Hamsterrad

Broekerhaven. Kennt nicht jeder. Wir bis heute auch nicht. Aber jetzt. Und das kam so: Wetterberich Ost 2-3, süddrehend 4-5, später West drehend. Also bei Ostwind, recht wenig davon, aus Lemmer raus Richtung Enkhuizen. Um 13:00 wollte Sabine mit einer Ehrenamts-Kollegin telefonieren um irgendetwas buchhalterisches zu klären, online. Also um 13:00 da sein, wo man Handy-Empfang hat, z.B. Enkhuizen. Soweit so gut, die Kollegin hatte schon vorher angefangen und ist mit ihrer Aufgabe wohl nicht zurecht gekommen, was zu diversen SMS-en und Telefongesprächen geführt hat. Zu schlechter Stimmung an Bord, weil wir nun nicht an einem ruhigen Platz lagen um 13:00, sondern gerade im Navidukt, jenem Wasserbau-Wunderwerk , das oberirdisch Schleuse, unterirdisch Schnellstraße und im Nebenamt noch Teil des Dammes zwischen Ijssel- und Markermeer ist. Nach der Schleusung Sabine wieder unter Deck und weitertelefoniert. Aus Schleuse raus, Wind inzwischen Süd 5, Sabine (an Deck): Zuviel Wind, ich: Schöner Wind, hab schon gerefft (stimmt nicht, habe das Reffen nur vorbereitet, das Segel liegt ja noch auf dem Baum, Zeisinge sind aber schon raus), Sabine: ich will nicht bei dem Wind. C.: Na gut, was willst du. S.:Fahren wir in den Hafen da. C.: (Unwillig) Na gut. Martha und C.: (Kursänderung. Wind kommt von der Seite, Segel liegt nicht mehr auf dem Baum) (M.,S. und C. in den kleinen Hafen.) (M.,S. und C. liefern Hafenkino) Weil nämlich der Hafen eng ist, die Boxen auch, und offensichtlich aus Platzgründen auch schräg stehen, wodurch sich natürlich der nutzbare Raum zwischen den Heckpfählen verringert.
Fest.
So haben wir Broekerhaven kennengelernt.
Wenige, aber freundliche Vereinsmitglieder. Durch die Enge ist man relativ sicher vor Chartercrews. Und nachdem wir herausgefunden haben, wie man, wenn man das Gelände verlassen hat, auch wieder herein kommt, haben wir auch den Ort Broekerhaven besucht. Dort gibt es ein bemerkenswertes Bauwerk, wie man dergleichen vermutlich nur in den Niederlanden findet. Und dort auch nur einmal, zumindest nur einmal in der elektrischen Ausführung. Das Ding heisst Overhaal und dient dazu, Wasserfahrzeuge von einem Gewässer in ein anderes zu bringen, wobei die beiden auf unterschiedlichen Höhen liegen. Hier beträgt der Unterschied etwa 2.5m Meter. Normalerweise baut man dazu eine Schleuse.

Overhaal in Broekerhaven
Overhaal in Broekerhaven

Hier hat man im späten Mittelalter eine Art Kran gebaut, mit dem kleine Frachtkähne aus dem einen Gewässer gehoben und im anderen wieder abgesetzt wurden. Angetrieben durch zwei Menschen in so einer Art Hamsterrad. Für jeden eines. Und Ende des 19. Jahrhunderts hat man das Ganze mit elektrischem Antrieb nochmal gebaut. Ob der Platz oder das Geld für eine Schleuse nicht gereicht hat oder man das mühsam hochgepumpte Wasser nicht wieder mit einer Schleuse zurück laufen lassen wollte, ist uns nicht klar geworden. Jedenfalls gehört das Ding jetzt zu den technischen Denkmälern der Niederlande.

Overhaal Broekerhaven
Overhaal Broekerhaven

Und das hätten wir ohne den Hickhack am Mittag nie erfahren.

Ein Boot, zwei Tage, drei Städte

Eine Bauernnacht, siehe Bild oben. Nachdem uns der Wind von der Nordsee ins friesische Binnenland vertrieben hat, hat er sich jetzt wieder beruhigt. Also viel Motoren. Viel Segeln wäre aber sowieso nicht drin gewesen, weil man in den Kanälen wegen der Brücken und der vielen Abdeckung nur schlecht segeln kann, vor allem nicht gegen die Windrichtung. Und es teils auch gar nicht darf. Und die Seen sind zwar schön, aber doch so klein, dass man, wenn man alles oben und richtig getrimmt hat, man schon am anderen Ende angekommen ist. Also Motorboot fahren.
Leeuwarden haben wir zügig durchquert. Wirklich zügig, denn um diese Jahreszeit sind die Wartezeiten vor den Brücken noch kurz. Natürlich lohnt Leeuwarden einen Aufenthalt, aber das haben wir vor zwei und vier Jahren schon getan. Neu in L.: Es gibt jetzt, wen man die Innenstadt Richtung Harlingen/Sneek verlässt, einen Einkaufsbereich 76mit z.B. Feinkost-Albrecht und ähnlichen einschlägigen Versorgungseinrichtungen direkt am Kanal. Und einen Anleger davor. Bei bootfahrenden Volke der Niederländer eine nahliegende Geschäftsidee und für uns sehr praktisch. Nicht so praktisch: Wir sind praktisch die ganze Strecke bis Sneek unter Motor gefahren, obwohl sogar Wind war. Wegen der Enge des Kanals nur mit der Genua, die kriegt an schneller weg wenn es nötig wird. Aber sobald das Segel stand, kam entweder eine Kurve direkt in die Windrichtung, oder eine Kurve mit Brücke direkt dahinter, oder sonst ein Hindernis. Wir haben es aufgegeben und Diesel verfeuert.
Sneek, oder Snits, die Stadt im Herzen der Friesischen Seen. Wichtiger Sitz dessen, was vom niederländischen Yachtbau noch übrig geblieben ist. Und mit sehenswerter Altstadt. Sneek war wohl in seiner Glanzzeit recht reich und als einzige friesische Stadt auch ummauert. Wobei, sagt uns der Fremdenverkehrsprospekt, die Mauer und die zahlreichen Tore gar keinen militärischen Zweck hatten. Sie dienten nur der Disziplinierung der Einwohner – um 8 geht das Tor zu – und der Darstellung nach aussen. Von der Mauzer ist nicht erhalten, von den zahlreichen Stadttoren nur eines, eines der ursprünglich 2 Wassertore.

Wassertor Sneek
Wassertor Sneek

Wehrhaft sieht es nicht aus. Was noch? Ein großes Textil-Handelsunternehmen, im Deutschland mitunter als Clotten-August bezeichnet, wurde hier gegründet. Ein bekannter niederländischer Kräuterschnaps, Beerenburg (sprich -bürch) wurde hier erfunden und verkauft. Wir haben ein Fläschchen in dem noch existierenden Laden erstanden. Oben, unter dem Dachboden gibt es ein kleines Museum – oder ist das eine Werbeabteilung. Man darf, theoretisch, alle Produkte probieren. Praktisch geht das selbst dann nicht, wenn man spät damit anfängt. Man würde den Laden wohl nicht mehr aufrechten Ganges verlassen können. Wir waren kurz nach Ladenöffnung dort, weil wir ja noch weiter wollten. So haben wir denn auf die Probierstunde verzichten müssen, Fahnen gehören an den Mast oder ans Heck und nicht ins Gesicht der Besatzung.
Vom unseeligen Wirken unserer Vorfahren in Sneek sagt der Fremdenverkehrsprospekt nichts. Das kann man aber in Wikipedia nachlesen.
Weiter unter Motor auf den Kanälen bis Lemmer.
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Wichtiges Zentrum der Ijsselmeer-Tourismusindustrie und Heimathafen viele Charterboote. Leider einige dabei, bei denen es mir schon unangenehm ist, das die Besatzung meine Sprache spricht. Ich kann es nicht ändern, aber es war gerade mal wieder so. Im Moment würde ich mir sehr wünschen, dass die niederländische Polizei mehr Alkoholkontrollen macht. Besonders bei deutschen Charterern großer Motorboote.