Auf und ab?

Von Endelave nach Ballen auf Samsö. Ballen liegt auf der Ostseite, und weil für die Nacht reichlich Wind aus westlichen Richtungen angesagt war, schien uns das günstiger. Außerdem wurde uns auf Endelave gesagt, in Ballen sei alles neu und toll und so.  Eigentlich so richtig neu war’s nicht, entweder war’s vorher furchtbar oder die Aussage war doch schon ein paar Jahre älter.

Der Yachthafen wirkt so, als habe er ursprünglich der Fischerei gedient, und einige der Fischereifahrzeuge haben wohl die Transformation mitgemacht und liegen jetzt als „Projekte“ im Hafen. Soll heißen, als Baustellen, von denen man nicht weiss, ob sie je fertig werden. Wo sonst sieht (und riecht) man heute noch ältere Seeleute beim Teer kochen? Ansonsten sind die Stege gewachsene Infrastruktur, heißt verwinkelt. Was einerseits gut fürs Ambiente ist und andererseits auch für Hafenkino sorgt.

Ballen als Ort ist recht übersichtlich, als wir einem Schild zum Zentrum gefolgt sind, waren wir schnell wieder an dem Lebensmittelgeschäft (Dagli Brugsen) am Hafen, von dem aus wir die Suche gestartet hatten. Mit den Rädern in die „Inselhauptstadt“ Tranebjerg (ca. 800 Einwohner). Der Name soll Kranichberg bedeuten, zumindest um diese Jahreszeit wären auch andere Erklärungen einleuchtend. Überhaupt ist der Teil der Insel, den wir beradelt haben, weit mehr von der landwirtschaftlichen Nutzung als z.B. dem Tourismus geprägt. Samsö rühmt sich, bei der Energieversorugung nicht nur autark zu sein, sondern sogar 40% der erzeugten Energie zu exportieren. Der Berichtende fürchtet aber, dass die Statistik da etwas geschönt sein könnte. Oder fahren die Trecker hier mit E-Diesel? Es riecht nicht so. Aufgrund des kühlen und vor allem windigen Wetters haben wir unseren Aktionsradius leider etwas begrenzen müssen auf nur zwei Sehenswürdigkeiten: Eine Bockmühle und die „heilige Quelle“ Ilsemade Kilde

Die befindet sich an der Westseite von Samsö in nur etwa 8 Metern Entfernung von Seewasser und spuckt tatsächlich Süßwasser aus – wenn man den Begriff Süßwasser eben nur als Gegensatz zu Salzwasser benutzt. Habe ein winziges Schlückchen genommen: Schmeckt penetrant nach uralter Eiche und nicht salzig. Die jetzige Quelle soll ursprünglich ein Brunnen gewesen sein. Die „Quellfassung“ besteht aus einem ausgehöhlten Eichenstamm, der nach C14-Datierung etwas 500 v. Chr. gefällt wurde. Nun haben wir ja gelernt, dass hierzulande der Boden sich hebt (skandinavische Landhebung), weshalb z.B. der Kanal, der im frühen Mitttelalter durch die Insel gegraben wurde, heute hoch und trocken liegt. Andererseits liegt der Dorfbrunnen an der Wasserkante. Wie geht dass denn, geht’s hier immer rauf und runter?

Natürlich gibt es zur Quelle auch eine Legende, die mit im Wikipedia-Artikel, siehe Link oben, steht. (Was da nicht mit drin steht, ist, dass mehrere Kirchen  in Frage gekommen wären und nur eine die Leiche und das wertvolle Kreuz bekommen konnte. Womit die Legende wohl ein erster Linie der Besitzstandsicherung von Onsbjerg dienen dürfte.)

Leider wurde unser Aufenthalt auf Samsö ungeplant verkürzt, weil Sabines Handy plötzlich und unerwartet jeglich Arbeit eingestellt hat und wir keine Chance sahen, es hier zur reparieren oder notfalls zu ersetzen. Wir sind also in die nächste große Stadt, nach Aarhus, wo wir uns im Moment noch befinden, ohne allerding der Lösung des Handyproblems näher gekommen zu sind. Da merkt man, wie man mittlerweile von den Dingern abhängig ist.

Es hoppelt

Von Bogense nach Endelave. 3-4 Bft waren angesagt, 0 wurden von uns beobachtet. Anfangs spiegelglatte See, wie man sie an der Nordsee eigentlich nie findet.


Endelave liegt im Kattegat, so etwa in der Mitte zwischen dem Südteil von Samsö und der jütländischen Küste. Um Endelave erstrecken sich ausgedehnte Flachs, weshalb man als segelndes Volk ein paar Umwege machen muss.
Endelave ist ca. 12 Quadratkilometer groß und hat etwa 160 Einwohner. Zum Vergleich: Norderney ist etwa doppelt so groß, hat aber 6000 Einwohner. Es gibt hier also noch viel Platz für die Landwirtschaft.
Da es hier noch Tide gibt, wenn auch nur ein paar Dezimeter, fallen Teile der umgebenden Flächen trocken. Für ein richtiges Watt reicht es nicht, aber immerhin „tidal area“ unter Naturschutz. Der segelnde oder anderweitig Boot fahrende Mensch merkt es auch daran, dass es manchmal vom Steg zum Boot rauf und manchmal runter geht. Kattegat ist eben nicht richtig Ostsee und nicht richtig Nordsee. Im deutschen Seewetterbericht heißt es „Aussichten für die Ostsee einschließlich Sagerak und Kattegat“, für die Schweden ist es die Westsee. Und hier eben das Kattegat (sprich „Käddegät“).
Übrigens scheint auch Endelave an den notgedrungenen technischen Neuerungen der 40er Jahre teilgehabt zu haben, denn auch hier gibt es einen Betonturm, der genauso aussieht wie der in Bogense. Nur ohne erklärendes Schild, dafür aber mit reichtlich Antennen bestückt.
Und dann die Kaninchen. Irgend ein Ahnungsloser soll irgenwann mal zwei Kaninchen verschiedenen Geschlechts auf die Insel gebracht haben. Ganz offensichtlich haben die hier keine natürlichen Feinde, außer dem Waffen tragenden Menschen. Wie wir lesen konnten, werden auf Endelave mehr Kaninchen „dem Bestand entnommen“ als im gesamten Rest des dänischen Königreichs. Und trotzdem sind sie überall. An Stellen, wo man wirklich keine sieht, werden dann auch schon mal Blechschilder in Kaninchenform aufgestellt. Die Rundwanderwege sind den auch als blauer, grüner und roter Kaninchenweg ausgewiesen.
Da könnte die eine oder andere heimische Insel doch auch aus der Not eine Tugend machen und ihre Kaninchen auch entsprechend vermarkten, oder?

Bei der Anfahrt über die Flachs vor dem Hafen folgte uns übrigens ein Segelboot, das noch kleiner war als unseres – gibt’s noch. Am Abend haben wir uns dann unterhalten. Die meinten, wenn wir durch kämen, kämen sie auch durch. Mussten aber dann feststellen, das wir als Nordseeschiff 30 cm weniger Tiefgang haben. Macht aber nichts, die Fähre kommt auch durch, die geht bei ihrer Größe vermutlich noch tiefer.