Ein Tag, zwei Leute, drei Inseln, vier Häfen

Mittlerweile ist es an der Ostsee, in den Niederlanden und auch in Schweden Pflicht, das man einen Grauwassertank im Schiff hat. Oder zumindest kein Grauwasser in die See einleitet. Wobei “Grauwasser” oder “Schwarzwasser”, schwedisch auch “Septivatten” eine beschönigende Beschreibung für das ist, was landläufig in der Heimat “Schiet” heißt. Aus gegebenem Grunde wollten wir unseren Schiettank bereits in Öckerö leeren lassen. Es gab auch eine Abpumpstation, muss es geben, it’s the law, aber sie pumpte nicht. Suche nach dem Hafenmeister ohne Erfolg. Nachfrage bei einheimischen Hafenbenutzern führte zu der Erkenntnis, das alle wissen, das es seit letztem Jahr eine Entsorgungsstation gibt, aber keiner sie je benutzt hat. Alle waren interessiert, wie das denn nun funktioniert. Ganz einfach: in Öckerö funktioniert es nicht. Wir haben den freundlich-rustikalen Hafen von Öckerö also mit vollem Grauwassertank wieder verlassen.
Marstrand als das Mekka des schwedischen Segelsport kann es sich ja nicht leisten, das sowas nicht funktioniert. Es funktionierte dort denn auch. Allerdings konnten wir uns des Eindrucks nicht erwehren, das jeder, aber auch jeder der schwedischen Boatpeople, die vorbei kamen, interessiert schaute, wa wir denn da so ungewöhnliches machten. Übrgens war die Abpumpstation selbst für schwedische Verhältnisse ungewöhnlich sauber. Den Verdacht, dass sie kaum je benutzt wird, konnten wir nicht vollständig von uns weisen.
Wir haben Marstrand gesehen, sind aber vor dem zu erwartenden Trubel gewichen. Das ist mehr für die jüngeren Generationen, nicht so sehr für uns in Ehren ergrauten Fahrtensegler. Außerdem, wir bekommen Besuch von unserem Enkelkind – von den Eltern natürlich auch – und müssen uns noch einen kleinkindgerechten Hafen ausgucken, denn sie, die Enkeltochter, soll ein paar Tage bei uns bleiben.
Also mit kleiner Beseglung – es ist immer noch recht viel Wind, und die Strecken sind kurz – nach Åstol. Eine kleine, aber sehr dicht besiedelte Insel wenige Meile von Marstrand. “Begehung” von Åstol. Sabine findet Insel und Hafen “niedlich”. Allerdings ist die Insel wirklich zugebaut. 300 Leute wohnen hier, es waren sogar schon mal 500.

Åstol Hafen
Åstol Hafen

Da es gerade mal Mittag ist, schauen wir uns noch die beiden Häfen der Nachbarinsel Dyrön an. Alles nur mit der Fock, reicht völlig aus und erspart uns das Setzen und Bergen des Großsegels. Erst den Südhafen, dann den Nordhafen. Der Südhafen gefällt uns am besten, also wieder dahin zurück.
Alles, Marstrand, Åstol und Dyrön liegt so nah beieinander, das die gesamte Tagesstrecke gerade mal 8 Meilen ausmacht.
Ganz anders als Åstol hat Dyrön nur ein kleines Dorf etwa in der Mitte zwischen den beiden Häfen. Dafür viel Platz, drei verhältnismäßig hohe Berge und sehr schöne Wanderwege.
Von diesen Bergen hat man einen wunderbaren Blick auf die umliegende Schärenlandschaft und auch auf die Nachbarinsel.
Åstol von oben
Åstol von oben

Morgen geht die Suche nach einem kleinkindgerechten Hafen weiter. Das hier bleibt schon mal auf der Auswahlliste.

Nix VIP

Auch wenn die Schären von Göteborg sicher zu den reizvolleren Landschaften gehören, irgendwann will man auch mal weiter. Das liegt so im Segler selbst begründet, er will halt wieder segeln. An der großen Stadt vorbei und in die nördlichen Schären.
Die Göteborger Schären bestehen aus zwei Gruppen, oder vornehmer, Archipelen, den Südlichen und den Nördlichen, getrennt durch die Fahrwasser nach Göteborg selbst. Die südlichen sind die ohne Autos, so wie Donsö und seine Nachbarn, und durch Fähren untereinander und mit dem Stadtkern verbunden. Die nördlichen sind zum großen Teil durch Brücken verbunden und für den Straßenverkehr erschlossen. Wenn auch nicht durchgängig über Brücken, ein paar Fähren sind auch dazwischen. Und sie gehören auch nicht zum Stadtgebiet, sondern bilden eigene Gemeinden. Hauptort der Gemeinde Öckerö ist Öckerö auf Öckerö. Da sind wir jetzt gelandet. Obwohl wir eigentlich noch ein paar Inseln weiter wollten. Aber der Wind war zwischenzeitlich so heftig und vor allem die Sicht war wegen Platzregens so schlecht, das wir den nächsten geeigneten Hafen angelaufen haben. Und da war eben Öckerö. Der Ort ist nicht so wirklich spannend, wenn man von der Insellage absieht.
Was gibt es so aus Öckerö zu berichten? Eine Werft. Eine Seefahrtsakademie. Zwei Häfen, in denen Sportboote festmachen können: Den Fischereihafen, den man sich mit der Werft, den Fischern und vielen Womos teilt, und den Nimbushafen. Letzterer diente früher dem gleichnamigen Göteborger Sportboothersteller als Ausrüstungshafen und wird heute von einem Verein betrieben, der auf seinem Gelände nur Leute haben will, die explizit auf den Genuss geistiger Getränke verzichten. Wir waren im Fischereihafen.
In Schweden ist vieles in den Landesfarben gehalten, das in anderen Teilen der Welt einheitlich anders gefärbt wird. Die Baken an Straßenbaustellen zum Beispiel sind blau-gelb. Auch Verkehrsschilder sind da, wo sie im ganzen restlichen Europa weiß sind, in Schweden gelb. Güterwagen, Plakatsäulen und Zementsilos gibt es hier blau-gelb. Überhaupt ist es immer wieder verblüffend, was man hier alles in blau-gelb oder gelb-blau färben kann. Wie unsere Gastgeber es allerdings geschafft haben, auch dem Himmel diese Farben zu geben, muss noch erforscht werden.

Blau-gelber schwedischer Sonnenuntergang aof Öckerö
Blau-gelber schwedischer Sonnenuntergang aof Öckerö

Nächstes Ziel: Marstrand. Was den Engländern Cowes und den Deutschen Kiel, das ist den Schweden Marstrand: Die Stadt, die vom Segeln lebt. Was sich leider in allen diesen Orten auch in den Preisen widerspiegelt. Marstrand ist wirklich sehenswert, aber auch recht übersichtlich. Keine Autos, überwiegend alte Holzhäuser, darüber eine Festung, und ein sehr reizvolles landschaftliches Umfeld.
Es gibt zwar nicht viel, aber doch mehrere Wege, die auf dem Wasser nach Marstrand führen. Einer davon durch einen Kanal, der sehr den Eindruck macht, als sei er von Menschen durch die Schären gegraben und gesprengt worden. Was angesichts der Vergangenheit von Marstrand als Festungsstadt ja auch nicht ganz unwahrscheinlich ist. Bislang habe ich noch nichts dazu gefunden, trotz der schönen schwedischen Sitte, interessante Dinge durch Schilder zu erklären. Der Status der Festung wurde übrigens bis in die 1990-Jahre aufrecht erhalten, erst da wurde Marstrand aus der Liste der befestigten Orte gestrichen – hatten wir sowas nicht gerade weiter südlich ?
Marstrand-Kanal
Marstrand-Kanal

Uninformiert in sportlichen Dingen, wie der Skipper nun mal meistens ist – er schämt sich noch nicht mal dafür – hat er nicht mitgekriegt, das hier ab Morgen die “World Match Racing Tour” anfängt.
Match-Racer beim Training
Match-Racer beim Training

Wir müssen morgen früh den Steg für die “VIP”-Boote freimachen, zu denen wir unverständlicherweise nicht gehören. Es werden 15000 Tagesgäste erwartet, wobei wir uns nicht vorstellen wollen, wie die hier gestapelt werden könnten – vermutlich in gemütlichem Körperkontakt. Und wir werden morgen früh das Weite suchen und auch finden. Auf einer der Inseln ein paar Meilen weiter nördlich.