Tiefer Süden

Der nordische Sommer hat uns erreicht. Der ist ja bekanntlich kurz und heftig. Er zeigt sich hier und jetzt in strahlend blauem Himmel, ebenso strahlender Sonne und einem kräftigen (5 Bft) und böigen (7 Bft) Wind aus Ost. Da wollen wir hin, Richtung Osten. Sind so 25 Meilen bei optimalem Kurs. Werden leicht 50, wenn man gegen die holprige See kreuzen muss, weil man dann nicht viel Höhe machen kann ohne zu langsam zu werden. Nächster Hafen Richtung Ost wäre Smygehamn. Das ist mit 8 Meilen Entfernung zu nah, um ein attraktives Ziel zu sein. Oder Abbekas, etwas mehr als doppelt so weit, aber nach Osten offen. Das wiederum ist zu holprig, um bei diesem Wind ein attraktiver Hafen zu sein. Das Boot bleibt hier, wir wechseln das Verkehrsmittel: Klapprad. Anders als bei Google Maps zu sehen kann man fast die ganze Strecke auf Nebenstraßen oder Radwegen zurück legen. Papierkarten haben wir nicht – für Straßen, sonst schon.
Was mach Smyge und Smygehamn interessant? Smyge gar nichts. Smygehamn, den Hafen dazu, die Tatsache, das es der südlichste Ort Schwedens ist. Und das wird touristisch verwertet. Was man sich wiederum als Ausländer ja mal ansehen kann. Hier gibt es den südlichsten Hafen, das südlichste Lagerhaus (Laden für Kunsthandwerk), den südlichsten Kalkofen (außer Betrieb), die südlichste Fischräucherei (gut eingekauft, in Gislöv gibt es ja nicht viel), die südlichste Eisbude, Parkplatz, Restaurant …

Das südlichste Lagerhaus und der südlichste Kunstgewerbe-Laden (mit der südlichsten Feuertreppe)

Wenn man sich also ganz nah an den gekennzeichneten südlichsten Punkt stellt, haben wir beide getan, ist man der südlichstes Mensch Schwedens. Ganz im Süden stand keiner, da war es heute, siehe Ostwind, zu nass. Kann man sich auch von südlichsten Leuchtturm des Landes ansehen. Der allerdings, ähnlich Neuwerk, nur noch privat leuchtet, mit 80 Watt.

Der südlichste Leuchtturm

Von hier bis Kopenhagen sind es 61 km, bis zum Nordende Schwedens eintausenfünfhundertvierundzwanzig. Ganz schön tiefer Süden!

Ach ja, es gibt hier auch die südlichste bronzezeitliche Grabanlage Schwedens. Und auch die zweit-, dritt- und viertsüdliche. Wobei die Bronzezeit ja nach skandinavischer Zeitrechnung fast bis an unser frühes Mittelalter reicht. Bei uns nennt man die Burschen Wikinger.

Mistlure

So in etwa, im Groben, war die Wetterentwicklung so, wie die Wetterfrösche und -fröschinnen es vorhergesagt hatten. So ab Mittag, und dann alles 2 Stunden früher als angesagt. Vor Mön jedenfalls wurden uns alle Windrichtungen und -stärken präsentiert, nicht nur die angesagten. Und das kam auch nicht von Kap- und ähnlichen Effekten, das kam eindeutig von oben. Leider hab´ ich die beeindruckende Wolkenformation nicht im Bild festgehalten. Dafür wenigstens die Kliffs von See aus. Obwohl das ja wie bei den Sonnenuntergängen ist: Davon gibt es eigentlich schon genug Fotos.

Möns Klint von See

Nachdem der Wind sich dann an die Progrose angepasst hatte und aus Ost bis Ostsüdost wehte, ein langen Schlag nach Gislöv Läge. Das muss man nicht kennen, wenn man nicht segelt. Liegt bei Trelleborg, genauer, ist ein Teil von Trelleborg und hat einen Fischer- und Sportboothafen. Trelleborg selbst kennt man natürlich, da ist der große Fährhafen. Dort, wo der Abstand von Schweden nach Mitteleuropa am geringsten ist. In den Hafen darf unsereiner aber nicht rein, und darum kennt der Gislöv, ein paar Kilometer weiter.
Außer dem Hafen gibt es etliche gepflegte Häuser und einen Strand, im Hafen einen Steg mit schön restaurierten historischen Booten und neben dem Hafen ein Holzhäuschen, aus dem die Öffnung des Nebelhorns lugt. Das ist zwar nicht mehr regulär im Betrieb, weil heute jeder GPS hat und sich niemand mehr an Nebelhörnern orientieren muss. Ist aber noch, oder wieder, funktionsfähig und wird bei besonderen Anlässen und ohne solche einmal im Monat getutet.

Tudehuset mit Mistlure

Warum ist das erwähnenswert? Erstens, weil es sonst hier nicht viel gibt, und zweitens weil die damit verbundenen Begriffe im Deutschen nett klingen. Das Häuschen, in dem sich das Gerät befindet, heißt ¨Tudehuset¨, das Horn ¨Mistlure¨. Die Skandinavier, und besonders die Schweden, haben ja die nette Sitte, an allem sehens- oder erwähnenswerten ein erklärendes Schild anzubringen. So lernt man ein paar Wörter Schwedisch, die man bestimmt nicht braucht.