.. denn der Sommer geht zu Ende

Ab Mitte August beginnt der Herbst schon manchmal, seine Schatten voraus zu werfen. Woraus man schließen kann, dass er die Sonne im Rücken hat, der Herbst.
Wir befinden uns auf dem Weg nach Hause. Meist waren wir in den vergangenen Jahren um diese Zeit schon zu Hause, aber dieses Jahr ist wegen Corona sowieso alles anders. Von Juist (Nordsee, es gibt noch andere Inseln, die so ausgesprochen werden, aber die liegen woanders und schreiben sich auch anders), Umgang mit C. sehr locker, über Baltrum (auch locker), Spiekeroog (Sehr streng, die hatten schon Ärger mit der Seuche) nach Wangerooge. Sollte eigentlich ein längerer Schlag von Spiekeroog bis Hooksiel an der Jade werden, aber wir haben ein wenig das Vertrauen in die Stabilität des Wetters verloren und sind in Wangerooge untergeschlüpft.

Der Baltrumer Gummisteg

Das Wetter hat dann doch länger gehalten als es zunächst aussah. Jetzt wird es wirklich sehr windig. Und das mehere Tage nacheinander.
Der Südwind hat das Wasser auf der Wattseite so hoch steigen lassen, dass der Zug zum Dorf schon durchs Wasser fuhr. Was der kann, was aber um diese Jahreszeit ungewöhnlich ist.

Frühherbstlich hoher Wasserstand auf der Wangerooger Wattseite: Der Zug fährt durch das Wasser

Die Planung für die Fahrt über das Watt wird langsam schwieriger. Man muss ja Hoch- und Niedrigwasser, Strömungsrichtungen, Windverhältnisse und Fahrtstrecke, insbesondere zwischen den Wattenhochs, irgendwie übereinander kriegen, und zwar möglicht so, dass man dabei Tageslicht hat. Und der Zeitraum wird leider jeden Tag weniger.  Navigieren bei Dunkelheit sollte man den Ortskundigen überlassen. Die Pricken sind mitunter schon bei Tageslicht nicht mehr ganz so gut zu finden. Die eine oder andere ist um diese Jahreszeit schon mal der Sport- oder Berufsschifffahrt zum Opfer gefallen. Oder auch schlicht den Änderungen des Untergrunds. Das ist bei Tageslicht nicht so schlimm, bei Dunkelheit, wenn die Sichtweite durch die Leistung der Taschenlampe begrenzt ist, unter Umständen aber doch eine Quelle von Stress. Und den wollen wir nicht.

 

Einsiedler, Monster, Pferdeäppel

So schicki-micki ist die Insel doch eigentlich nicht, wie Sabine sagt. Sicher, es gibt so eine Art Hauptstraße mit ein paar ¨besseren¨ Geschäften und eine Konzertmuschel mit Kurorchester. Der Aussprache des auch ansagenden Dirigenten nach zu urteilen bömische Musikanten. Abseits davon und von einigen Strandlokalen, deren Preise die Aussicht durchaus berücksichtigen, aber doch eine normale ostfriesische Familienmitkindernurlaubsinsel.

Nachdem der Boothafen von Juist jahrelang eher problematisch war, der er ständig verlandetet und das Spülen und Baggern sehr unebene Bodenverhältnisse erzeugt hat, haben die Juiser jetzt einen Weg gefunden, des Problems Herr zu werden. Was einerseits die Nutzung des Hafens erleichtert, andererseits liegen jetzt hier etliche Monsteryachten, die sonst wohl nach Norderney gefahren werden. Und der früher freundliche Umgang der Yachties untereinander hat ist leider auch nicht mehr der gleiche. Vielleicht auch ein Corona-bedingtes Phänomen, das wieder verschwindet. Hoffen wir jedenfalls.

Die Hitzewelle hat ihren Höhepunkt wohl überschritten, zum Fahrradfahren oder ähnlichen fordernden Aktivitäten ist es uns aber immer noch zu warm. Also Strand. Davon gibt es hier wirklich viel, weil die Insel ja auch so lang ist. Parallel zum Strand viele Sandbänke und auf dem Strand diverse Salzwassertümpel mit besonderer Fauna: Nirgendwo sonst an unseren Küsten haben wir bislang so viele Einsiedlerkrebse gefunden.

Immobiliengeschäfte auf Juist?

Die brauchen offenbar besondere Umweltbedingungen, nämlich Schneckenhäuser. Und die zugehörigen Schnecken scheinen in den Tümpeln zu gedeien. Mit einem überschaubaren Maß an Geduld kann man dort sehen, wie die Krebschen mit ihren Schneckenhäusern hin und her laufen und die Behausungen ihrer Mitkrebse inspizieren. Was wir noch nicht gesehen haben, ist, dass sie dabei auch ihre Mobilie wechseln. Aber schauen kann man ja mal, als Einsiedler.

Die Sitte oder Unsitte des Sandburgen Bauens ist ja fast verschwunden. Aber offensichtlich gibt es immer noch Menschen, die sich in der vergängliche Kunst der Erstellung von Skulpturen aus nassem Sand üben.

Strandkunst, sehr vergänglich

Ach ja, Pferdeäppel: Das Pferd, kaltblütig und schwer, ist nach wie vor Markenzeichen des Juister Transportwesens. Und die Entsorgung dessen, was hinter raus kommt, läuft hier etwas schleppender als auf anderen Pferdeinseln. Man muss schon aufpassen, wo man hin tritt, wenn man den anderen Corona-Verdächtigen ausweicht.

Die Türme von Pilsum

Den an die Hitzewelle angepassten Tagesablauf haben wir beibehalten: Morgens mit dem Fahrrad die Gegend ansehen, nachmittags Schatten suchen und möglichst wenig bewegen. Am besten auf dem Achterdeck, da kommt immer etwas Wind hin und fast den ganzen Tag liegt es im Schatten der Sprayhood.
Vom Ort zur Leysiel-Schleuse, dann über den famosen Fehlfarben-Leuchtturm und das Dorf Pilsum wieder zurück.
Am Schleusengebäude hängt eine Tafel, die die Entstehung des heutigen Speicherbeckens inklusive Schleuse erklärt. Während wir uns mit der Historie beschäftigen, kommt der Schleusenwärter auf uns zu und erzählt uns noch einige Details mehr, die da so nicht drauf stehen. Und erzählt von Vorfällen, die da erst recht nicht drauf stehen (und die zum Schutze der Paddels, die sie verursacht haben, hier auch nicht weitergegeben werden).

Speicherbecken und Leybucht

Was weitergegeben werden darf und auch nicht auf der Tafel steht: Wär die Deichlinie nicht vorgezogen worden, hätte der Deich in Greetsiel um mindestens 2 m erhöht werden müssen und das ganze Ortsbild, das heute die Touristen hierher lockt, wäre verschwunden. Anderes Detail: Der Deich, der heute das Speicherbecken umschließt, ruht auf Abraum aus dem Ruhrgebiet. (Da können sisch ja einige janz heimisch fühln, woll? Miet Ommma!)
Am Ende der wasserbaulichen Erläuterungen (und nach Erwähnung der wassersportlichen Ambitionen des Schleusenmannes) wurden wir zu einem Besuch des Kontrollraums eingeladen.

Kontrollraum Leysiel-Schleuse

Und dort noch mit weiteren Informationen versorgt. Nochmals vielen Dank an den Schleusenmann!

Schleuse Leysiel (mit Boot des freundlichen Schleusenmeisters)

Weiter bei sommerlichster (kann man das steigern?) Wärme zum sehr populären Leuchtturm von Pilsum. Dem aus dem Otto-Film, gelb-rot, so wie´n Lolli. Das Gelb soll ja anzeigen, dass dieses Leuchtfeuer außer Funktion ist, und funktionlose Leuchttürme gibt es reichlich an der deutschen Nordsee, weil sich die Fahrwasser immer wieder ändern. Aber nur dieser hat den Otto-Adel. Kann sogar als standesamtliche Außenstelle zum Heiraten genutzt werden und zieht reichlich Besucher an.

Pilsumer Otto-Turm (ex Leuchtturm, Turm 1)

Sicherlich der bekannteste, aber nicht der interessanteste Turm von Pilsum. Pilsum ist ein schnuckeliges kleine Dorf mit ca. 500 Pilsumern, auf einer Warft und mit eine Kirche in der Mitte, die (siehe Marienhafe) in keinem Verhältnis zum Ort steht. Erbaut in 13 Jht. und beherrscht von einem multifunktionalen Vierungsturm: Kirchturm, Wehrturm, Seezeichen. Nur Glockenturm ist er nicht. Der steht extra. Vermutlich aus baustatischen Gründen: Wenn der Turm schon so schief steht, will man wohl keine pendelnden Glocken drin haben.

Pilsumer Vierungsturm (Turm 2)

Für die Glocken gibts noch einen Extraturm, siehe Bild oben, Turm 3.

Zu Zeiten, da die Leybucht bis Marienhafe reichte, lag auch Pilsum direkt am schiffbaren Wasser. Man musste sich also mit Piraten befassen: Entweder man verschanzte sich und bekämpfte sie oder man alliierte sich mit ihnen (und profiterte von den abgezweigten Warenströmen). Es gibt Gerüchte, dass auch die Pilsumer zur zweiten Lösung tendierten. Zumindest gab es bis ins 19 Jht. auffallend viele Kaufleute in dem eher kleinen Dorf.

Greetsiel und umzu

Ganz Deutschland ist von einer Hitzewelle besetzt. Ganz? Nein, ein kleiner Bereich ..

Ganz Deutschland ..

Ich weiß, ich hab das schon benutzt, aber ich kann dem nicht widerstehen.
Wirklich gab es gestern eine Hitzewarnung des Deutschen Wetter-Dienstes, in dem der Küstebereich ausgenommen war. Wobei dem Berichtenden nicht klar ist, ab welchen Temperaturen gewarnt wird.
Unser Plan war, die untere Ems etwas hinauf zu segeln. Die Wirklichkeit ist, dass wir genau und nur bis Greetsiel gekommen sind. Hier liegen wir in der Mitte des Hafens auf einem Platz, an den der Wind gut heran kommt und schön kühlend durch´s Boot weht.

Waschtag

Der Ort ist, vorsichtig gesagt, touristisch intensiv genutzt. Saint Tropez, Acapulco, Greetsiel. Die Corona-Beschränkungen haben Greetsiel etwas zum Mallorca der Ems gemacht. Inclusive vieler lustiger und sehr lustiger Gäste. Besonders am Wochenende waren viele schon Mittags sehr lustig. Weil wir in jeder Richtung etwa 100m Wasser um uns haben, Steg ausgenommen, können wir uns aber gut zurückziehen. Das Gejole vom Ostfriesen-Ballerman gegenüber muss man ausblenden.

Eisladen mit Corona-Schlange

Durch den Ausbau des Leysiels ist ein Binnenhafen entstanden, der durchaus Postkartenqualitäten hat. Und viele der Kutter werden offensichtlich auch noch bestimmungsgemäß, also für die Krabbenfischerei, benutzt.

Greetsiel

Ob der Fremdenverkehrsverband für den Erhalt des schmucken Zustands beiträgt oder die Vermieter der Ferienwohnungen und die Fischer die gleichen Personen sind, ist dem Schreiber nicht bekannt. Letzteres ist nicht unwahrscheinlich, denn so viele Einwohner gibts hier nicht, wenn die Touris erst mal weg sind.

Normalerweise befällt den Skipper ja ein kaum beherrschbarer Wandertrieb, wenn er mehr als 2-3 Tage an einem Ort ist. Und das weitaus meiste des Ems-Sanremo haben wir auch schon abgehakt. In einem Anfall von Abenteuerlust haben wir uns heute Morgen, wegen der Hitze für unsere Verhältnisse früh, auf die Fahrräder geschwungen und sind nach Marienhafe und auch wieder zurück.

Marienhafe

Marienhafe ist eigentlich ein Ort von minderer Bedeutung, mit etwas mehr als 500 Einwohnern. Was ihn auszeichnet, sind die Reste einer Kirche, die einst die größte zwischen Bremen und Groningen gewesen sein soll. Warum dort im 13. Jahrhundert ein solcher Riesenbau angelegt wurde und von wem, weiß keiner mehr. Das hohe Dach war einst auf einer Seite mit Kupfer, auf der anderen mit Schiefer (Ley) gedeckt und diente damit als Seezeichen. In früheren Jahrhunderten reichte die See sehr viel weiter an Marienhafe heran. Um 1400 soll sich hier ein gewisser Klaus (oder Nikolaus) Störtebecker verschanzt haben, als seine Kariere dem Ende zu ging.

Kirche Marienhafe

Bei dem ist es so ähnlich wie bei Homer, von dem man ja weiß, dass er blind war, aber nicht, ob er gelebt hat. Vom Klaus weiß man, daß er Pirat war, aber nicht, ob er gelebt hat. Und das ein friesischer Häuptling Okko tom Brook ihn geduldet oder unterstützt hat. Nach beiden dieser zwielichtigen Gestalten sind hier jedenfalls mehrere Plätze, Straßen und Wege benannt.
Was man weiß, und zwar ziemlich genau, ist, das die Gemeinde Marienhafe mit dem Unterhalt ihrer Riesenkirche überfordert war und dass, weil noch nicht existent, auch das Landesdenkmalsamt kein Geld locker machen konnte. Man hat also, mangels besserer Alternativen, den Friesendom drastisch zurück gebaut: Dach weg, Chor weg, Querhaus weg, Seitenschiffe weg, Öffnungen zugemauert. Turmhaube war vermutlich schon weg, 2 Stockwerke abgetragen. Der Rest steht noch und wirkt jetzt merkwürdig amputiert. Der Turmstumpf ist immer noch beeindruckend. Bezahlt wurde der Umbau dadurch, das die Beteiligten das Abbruchmaterial mitnehmen durften.
Man könnte mal überlegen, ob das Verfahren nicht auch für den einen oder anderen jüngeren Bau Anwendung finden könnte.
Den Turmrest könnte man sogar besteigen. Wann man nicht, wie wir, blöderweise an einem Montag ankommt. Da ist er nämlich, wie ein Museum, geschlossen.

Wattwürmer und Pinguine

Bitte Abstand halten!

Ende eines schönen Tages

Wärend wir auf dem Watt kein Problem haben, Abstand zu möglichen Infektionsträgern zu halten, ist das an manchen Bereichen der Touristenorte nur bei sehr weiter Auslegung der Bestimmungen möglich. Das Tragen der Masken bewirkt nicht unbedingt, dass das Krisenbewusstsein aktiviert bleibt. Der Berichtende kann sich da nicht ausnehmen.

Abstand einhalten!

Von einer der Fähren tönt eine Lautsprecherdurchsage übers Watt: ¨ .. und achten sie auf ihren Abstand .. ¨. Auch für die Fähren ist das Abstand halten in der Enge des Fahrwassers nicht ganz einfach.

Zumindest auf dem Watt könnte man die Abstände ja einhalten. Bei manchen Lebensformen geht das aber einfach nicht, z.B. bei Pseudo-Pinguinen.

Pseudo-Pinguine

Wie alle Pinguin-Arten wird er meist in Habitaten beobachtet, für die er nur unzureichend ausgestattet ist.

Schon bei früheren Aufenthalten auf Juist ist mir aufgefallen, dass die Fähren sich mit voller Maschinenleistung durch die Rinne schieben, statt eine Viertelstunde zu warten, bis genug Wasser da ist. Inzwischen hab ich den Verdacht, dass das Absicht ist, um die Rinne frei zu halten. Der Hafen liegt ja an einer Stelle, wo die Natur keinen Hafen will.

Der Skipper hatte gemeint, bei diesem ruhigen Wetter würde der Draggen, also unser ¨Kaffee-Anker¨ ausreichen. Tut er aber nicht.

Dieser Anker ist für diesen Grund nicht geeignet

Zumindest nicht auf diesem festen Grund.

Der feste Untergrund gab aber die Gelegenheit, die Fahrwasserverhältnisse näher zu untersuchen. Ergebnis: Im Nordland-Fahrwasser, der alternativen Zufahrt zum Juister Hafen, kann man bei Niedrigwasser in der Mitte gut stehen. Die Knöchel werden nicht nass.

Nordland-Fahrwasser bei Niedrigwasser