Martin, vielen meiner Big Band Kollegen und sonstigen Mitmusikern noch als Bassist bekannt, hat mir mal gesagt: ¨Eastbourne? Was willst’e denn da? Da drücken Leute unseres Alters ja noch den Altersdurchschnitt!¨ Und Martin muss das wissen, er stammt aus Eastbourne. Ich habe schon länger eine Sechs vorne an der Altersangabe. Und meine mich zu erinnern, dass Martin sich schon als Rentner geoutet hat, als ich noch in Lohn und Brot stand.
Wenn man so durch Eastbourne geht, Seebad in Sussex mit guter Luft und viel Sonnenstunden, scheint das nicht ganz der Wahrheit zu entsprechen. Richtig ist: Es gibt auffallend viele sehr alte Leute. Andererseits aber auch Jugendliche und Kinder, und auch junge Familien mit kleinen Kindern. Kann natürlich sein, dass sich das außerhalb der Sommersaison anders darstellt, wenn die ganzen Sprachkurs-Teilnehmer nicht mehr da sind. Dann verschiebt sich die Altersstatistik vermutlich signifikant nach oben.
Zumindest haben wir gelernt, dass die Stadt einiges tut, um für junge Familien attraktiver zu werden.
Für Touris wie uns ist sie jedenfalls nicht unattraktiv. Die Stadt nicht, und die Umgebung schon gar nicht.
Zur Umgebung gehört das schon erwähnte Kap Beachy Head, die höchste Kreideklippe der ganzen großen Insel. Da Schwachwind angesagt ist, ist die Gelegenheit günstig, sich Beachy Head auch von der Landseite anzusehen. Haben wir gemacht. Anfahrt durch die Stadt, nun ja, etwas mühsam. Es gibt zwar ausgewiesene Radwege, aber häufig sind die über Fußwege geführt, und die Fußgänger rechnen nicht mit ¨Cyclists¨. Die müssen sowieso immer wieder ¨dismout¨-en. Ehrlicherweise muss man zugeben, dass der motorisierte Verkehr in diesem Lande auch nicht viel schneller voran kommt. Freundlich, in der Regel höflich und rücksichtvoll, aber langsam. Englische Straßen sind oft eng, zugeparkt und reichlich mit Linienbussen bestückt.
Und vor der Stadt dann ¨Up the hills and down the Hills¨. Der Weg hinaus ist schön, und das Ziel lohnt die Mühe. Die vielen anderen Touris stören nicht, die verlaufen sich dort. Oder tragen zum Gesamterlebnis bei. Wie die junge Dame, die sich zwecks Ablichtung auf einen Felsvorsprung gestellt hat, den ich nicht auf allen Vieren betreten hätte. Geschätzte mögliche Absturzhöhe: 160 m. Manche Leute haben weder Höhenangst noch ganz normale Angst. Hab’s dokumentiert, kann es aber wegen des Persönlichkeitsschutzes hier nicht einstellen. Das erspart außerdem möglicherweise den Angehörigen eine Herzattacke.
Natürlich hat auch Eastbourne eine Seepier, ohne solch ein Bauwerk ist ein englischer Badeort nicht vollständig. Das hier auf der Seebrücke allerdings Stücke aus den Lautsprechern erschallen, die wir mit der Bigband auch spielen, sollte mich mal über mein Alter nachdenken lassen. In Brighton war das nämlich nicht so. Siehe oben, zur Altersstatistik.
Zu Eastbourne gibt’s auch einen bösen Spruch: ¨God’s waiting room.¨
Morgen voraussichtlich auch kein Wind. Mal schauen, was hier sonst noch so geht.