Ganz unidyllisch

Mit konstanter Boshaftigkeit wehte der Wind aus Süden. Kurs ist ja die Richtung, in die man will und aus der der Wind kommt. Wir sind also nach Süden gekreuzt und haben dann am Nachmittag beschlossen, welchen Hafen wir anlaufen. Man hat im Kalmarsund, besonders im engen Teil, ja die Auswahl zwischen Festlandsküste und Öland. Es wurde dann wieder Kalmar. Färjestaden gegenüber waren wir zwar noch nie, aber erstens bestand Versorgungsbedarf und zweitens sieht Färjestaden im Hafenhandbuch auch nicht so aus, als ob man da unbedingt hin müsste.


Die letzten Meilen vor Kalmar haben sich dann etwas gezogen, weil nicht nur der Wind kräftig von vorn wehte, sondern ein beträchtlicher Strom nach Norden setzte. Das ganze in Bewegung gesetzte Wasser des doch recht großen Kalmarsundes muss ja durch das enge Loch vor Kalmar und unter der Brücke.   Auf der  Landkarte sieht das zwar nach einer weiten Wasserfläche aus, auf der Seekarte sieht man aber, dass dort auf großen Teilen die Möven zu Fuß gehen können, ohne am Bauch nass zu werden.

Das einzige Handelsschiff, das wir im Kalmarsund getroffen haben


Unter Motor genau gegen den Wind, da schaffen wir bei der Drehzahl normaler Weise 5 1/2 Konten, hier waren es nur 2 1/2. Das gleiche Gefühl, wie wenn man bei uns die Tide verpasst hat. 

Nach Versorgung und Übernachtung weiter nach Süden, mit der gleichen Taktik: erst nachmittags schauen, wie weit man kommt.

Es wurde Degerhamn. Da waren wir noch nie. Und das gilt vermutlich nicht nur für uns. Nach Degerhamn fährt kaum ein Yachti. Es sei denn, er hätte dort seinen Heimathafen, und das sind nicht viele. Aber jeder, der in dieser Gegend unterwegs ist, weiß, wo Degerhamn liegt: Da, wo das Zementwerk weithin sichtbar vor sich hinstaubt und qualmt. Dank der schönen Einrichtung der schwedischen Industrieferien – in der Urlaubszeit ruht alles – tat es das aber nicht, als wir dort waren.
Tatsächlich ist der Hafen von Degerhamn ein Industriehafen, der anscheinend nur für das Zementwerk da ist. Der Yachthafen, ausgewiesen mit dem blauen Gästehamn-Schild ist ein ganz kleiner Wurmfortsatz ganz am Ende. Wie klein er wirklich ist, haben wir aus dem Hafenhandbuch nicht so recht erkannt.

Innen ein paar Plätze an Auslegern, die von Einheimischen belegt sind. Außen Plätze mit Heckbojen für Gäste, die aber bei kräftigem Südwind nicht sehr verlockend sind,
Der Empfang war herzlich und der Service vollständig. (Strom, Klo, Dusche. Klubhausraum mit Küche wäre auch da gewesen.)
Ein wirklich niedlicher Hafen – wäre da nicht das Zementwerk.

Degerhamn gilt als das „industrielle Zentrum Ölands“. Da in Schweden ja Kalkstein in nennenswerten Mengen nur auf Gotland und Öland vorkommt – die bestehen fast nur daraus – ist man ja bemüht, beide Inseln durch die Öfen zu schieben. Kann aber noch ’ne Weile weiter gehen, ist noch viel da.

Noch idyller

Die Hitzewelle hat nun auch Schweden erreicht. Solange man auf dem Wasser ist, stört das aber nicht.
Sandvik hatten wir als Tagesziel ausgesucht, weil es etwa die richtige Entfernung für die ungünstigen Windverthältnisse war – wir haben nach wie vor Südwind, und davon meist recht wenig, nur am Nachmittag legt es manchmal zu. Zudem wird von allen Quellen die Richtung vorausgesagt, aber selten die richtige Stärke. Das kann aber auch an den meteorologischen Besonderheiten des langen, schmalen Kalmar-Sundes liegen.
Sandvik soll ein paar Raukar haben. Stand zu lesen. War auch ein Grund, da mal hin zu fahren. Leider stand nicht drin, dass sie 18 Km vom Hafen entfernt stehen. Und 18 Km bei Sommerhitze über das fast baum- und schattenlose Alvar, und dann gegen den Wind wieder zurück? Kann man, muss man aber nicht.
So blieb es bei Sandvik: Entgegen dem Namen gibt es da viel Kalkstein, aber wenig Sand. Der Strand besteht aus Steinen, von denen der kleinste etwa faustgroß ist. Was bei uns kaum als Kies durchgehen würde. Dann gibt es noch eine flügellose Windmühle, jetzt Restaurant, die für sich in Anspruch nimmt, die größte Nordeuropas zu sein. Ein Holländer auf der Insel der tausend Bockmühlen.

Größte Nordeuropas?


Früher wurde der Kalkstein, der auf Öland gebrochen und verkauft wurde, in Sandvik aufbereitet. Reste ein Kalksteinschleif- und -poliermaschine sind noch zu sehen, samt Resten der dazu gehörigen Dampfmaschine. Ordentlich erklärtdurch ein Schild, wie es sich hierzulange gehört

Kalksteinpolierset Anno 1897

Nächster Tag: Noch einmal in die Schären: Pataholm. (Der zweite Vorsitzende wird wieder wissen, wo das ist, oder?)
Wenn Påskallavik schon Idyll war, hier ist es noch idyller. Der Hafen liegt weit vom Ort und ist winzig. Der Ort selbst hat im 19 Jhdt. eine kurze Blütezeit als Bad gehabt und ist dann so geblieben. Verschlafen, idyllisch, und ein paar Teile stehen unter Denkmalschutz.