Reise an das Ende der Welt

Immer noch Rönneby. Nach dem Sturm die Ruhe nach dem Sturm. Gegen Abend völlige Windstille. Und dann, mitten in der Nacht, das Geräusch eines nahenden Flugzeugs und, in 3 Sekunden von 0 auf 100, eine Bö, wie sie alle Jahre einmal vorkommt. Wir haben uns Sorgen gemacht, dass irgend etwas nachgibt. Weniger die Leinen, aber die sehr sparsam ausgelegten Ausleger am Steg, an denen sie festgemacht sind. Hat alles gehalten. Nach einer weiteren Bö dann das zugehörige Gewitter mit Blitz und Donner. Wie die Böen, kurz, aber heftig.
Am nächsten Morgen konnten wir uns leider nicht einigen, wie die Wetterberichte für den heutigen Tag zu interpretieren seien. Im Ergebnis haben wir Utklippan, die beiden Schären mit dem Hafen und dem Leuchtturm vor der Südküste nicht angelaufen, sondern sind im Schutz der Karlskrona-Schären geblieben. Im Nachhinein: Schade.
Karlskrona selbst haben wir auch ausgelassen. Darf man das? Eigentlich nicht, es ist eine der interessanteren Städte in Schweden.

Angelegt als Marinebasis vom schon erwähnten Erik Dahlberg im 17. Jahrhundert, ist es in großen Teilen noch mit der ursprünglichen Bebauung erhalten. Vieles dort ist Weltkulturerbe. Allerdings kannte Sabine Karlskrona von unserem letzten Besuch hier, und ich war damals, in den heroischen Zeiten, als ich noch in die Rentenkasse eingezahlt habe, des öfteren in Karlskrona.
Zu Einzelheiten verweise ich hiermit wieder auf mein beliebtes Standardwerk.

Fort vor Karlskrona

Karlskrona hat seine Rolle als Haupt- und Zentralbasis der schwedischen Marine bis heute behalten. Und uns das auch gezeigt.

Karlskrona ist immer noch Marinestadt

Aus dem Archipel von Karlskrona gibt es eine Ausfahrt Richtung Osten, Richtung Kalmarsund. Die allerdings nur für kleine Fahrzeuge geeignet ist. Also für uns. Dort liegt der Ort Torhamn. Mit zwei Häfen. Der neue, Sandhamn am Kalmarsund, für die Fischerei und Torhamn Hamn auf der Schärenseite für die Lustschifffahrt. Laut Handbuch passen hier, zusätzlich zu den zahlreichen Motorbooten der Einheimischen, etwa 10 Yachten rein. Wurde offenbar geschrieben, als die Yachten noch kleiner waren oder die Skipper besser damit umgehen konnten. Ist bei den Yachten ein bisschen wie bei den SUVs, werden immer größer und die Fahrer können mit den großen Dingern nicht umgehen.

Auch zu Torhamn gehört der südöstlichste Punkt Schwedens. Zumindest Festlandschwedens. Denn ein paar Unentwegte hören nicht auf, der Ostsee auf den vorgelagerten Inselchen Widerstand zu leisten. Und natürlich liegt da draußen noch Utklippan. Man braucht ja noch Ziele für später.

 

Der Charon von Karön

Mitunter gibt es bei uns einen Wettbewerb, wer denn, je nach Interessenlage, das bessere oder schlechtere Wetter liefern kann. Kann man ja durch Auswahl der passenden Quelle beeinflussen,und jeder hat da so seine Favoriten. In einem allerdings sind sich heute und für dieses Vorhersagegebiet alle einig: Es ist sehr windig und böig und der Wind kommt aus Nordost. Windfinder sagt 5 mit Böen 7. Mein Nasensensor sagt 7 mit Pause, wo`s dann nur 5 hat. Beim Regen scheiden sich die Geister, laut Windfinder regnet es gerade, laut Nasensensor regnet es nicht nur nicht, es scheint sogar die Sonne. Ist allerdings alle paar Minuten anders, so dass wir auch nicht Willens sind, unsere
¨2 ST HOPFÄLLBARA MINICYKLAR¨ zu aktivieren. So abgeschrieben von einem Verkaufsangebot, das hier am Steg angeschlagen ist. Die Aussicht, mitten auf der Strecke zwischen Rönnebyhamn und Rönneby einen Schauer abzubekommen hält uns an Bord.
An dieser Stelle hallt, während ich tippe: ¨Gut, dass wir nicht unterwegs sind¨ durch`s Schiff. (Naja, es hallt nicht, so groß ist das Boot nicht. Das ist dichterische Freiheit.)
Damit Rönneby nicht ganz ausfällt, zitiere ich aus meinem Standardwerk ¨Ostsee in Scheiben¨. Ich darf das, ich gebe nämlich die Quelle an und habe alle Rechte am Text. Bin ja kein Politiker. Wobei ich noch zwei Tippfehler korregieren konnte – man kann das, was man selbst geschrieben hat, lesen bis der Arzt kommt, man sieht immer nur das, was man meint, geschrieben zu haben. Nicht das, was da steht. Zitat:

¨Am Mittag des nächsten Tages geht’s weiter nach Rönneby, oder besser zum Yachthafen von Rönneby. Der besteht aus zwei Teilen, einem größeren auf dem Festland und ein paar Liegeplätzen auf der Insel Karön, dazwischen ein durchaus überschaubarer Streifen Ostseewasser. Bei Ostwind, und den haben wir gerade, läge man auf Karön wahrscheinlich um etliches ruhiger, wäre aber natürlich immer auf die kleine Fähre angewiesen. Die verkehrt nach Bedarf und wird vom Hafenmeister so nebenher bedient. Wir bleiben auf der Festlandseite und lassen uns ein bisschen schaukeln.

Die Stadt selber liegt ein Stückchen landeinwärts, und wir suchen sie lieber mit dem Fahrrad auf. Auch wenn der wie üblich freundliche Hafenmeister – man muss das mal erwähnen, denn bei uns gibt es ja auch andere – meint, man solle da doch mit dem Dinghy hin. Das ist uns aber zu viel Aufwand, und der Weg am Kanal entlang zeigt uns dann auch, das wir da Recht hatten.

Rönneby ist gut zur Versorgung, es gibt eine kleine Altstadt und einen großen Kurpark. Es gibt eine alte Kirche mit der Erläuterung, siehe Schilder, dass dort Anno 1564 im Verlaufe eines der zahllosen Kriege zwischen Dänen und Schweden die, damals noch dänische, Bevölkerung in der Hoffnung auf Schutz in diese Kirche geflohen ist und dann dort von den schwedischen Landsknechten niedergemacht wurde. Kriegsverbrechen sind offenbar auch keine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Und die Dänen und Schweden leben irgendwie heute noch in dem Spannungsfeld zwischen nordischer Solidarität und Erbfeindschaft.

Zusammengefasst: Netter Hafen, Stadtgang kann sein, aber wenn nicht, ist es meines Ermessens auch zu verschmerzen – wenn man kein passionierter Freund von Kurorten ist.¨

Nächste Bö: ¨Ach wie schön dass wir nicht auf Ex-, Ek- , Ägg-, äh,  -öen sind.¨ Stimmt, aber da wären wir jetzt auch nicht mehr.
Das einzige Fahrzeug, das sich hier zur Zeit noch vorwärts bewegt, ist die kleine Fähre die nach Karön über den Sund fährt.

Fähre : der Charon von Karön

Drüben wohnen ein paar Leute, es gibt weitere Liegeplätze und ein zweites Restaurang, dass aber offensichtlich zum Restaurang auf dieser Seite dazu gehört. Oder zumindest die Werbung abstimmt.

Die Lotsenschäre fällt aus

Die Wettervorhersage sieht, oder sah, denn die für heute ist ja nun keine Vorhersage mehr, so aus: Heute NO 4, Böen 6, morgens Regen, mittags etwas Sonne, abends bedeckt. Nachts Regen. Morgen das Ganze nochmal, aber mit 5, Böen 7. Für heute hat es gestimmt.
Da man in den Schären nur segeln kann, wenn der Wind aus der richtigen Richtung kommt, kreuzen geht hier nicht, haben wir uns entschlossen, auf den erfreulichen Teil des Wettergeschehens zu warten und sind dann unter Motor durch die Schären Richtung Ost. Also gegen den Wind. Abfahrt gegen 13 Uhr, da hatte es aufgehört zu regnen und wurde richtig warm, innerhalb weniger Minuten.
Im Bereich des, oder der, Schärengürtel sind in den Seekarten Wege vorgeschlagen. Diesen sollte man als Ortsfremder auch folgen, denn wenn man hier vom rechten Wege abkommt, hat man wirklich ein Problem. Und die Sache erfordert Aufmerksamkeit, die problematischen Stellen sind zwar mit Seezeichen markiert, aber die Obrigkeit neigt hier dazu, bei der Dimensionierung der Tonnen zu sparen. Und eine grüne Tonne vor grünem Wald auf grünem Wasser ist nicht immer wirklich gut aus größerer Entfernung zu sehen. Siehe Bild oben.

Lotsenhafen Stora Ekön, zuviel Wind aus der falschen Richtung

Wären gerne wieder nach Stora Ekön, der Lotsenschäre. Früher stand da die Lotsenstation von Rönneby drauf, und die Insel ist immer noch im Besitz der Gemeinde. Heute ist sie öffentlicher Schutzhafen, oder manchmal auch Fetenhafen. Die Infrastruktur ist einfach, aber ausreichend. Allerdings müssen die Lotsenboote sehr klein gewesen sein, in den Hafen käme selbst eine so kleine Yacht wie unsere Martha nur mit Mühe. Man liegt mit Heckanker außen an der Hafenmauer. Oder eben auch nicht. Denn der frische Wind hat uns überzeugt, das Projekt ¨Stora Ekön¨ aufzugeben und in den Yachthafen von Rönnebyhamn weiterzufahren. Und damit es noch ein bisschen spannend wird durch die Hintertür. Eine, siehe oben, in den Karten ausgewiesene Strecke, die aber wirklich nur für kleinere, und vor allem flachgehende Boote in Frage kommt. Da sind wir mit unseren wattgängigen Fahrzeugen gegenüber den Schweden klar im Vorteil.

Rönnebyhamn, Hintereingang

In Rönnebyhamn zahlt man sein Hafengeld im Restaurang (das schreibt man hier so) am Hafen. Wenn denn da jemand wäre. Türen zu, Stricke vor allen Eingängen. Sieht so aus, als hätte die Saison noch nicht begonnen. Oder man rechnet nicht damit, dass ein paar arme Irre bei diesem Wetter unterwegs sind.
So ist es schön ruhig hier, und der Wind kommt genau von vorn.

Eckig, praktisch, geradeaus

Gestern ist Hanö deutlich zu kurz gekommen. Eine Hälfte war nach anstrengender Seefahrt, wir haben uns am Schluss halbstündlich am Ruder abgewechselt, nicht mehr willens, noch weit zu laufen. Die andere Hälfte wollte nicht allein laufen. Nun waren wir schon vorher auf Hanö, und das meiste, was gut zu erreichen ist, haben wir schon besucht. Für heute war Regen vorhergesagt, und einige Dinge wurden an Bord langsam knapp. Vor allem die schwedischen Kronen, die man ja doch noch in materieller Form braucht. Also heute nur nach Karlshamn, der nächstgelegenen Stadt, die groß genug ist, auch einen Geldautomaten oder zumindest eine Bank zu beherbergen. Tut sie auch.
Im 17. Jahrhundert als Hafenstadt angelegt, natürlich von einem Karl, hier Karl X Gustav. Schwedische Könige tragen ja nach der Nummer noch den Namen des Vaters, ganz analog zum alten patronymischen Namenssystem. Familiennamen sind hier eine relativ neue Einrichtung.
Als systematisch geplante Stadt hat Karlshamn Ähnlichkeit mit Karlskrona – nicht gleicher Karl, aber gleicher Stadtplaner: Erik Dahlberg. Schnurgerade Straßen, die sich im rechten Winkel kreuzen, und ein überdimensionierter Platz im Zentrum, an dem auch Rathaus und Kirche stehen. In Karlshamn eine, gleich mit Friedhof. In Karlskrona zwei. Dahlberg war in Schweden etwa das, was Vauban in Frankreich war, der Meister der Festungsanlagen und Stadtpläne.(1)

Karlshamn, Stadtplan Dahlberg: Rechteckig, praktisch, geradeaus

Damals, im 17. Jahrhundert war Schweden ja noch eine Großmacht und konnte feste investieren. Später, im 19., haben viele das Land verlassen, das nun nicht mehr zu den wohlhabenden gehörte. Und von diesen vielen Emigranten sind wiederum viele über den Hafen Karlshamn emigriert.
Heute gibt es hier ein Auswandererdenkmal, und Karlshamn ist auch Endpunkt einer Auswandererstraße. Etwa eine Million Schweden ist aus wirtschaftlichen Gründen ausgewandert, etwa zwischen 1860 und 1930. Eine ganze Menge, wenn man bedenkt, dass es heute etwa 10 Millionen gibt, damals werden es auch nicht mehr gewesen sein.
Der Stadthafen von Karlshamn ist heute bemerkenswert unattraktiv, so unattraktiv, das dort auch keiner lag. Dafür sind die kleinen Häfen vor der Stadt umso schöner. Bewertung natürlich aus der Sicht der Lustschifffahrt.

Einfahrt Vägga Fiskehamn bei Karlshamn

Karlshamn ist auch der westliche Eingang in den Schärengarten von Karlskrona. Da geht´s weiter, wenn das Wetter es erlaubt, bzw. wenn das Wetter so ist, dass es Spaß macht.


(1) Erik Dahlberg war auch für die Befestigungs von Bremen und sogar Nienburg/Weser verantwortlich.

Die Zerstörung der …

Bornholm haben wir liegen gelassen. Nicht dass wir es hätten mitnehmen können, aber wenn das Wetter es zugelassen hätte, wären wir gerne Ystad – Bornholm Ostseite – Christiansö, alias Erbseninseln – Utklippan – Karlskrona gefahren. Dazu muss man aber handiges Wetter haben, besonders für den Abschnitt Christiansö-Utklippan. So ist das Wetter aber leider zur Zeit nicht.
Also Ystad-Simrishamn. Der größte Vorzug von Simrishamn ist, aus Sicht des segelnden Volkes, dass es da liegt, wo Simrishamn eben liegt, und dass es einen Hafen hat, der bei Wind aus jeder erdenklichen Richtung sicher angelaufen werden kann. Früher war es ein bedeutender Fischereihafen, heute ist es nur noch ein Fischereihafen. Früher gab es auch Fähren von hier nach Bornholm. Entsprechend großzügig sind die Hafenanlagen. Auch wenn sie heute nicht mehr so instand gehalten werden, wie das für eine Fähre benötigt würde, für Yachties reicht es alle Mal.
Eine überregionale Sehenswürdigkeit wäre Glimmingehus, das ¨älteste profane Gebäude und die besterhaltene Burg Schwedens¨ (Knaur).Haben wir nicht gesehen, weil 10 Km (eine Meile schwedisch) entfernt. Soll auch, wenn man dem bekanntesten Geographie-Lehrbuch Schwedens glauben mag, ein Rattenproblem haben. (Aussage Lagerlöf)
Zwei, drei Straßenzüge in Simrisham sind ganz nett, man fragt sich nur, wo denn die knapp 20000 Einwohner leben. Wahrscheinlich im Umkreis von etlichen schwedischen Meilen um den Stadtkern.
Nächster Tag, beginnt mit Zerstörungen. Erst fällt Sabine ein Teller in die Spüle. Sauber geteilt in 2 Hälften. Glück im Unglück: Es war der sowieso schadhafte. Dann nehme ich den Motorschlüssel aus dem Kartentisch. Der ist um 45 Grad geknickt. Bei dem an sich schon sinnlosen Versuch, ihn gerade zu biegen, bricht er ganz ab. Wenigstens nicht im Schloss, und wir haben einen Ersatzschlüssel. Genau einen. Genug der Pannen für heute.

Hafen Simrishamn

Abfahrt: Von Simrishamn nach …? Das haben wir uns gefragt. Der Wind war mit Südwest 5, Böen 6,angesagt. Das ist für uns noch gerade noch handhabbar, wenn wir nach Norden oder Osten oder irgendwas dazwischen wollen. Oder lieber doch nicht? Doch! Aber erst im Schutz der Luvküste probieren, ob´s geht. Es geht. Im erreichbaren Sektor und in angemessener Entfernung liegen von Simrishamn aus Ahus, Sölvesborg, Karlshamn und, ganz eventuell, Hanö. Wobei letzteres ein sehr schönes Ziel ist, möglcherweise heute, zu Pfingsten, aber etwas überfüllt.
Erster Abschnitt parallel zur Küste, dann raus Richtung Ansteuerung Ahus. Vor Ahus liegen Flachs, man muss sich daher einige Meilen von der Küste entfernen, um den Anfang des Nebenfahrwassers in den Hafen zu erreichten. Das ging dann so gut, dass wir uns für das am weitesten entfernte Ziel entschieden haben, Karlshamn. Und dass wiederum war dann zu weit, weil der Wind zeitweise auch weniger wurde, die Wellen aber leider nicht. Dann ist das Steuern fordernd, das Schiff schlingert und die Segel stabilisieren nicht mehr. So ist es dann Hanö geworden, der Hafen direkt am Kurs war zu verlocken. Und, entgegen meiner Erwartung, ziemlich leer. Wir konnten längseits an der Pier festmachen – während der Feriensaison liegt man hier mit Heckanker, damit alle reinpassen.

Hanö, Strand mit Steinen

Unlängst habe ich gelesen, es sei inzwischen in Schweden einfacher, einem Elch zu begegnen als einem Geldautomaten, weil man alles mit Handy bezahlt. Dieses Gerücht ist falsch! Wir sind schon mindestens 3 (in Worten: Drei) Geldautomaten begegnet und noch keinem einzigen Elch. Sabine hat mich überzeugt, einem dieser Automaten wenigstens einen kleinen Betrag zu entnehmen, 200 SKR. Und das war gut so, der Hang zum Bargeldlosen und zum Handy ist auf Hanö noch nicht angekommen. Die Hafenmeisterin wollte Cash, 220 SKR. Da haben wir aber Glück gehabt, bei dem einen oder anderen Bezahlvorgang wird elektronisch genommen, aber in Münzen zurückerstattet. Hat gerade so gereicht, denn hier auf Hanö gibt es weder Geldautomaten noch Elche. Aber Rehe und Hirsche.