Tief drinnen und lang her

Donnerstag, Mommark

Es war windarm. Und es war neblig, oder hat leicht genieselt, oder beides.

Trotzdem los. Der Wind hat sich dann ganz brauchbar entwickelt. Zwar weiter aus Norden, aber genug zum Segeln. 34 Meilen Strecke bei schwachem Wind aufgekreuzt. Es erfreut das Seglerherz, ist allerdings dem Rest der Menschheit völlig wurscht. Daher nur das Resume: Abends auf Aarö. Noch nicht viel los hier. Die Kinderbespaßungsinfrastruktur  liegt noch darnieder, im Yachthafen besteht kein Mangel an freien Plätzen. Und gegen Abend setzt auch der Nieselregen wieder ein und hat uns an Bord festgehalten.

Ende des Donnerstags.

Freitag: Ortsbegehung Aarö-Dorf. Dänisch-heimelig und übersichtlich. Gut an die große weite Welt angebunden, weil die kleine Fähre ständig hin und her pendelt und die Fahrzeit auch nur ein paar Minuten beträgt.

Wetter: Eher frisch. Selbst die Enten prüfen, ob das Wasser nicht doch zu kalt ist.

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Die Enten prüfen die Wassertemperatur

Plan für heute: Nach Haderslev. Dahin führt von der Ostsee der Haderslev Fjord. Auf der Karte sieht der fast aus wie ein Kanal. In Wirklichkeit ist er aber doch sehr viel schöner. Fast wie ein Fluß und noch sehr unverbaut. Etwa neun Meilen, also 18 Km lang, teils durch Wald und unter hohen Ufern. Ein bisschen wie eine kleinere Ausgabe der Schlei.

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Irgendwo auf dem Haderslev Fjord

Und am Ende eben Haderslev, auf Deutsch auch Hadersleben. Eine Stadt mit ca. 20 000 Einwohnern, mit allen Eingemeindungen fast das dreifache. Viel erhaltene alte Bausubstanz, sehenswert. Flächenmäßig fast dreimal so groß wie Bremen. Auch Aarö z.B. gehört dazu. In seiner Glanzzeit Residenz der Schleswiger Herzöge und drittgrößte Stadt des Herzogtums. Wie alt die Stadt genau ist, weiß man nicht, denn bei ihrer ersten urkundlichen Erwähnung war sie schon groß – nach den Maßstäben des 13. Jahrhunderts jedenfalls.

Wir haben uns auf einen Rundgang durch die Innenstadt beschränkt, und den dann auch beendet, weil der Nieselregen wieder einsetzte, auf den wir, leichtsinnigerweise, kleidungsmäßig nicht vorbereitet waren.

Haderslev soll aber unter anderem etliche sehenswerte Museen haben. Und ist einerseits das Zentrum der deutschen Minderheit in Nordschleswig/Südjütland (Wortwahl je nach Nationalität). Andererseits ist die Schleswig-Holsteinische Frage und der damit verbundene Krieg hier offenbar durchaus noch im Bewußtsein. Bei uns ist das ja eher vergessen. Die Codenummer für’s Klo kann man sich jedenfalls mit etwas Geschichtskenntnis gut merken. Und als ein Bürgermeister vor ein paar Jahren ein zweisprachiges Ortsschild aufstellen ließ – ohne Rücksprache mit dem Rat – da wurde erst das Schild ramponiert, dann abgerissen, und dann der Bürgermeister aus dem Amt entfernt.

Das tut ja aber dem Stadtbild keinen Abbruch.

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Alte und nicht ganz so alte Häuser in Haderslev

Und an nationalistischen Wirrköpfen herrscht ja auch bei uns kein Mangel. Jedes Land muss mit denen leben, warum nicht auch die Dänen.

Kurztrip

So ruhig war der Abend auf der Lotseninsel dann auch wieder nicht. Erst legte am Anleger für die Ausflugsdampfer ein Großsegler mit niederländischer Flagge, deutschem Kapitän und jugendlichen Passagieren an. Entgegen unseren Erwartungen haben letztere, altersuntypischer Weise, aber nur sehr begrenzt die Ruhe gemindert.

Allerdings hat die Gästeschar der Giftbude dann gegen Abend, unterstützt durch die Hafenmeisterin, maritimes und heimatliches Liedgut zum besten gegeben. Der heimatkundliche Teil hatte dabei, bedingt durch die Herkunftsorte der beteiligten Künstler und -rinnen eindeutig Schwerpunkte im bayrischen und im Hamburger Raum. Das Instrumentarium – Akkordeon, Stimmen in unterschiedlichen Lagen, Sopransaxofon – entsprach nur teilweise den Standards des Genres, und der Saxofonist musste sich teils, mangels einschägiger Repertoire-Kenntnisse, auf seine Auffassungsgabe, oder Imitationsvermögen, verlassen. Scheint aber von den Anweseden keinen gestört zu haben, und die anderen Gäste der Insel haben sich nicht beschwert. Ist ja schon mal was.

Und heute? Es segelte zwar wieder in uns, allerdings erst ab Mittags, nach dem es zu regnen aufgehört hatte. Aber es segelte mit uns nicht besonders weit. Denn der Wind, Nachts noch kräftig, schwächelte, und wehte außerdem aus Norden, also aus der Richtung, in die wir wollten. Und auch sind. Nur eben nicht soweit, bis Mommark auf Als.

Auf Mommark waren wir unlängst schon mal. Also so etwa vor 20 Jahren. Da fuhr da noch eine Fähre ein und aus. Die war so groß, oder besser, der Hafen war so winzig, dass deren Heck beim Drehen immer über unser Achterschiff schwenkte, so knapp am Achterstag vorbei. Die gibt es nicht mehr. Dafür jede Menge Dauercamper-Stellplätze. Ein bisschen hat der Charme von Mommark darunter gelitten, dafür ist die Angst weg. Die wegen der Fähre.

Hafeneinfahrt Mommark
Hafeneinfahrt Mommark

Morgen soll leider wieder wenig Wind sein, und der wieder aus Norden.