Von Elefanten, Hexen und dem Budenzauber von Byxelkrok

Für heute ist Westwind angesagt. Auch wenn er am Morgen ganz offensichtlich aus Süden kommt. Wir verlassen Borgholm und haben dabei nochmal einen guten Blick auf die Schlossruine mit ihren leeren Fenstern.

Borgholm Slot (oder das,was davon übrig ist)

Gefühlt fast wie am Mittelmeer: Blauer Himmel, blaues Wasser, warme Temperaturen. T-Shirt und kurze Hose.
Der Wind ist auch so wie in manchen Gegenden des Mittelmeers: Unstet.
Geplantes Ziel ist Grankullavik. Das ist einerseits ein Bucht ganz im Norden Ölands, in der man sehr geschützt ankern kann, weil sie für jede Windrichtung einen geeigneten Bereich bietet. Andererseits ist es auch ein Yachthafen, mit dem etwas morbiden Charm eines aufgegebenen Fähranlegers. Es gibt dort Stege, Wasser, Toiletten und eine Dusche. Und einen Hafenmeister, bei dem man bezahlen kann. Sonst nichts als Landschaft und eben den alten Fähranleger. Hier fuhr eine Fähre nach Gotland ab. Seit es die Ölandbrücke gibt, lohnt sich der Betrieb nicht mehr.
Der Wind: Morgens Südwind, mittags West und so, das wir bis zu 6 1/2 Knoten schnell waren, viel mehr können wir bei unserer Bootslänge sowieso nicht. Nachmittags immer noch West, aber so wenig, dass wir zeitweise aufgegeben haben und auf den Diesel zurückgreifen mussten. Manchmal kommt der Wind ja wieder, wenn man mit dem Dieselmotor droht. Zweimal hat das fuktioniert, einmal auf freier Strecke, einmal bei der blauen Jungfrau. Die letzten Meilen half auch das nicht mehr und wir mussten dann bis in den Hafen dieseln.
Die blaue Jungfrau: das ist eine Insel im Nordteil des Kalmar-Sundes. Unbewohnt, soweit es normale, steuerpflichtige Bewohner betrifft. Allerdings soll es dort zu Gründonnerstag eine große Zusammenkunft der skandinavischen Hexen geben. Ist ja verständlich, hier kommt der Frühling ja auch etwas später als bei uns. Zur Walpurgis-Nacht ist es wahrscheinlich noch zu kalt. Heute ist die blaue Jungfrau – die weder das eine noch das andere ist, sondern eine bewaldete Felskuppel aus rosa Granit – Zentrum eines Nationalparks, der zu 3/4 aus Wasser besteht.
Wir sind dicht daran vorbei gefahren, haben weder Hexen noch Trolle, Elfen, Gnome noch andere unheimliche Gestalten gesehen. Abgesehen von ein paar Motorbootfahrern.

Bis Grankullaviken hat es dann, wegen der mediterranen Verhältnisse – sehr warm, kein Wind – nicht mehr gereicht. Vier Meilen vorher liegt auf Öland der Hafen von Byxelkrok. Außerhalb der Feriensaison ein Fähr- und Fischereihafen, ist er mit reichlich Liegeplätzen für Gastyachten ausgestattet. Vorn an die Pier, hinten an die Boje. Findet man hier häufig. So bekommt man viele Boote in den Hafen, ohne das die außen liegenden den Innenliegern über´s Deck turnen müssen. Und damit man die Yachties auch schön ausbeuten oder erfreuen kann, je nach persönlichen Vorlieben, gibt es hier eine Budensammlung, wo man alles kriegt, was man nicht braucht. Allerdings auch das Hafenbüro, die Sanitäranlagen und einen Fahrradverleih.

Budenzauber von Byxelkrog

Ob es morgen nach Visby oder Vestervik geht, haben wir noch nicht geklärt. Die Wetterberichte bieten wieder Interpretationsspielraum.

Ach so, der Elefant. Das ist der Name einer der Untiefen, über die wir gefahren sind. Untief ist die aber nur für große Schiffe, uns nimmt der Elefant gar nicht wahr.

Eckig, praktisch, geradeaus

Gestern ist Hanö deutlich zu kurz gekommen. Eine Hälfte war nach anstrengender Seefahrt, wir haben uns am Schluss halbstündlich am Ruder abgewechselt, nicht mehr willens, noch weit zu laufen. Die andere Hälfte wollte nicht allein laufen. Nun waren wir schon vorher auf Hanö, und das meiste, was gut zu erreichen ist, haben wir schon besucht. Für heute war Regen vorhergesagt, und einige Dinge wurden an Bord langsam knapp. Vor allem die schwedischen Kronen, die man ja doch noch in materieller Form braucht. Also heute nur nach Karlshamn, der nächstgelegenen Stadt, die groß genug ist, auch einen Geldautomaten oder zumindest eine Bank zu beherbergen. Tut sie auch.
Im 17. Jahrhundert als Hafenstadt angelegt, natürlich von einem Karl, hier Karl X Gustav. Schwedische Könige tragen ja nach der Nummer noch den Namen des Vaters, ganz analog zum alten patronymischen Namenssystem. Familiennamen sind hier eine relativ neue Einrichtung.
Als systematisch geplante Stadt hat Karlshamn Ähnlichkeit mit Karlskrona – nicht gleicher Karl, aber gleicher Stadtplaner: Erik Dahlberg. Schnurgerade Straßen, die sich im rechten Winkel kreuzen, und ein überdimensionierter Platz im Zentrum, an dem auch Rathaus und Kirche stehen. In Karlshamn eine, gleich mit Friedhof. In Karlskrona zwei. Dahlberg war in Schweden etwa das, was Vauban in Frankreich war, der Meister der Festungsanlagen und Stadtpläne.(1)

Karlshamn, Stadtplan Dahlberg: Rechteckig, praktisch, geradeaus

Damals, im 17. Jahrhundert war Schweden ja noch eine Großmacht und konnte feste investieren. Später, im 19., haben viele das Land verlassen, das nun nicht mehr zu den wohlhabenden gehörte. Und von diesen vielen Emigranten sind wiederum viele über den Hafen Karlshamn emigriert.
Heute gibt es hier ein Auswandererdenkmal, und Karlshamn ist auch Endpunkt einer Auswandererstraße. Etwa eine Million Schweden ist aus wirtschaftlichen Gründen ausgewandert, etwa zwischen 1860 und 1930. Eine ganze Menge, wenn man bedenkt, dass es heute etwa 10 Millionen gibt, damals werden es auch nicht mehr gewesen sein.
Der Stadthafen von Karlshamn ist heute bemerkenswert unattraktiv, so unattraktiv, das dort auch keiner lag. Dafür sind die kleinen Häfen vor der Stadt umso schöner. Bewertung natürlich aus der Sicht der Lustschifffahrt.

Einfahrt Vägga Fiskehamn bei Karlshamn

Karlshamn ist auch der westliche Eingang in den Schärengarten von Karlskrona. Da geht´s weiter, wenn das Wetter es erlaubt, bzw. wenn das Wetter so ist, dass es Spaß macht.


(1) Erik Dahlberg war auch für die Befestigungs von Bremen und sogar Nienburg/Weser verantwortlich.