weiter östlich geht’s dann nur oben weiter, teils neben der Straße und ¨up the hills and down the hills¨. Oben steht auch eine Windmühle, die durchaus eine der von Constable gemalte sein könnte. Baujahr 1802 kommt auch so hin. Und mit Mühlen hat er es ja sowieso gehabt. Sein Vater war Müller. Mahlen und malen. Da gab’s doch noch einen malenden Müllerssohn, in den Niederlanden?

Irgendwo ist gerade der Wurm drin. Man müsst heute nicht unbedingt früh los, die Tide erfordert das nicht. Als wir denn so beim Frühstück saßen, konnten wir interessiert beobachten, wie so ein Wasserbauer-Ponton mit Kran im Hafen manövrierte. Als dann alles bereit war, ging der Kartenplotter nicht. Mehr oder minder systematisches Forschen brachte einen Kabelbruch zu Tage. Und als der dann repariert war, lag der Ponton mit dem Kran in unserer Hafenbucht und tauschte Dalben für die Steganlagen, engl. pontoons, aus. Und zwar so, dass jetzt keiner mehr raus oder rein kann. So mit zwei Pfählen in den Boden gerammt, so dass er zwar gut arbeiten, aber überhaupt nicht mehr manövrieren kann. Keiner derer, die ich auf dem Steg gesprochen habe, hatte eine Ahnung vom dräuenden Unheil. Mittlrweile scheinen sie die Rammarbeiten eingestellt zu haben, es ist aber niemand mehr an Bord zu sehen. Wahrscheinlich eine Viertelstunde Lunchtime, so von 11 bis 3 ?
Man nehme sich ein gutes Buch und übe sich in Geduld.
Als wir hier vor vier Tagen ankamen ankamen, gab es in einem Teil der Marina kein warmes Wasser. Sie hatten gerade ein Gasleck und die ¨engeneers¨ waren verständigt. Es gibt immer noch kein warmes Wasser. Gestern wollten wir in einem Hotel in Rottendean einen Kaffee kaufen. Ging nich, die Maschine was ¨Out of order¨. Offenbar auch nicht seit gestern, so, wie das Schild aussah.
Man muss hier alles etwas entspannter sehen 😉
Außer Rottendean haben wir inzwischen auch Wooddean und Saltdean gefunden. Rottendean ist aber am schönsten, eben ein bisschen ¨rotten¨ = mit Patina, altenglisch. Bis auf die allgegenwärtige Verkehrsmarmelade.

Morgen wieder Westwind. Isle of Wight wird nichts mehr, und Kanalinseln schon gar nicht. Schade. Die Rückfahrt beginnt.

Viel Kreide und ¨London by the Sea¨

Wenn man aus Rye, siehe oben, raus will, dann bekommt man vom Hafenmeister gesagt: ¨As soon as you are afloat¨. Also abfahren sobald man schwimmt. Bis man dann die Ausfahrt zur See erreicht hat, ist allerdings schon Hochwasser. Oder sogar schon vorbei. Dadurch hat man nur noch begrenzte Zeit nach Westen laufenden Tidenstrom.
Der trägt einen noch an Hastings vorbei. Kennt man aus der Schule, 1066, Schlacht bei H. Hat aber keinen Hafen. Eastbourne. Hat einen Hafen. Einer meiner Bekannten hat mir mal gesagt: ¨Was willst du da, du senkst den Altersdurchschnitt, das ist nichts für unsereinen¨. Er muss es wissen, er ist dort aufgewachsen. Westlich von Eastbourne steigt die Küste an und bildet eine besonders markante Landschaft, Beachy Head.

Beachy Head von Osten
Beachy Head von Osten

Das der Leuchtturm vor den Klippen steht muss so sein. Oben drauf hat sich nicht bewährt, der stand zu oft im Nebel. Natürlich nur, wenn es nicht regnete.

Beachy Head von Westen
Beachy Head von Westen

Die Tide hat dann für uns nur Newhaven gereicht. Eines der vielen Newhavens, die es so gibt. Ich kannte dieses vorher auch nicht, und sein größter, für mich erkennbarer Vorteil ist, dass es da liegt, wo es liegt. Nämlich da, wo der Strom kentert, wenn man aus Rye rauskommt. Ansonsten gibt es zwar ein paar Plätze in einer recht rustikalen Marine, aber in erster Linie ist es ein Fähr- und Industriehafen. Das mehrmals am Tage eine Fähre in den engen Hafen fährt und rückwärts wieder raus – zum Drehen fehlt der Platz – ist noch zu verkraften.

Schrotthandel in Newhaven
Schrotthandel in Newhaven

Ständig fahren die Boote, die die Leute zu den Windpark-Baustellen bringen oder von dort holen rein und raus – geht auch noch. Auch wenn die dauernd ihre Jockel am Laufen haben. Aber das, naja, nicht ständig, aber zu allen unmöglichen Zeiten Schrott in einen Frachter geladen wird, das ist schon lästig. Und vor Allem: Warum um alles in der Welt macht er um 16:00 ein Pause von einer Stunde und arbeitet dafür dann nachts um 3 mit viel Getöse? Verstehe einer die Briten (und Franzosen, der Hafen gehört einer französischen Firma).
Da hilft die ganze Freundlichkeit der Marina-Crew nicht weiter. Es gibt schönere Häfen.

Aus Newhaven raus Richtung Westen kommen die Seven Sisters. Besser, nicht die kommen, sondern wir kommen an ihnen vorbei. Acht Kreideklippen mit Tälern dazwischen, in denen jeweils Orte liegen. Der Wind war, zumindest lokal, nicht ganz so, wie der Wetterbericht es angesagt hat. Immerhin aber so, das wir mit einem einzigen Holschlag die Strecke an allen sieben bis acht Schwestern vorbeigekommen sind bis Brighton. Es sollen wirklich mal 7 Klippen gewesen sein, die achte ist erst entstanden, als der Name schon vergeben war. Können wir nicht mehr nachprüfen. Das Siebengebirge oder das Siebengestirn stimmen ja auch nicht.

Breighton, the <Lanes
Breighton, the Lanes

Brighton ist anders als ich es mir vorgestellt habe. Erstens viel größer, so etwa 270000 Einwohner. Brighton and Hove, wie es richtig heißt. Da haben sich mehrere Städte zusammengetan, die sowieso schon zusammengewachsen waren. Der Altersdurchschnitt anscheinend recht niedrig. Was sicher auch an der Universität und den vielen Sprachkurs-Besuchern liegt. Hat einen langen Strand, allerdings aus Shingles. Deutsch würde man vielleicht Kieselsteine dazu sagen. Das, was übrig bleibt wenn Kreidefelsen erodieren.  Entstanden aus einem Fischerort als Bad, in ersterLinie für Londener. Den Hauptbeitrag zur ¨Stadtwerdung¨ hat vermutlich der königliche Pavillon geliefert. Ein Bauwerk, das sich der im großen und ganzen recht unbeliebte König George IV errichten ließ, in erster Linie, um zu feiern. Pavillon ist schon arg untertrieben. Es handelt sich um ein veritables Schloss. Allerdings in einem eigenwilligen Stil: Außen Mogul-Indisch, innen chinesisch. Wobei beides natürlich wiedergibt, wie die Erbauer das Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts gesehen haben.

Royal Pavillon
Royal Pavillon

Heute gehört der Wunderbau der Stadt Brighton. Queen Victoria wollte ihn nicht haben, zu wenig Privatsphäre. Ausgeräumt und verkauft. Heute wieder restauriert, irgendwo wird wohl immer dran gearbeitet, und eine der Hauptattraktionen der Stadt. 400000 Besucher pro Jahr.
Was noch so: Älteste elektrische Eisenbahn der Insel – under restoration. Eine heile Seebrücke mit Rummel, Spielhallen, Fish’n’Chips, dem ganzen englischen Kram.

Eingang Ostpier
Eingang Ostpier

Eine kaputte Seebrücke: Zufahrt eingestürzt. Jahre später Feuer, abgebrannt. Konnte nicht gelöscht werden, Zufahrt war ja eingestürzt.

Rest der Westpier
Rest der Westpier

Eine lange, aber gammlige eiserne Arkade. Abgesperrt, Betreten verboten wegen Gammels. Ein über 300 Meter hoher Aussichtturn, an dem die Aussichtsplattform rauf und runter fährt. Supermodern und schick. Und vieles mehr. Und in der Verbindung von neu und schick und alt und verfallen sehr britisch. Was nicht völlig zusammenbricht wird nicht entfernt. Und wenn es zusammengebrochen ist auch nicht unbedingt.

Breighton, needs repair
Brighton, needs repair

Die alte Stadt und der Fluss der traurigen Boote

Cinque Ports, das waren die sieben Häfen, die im Mittelalter dem König Kriegsschiffe zu stellen hatten, wenn er meinte, welche zu brauchen. Damals, als man in England normannisches Französisch sprach, wenn man was zu sagen hatte. Die fünf ursprünglichen hatten sich zwei dazu eingeladen, die bessere Häfen hatten. Damit warn’s dann sieben. Später auf 14 erweitert, blieben sie aber immer die Cinque Ports. Und sind es auch heute noch. Näheres kann man bei Wikipedia nachlesen. Als Gegenleistung für die Pflicht, Schiffe und Besatzungen zu stellen, hatten die Cinque Ports die Gerichtsbarkeit über ihre Schiffe und Seeleute. Was zu damaliger Zeit einem Freibrief für Piraterie und Strandraub gleich kam, an dem die Städte gut verdient haben. Heute machen sie das nicht mehr!

Stadttor Rye
Stadttor Rye
Eckturm Rye
Eckturm Rye
Straßenbild Rye
Straßenbild Rye

Die meisten dieser Städte haben heute keinen vernünftigen Hafen mehr, Dover ausgenommen, das auch dazu gehörte.
Rye, wo wir jetzt sind, liegt etwa 4 Meilen im Binnenland auf einem Hügel. Von oben kann man immerhin die See am Horizont noch ahnen. Unser Liegeplatz liegt am ¨Strand Quay¨, hat aber gar nichts mehr von einem Strand. Was die Seefahrt sehr behindert, das Liegen etwas abenteuerlich macht, dafür aber das malerische Stadtbild von Rye gut erhalten hat.

Strand Quay¨ Rye
Linkes Ufer: ¨Strand Quay¨ Rye

Der ¨Strand Quay¨ ist heute eine Straße, die an einem Gewässer entlangführt, das im britischem Englisch als ¨River¨ bezeichnet wird, auf dem Kontinent kaum als Bach durchginge und dem vollen Tidenhub ausgesetzt ist. Dieser ¨River¨ ist seinerseits ein ¨Nebenfluss¨ des River Rother. In dem bewegt sich immerhin viel Wasser. Bei auflaufender Tide rein und bei ablaufender wieder raus. Vor dem Hafenmeisterbüro mit flotten 3,5 Knoten. Da muss man anlegen, bezahlen und sich einweisen lassen. Wegen des unebenen Grundes beim Trockenfallen eine sehr sinnvolle Regelung.
Die beiden Flüsse sind so ein Fall für sich. Während Rye als Stadt eine malerisches mittelalterliches Ambiente zeigt, vom Wasser aus —

Der Fluss der traurigeb Boote
Der Fluss der traurigen Boote

Jedenfalls haben wir noch nie so viele abgewirtschaftete, heruntergekommene, ungepflegte, gerade noch schwimmfähige oder auch nicht mehr schwimmfähige Wasserfahrzeuge auf einem Haufen gesehen. Wobei sich nur die letzten beiden Kriterien ausschließen.
Resumee: Rye lohnt sich und ist schön. Zumindest solange man nicht selbst in den alten Häusern wohnen muss. Teils nicht für Menschen über 1.70 geeignet. Die Anfahrt auf dem Wasser ist interessant, aber schön ist sie nicht unbedingt.