Die Entdeckung der Langsamkeit

Der Wetter ist hier, zumindest derzeit, recht veränderlich. Heute morgen strahlte die Sonne bei erfrischenden 13 Grad. Um 18:00 regnet´s, bei recht frischen 13 Grad +-2, geschätzt. Soll auch die ganze Nacht so bleiben.
In der Umgebung spielt eine Band Rock ´n´ Roll und internationale Schlager. Heißt, der Text ist mal schwedisch. Dann versteht man ihn nicht. Mal englisch. Dann versteht man ihn zum Glück aber meist auch nicht. Sie spielen etwas hölzern. Angepasst an die Umgebung, hier ist vieles aus Holz.
Wir tun nichts und haben daher an unserem Tagesablauf für heute nicht viel geändert.
Wir haben, nicht ganz aus eigenem Antrieb, neue Möglichkeiten der Langsamkeit entdeckt.
An der ersten Schleuse, der von Norrqvarn Kvarn, stand zwar die Schleusenwärter-Aufbewahrungshütte weit offen, nur gesichert durch ein Schild, das Unbefugten den Eintritt verwehrte. Ein Schleusenmeister oder eine -meisterin war aber weit und breit nicht zu entdecken. Nach angemessener Wartezeit und erneutem Besuch in der Machtzentrale kam dann dort ein Techniker angefahren, der in der Lage war, mit dem Meister zu telefonieren. Und uns die Auskunft erteilen konnte, es werde noch 20 bis 25 Minuten dauern, der Meister sei an der nächsten Schleuse, Norrqvarn (ohne Kvarn, das ist eine andere). Hat dann zwar noch etwas länger gedauert, aber man weiß dann wenigstens, dass er noch im Dienst ist. Als er seinen Konvoi dann durch 2 Schleusen aufwärts gebracht hat und sich unserer annehmen kann, erfahren wir, dass noch zu wenige Boote unterwegs seien und man Personal spare. Ab Montag sei dann jede Schleuse besetzt.
Was im weiteren Verlauf gut funktioniert, ist das Öffnen der fernbedienten Brücken. Was, siehe oben, nicht so gut funktioniert, ist das Schleusen. Weil die Meister und -innen ja dauernd im Auto sitzen. Als Besonderheit haben wir dafür eine Doppel-Doppelschleusung geboten bekommen. Ein uns auch neues Verfahren: Zwei Fahrzeuge nähern sich von beiden Seiten einer Doppelschleuse, obere Kammer voll, untere Kammer leer. Beide fahren ein, Wasser läuft aus der oberen in die untere Kammer. Bei Gleichstand wird das mittlere Tor geöffnet, die Fahrzeuge tauschen die Kammern, Tor zu, oben füllen, unten leeren. Geht natürlich nur, wenn die Fahrzeuge hinreichend klein sind, um aneinander vorbei zu kommen. Was für uns aber zutraf.

Begegnung in der Doppelschleuse

In 4 Stunden und 7 Minuten haben wir
so stolze 5,4 Seemeilen geschafft. Die Entdeckung der Langsamkeit.

Sabine führt nicht nur die Vorleine , sondern auch das Logbuch. Da steht jetzt jede einzelne Schleuse mit Uhrzeit und Ortsnamen drin. (Die Schleusen haben nicht nur einen Ortsnamen, sondern auch einen Eigennamen, der aber in der Regel nicht dran steht. Gestern hatten wir unter anderem ¨Thomas Telford¨, heute ¨Der Adel¨ und ¨Die Priesterschaft¨. Natürlich auf Schwedisch. Nummern haben sie auch noch.)
Jetzt liegen wir in Sjötorp, eine Schleuse über dem Vänern, aber noch im Kanal. In Sjötorp gibt es, soweit wir das bislang gesehen haben, nichts, was nicht zum Kanal gehört oder von Leuten lebt, die den Kanal anschauen. Also Hamburgerbuden, Restaurants, das unvermeidliche Kanalmuseum, Schnickschnack-Läden. Und natürlich die sieben Schleusen, ein Trockendock mit Zulauf aus dem Kanal und Ablauf in den Vänern.


Das Bild am Anfang des Beitrags zeigt die Unterführung eines Bachs unter dem Kanal.

Norrqvarns Kvarn

Wetter im Norden. Gestern, wie schon berichtet, spätherbstliche Temperatur, Starkwind und Hagel. Abends die Heizung angemacht. Und im Verein sind wir meist die letzten, die zu solch extremen Schritten greifen. Unser Heizlüfter war auf niedrigste Temperatur eingestellt und hat sich mehrmals in der Nacht eingeschaltet. Es war also wirklich kalt. Soweit, aufzustehen und auf´s Thermometer zu schauen, hat meine Neugier nicht gereicht, aber jedenfalls subjektiv kalt. Heute strahlt die Sonne vom blauen Himmel, die Lufttemperatur liegt aber, laut Wetterapp, immer noch zwischen 15 und 17 Grad. In der Sonne schön warm, Jacke ausziehen. Im Schatten frisch, etwas mehr anziehen. So haben wir uns denn heute auch auffallend oft an, aus und umgezogen. Ist ja schon bei uns manchmal eine der Tätigkeiten, die den Segelsport ausmachen.
Habe vorhin mal auf den Karten nachgeschaut: Wir haben nicht nur den Höhenrekord für unser Boot gebrochen, wir haben mittlerweile auch unseren Breitengrad-Rekord eingestellt. Wir sind jetzt etwa auf der Breite von Kirkwall und Stavanger. Dafür eigentlich noch schön warm, verglichen mit dem, was uns so von Orkney gemeldet wurde.
Der Abstieg hat begonnen, heute von 86 m auf 63 m über NHN (1).  Über 3 Doppel und eine Trippelschleuse. Wobei abwärts viel schneller und stressfreier geht als aufwärts. Das Wasser fließt unten aus der Kammer, die Turbulenzen wabern weiter unten, während es auf ruhigem Wasser hinab geht. Daher kann der oder die Schleusenmeisternde – heute alles die – die Schütze auch sofort bis zum Anfang aufreißen.

Der unaufhaltsame Abstieg

Wegen des für die nächsten Tage angesagten, sehr starkwindlastigen Wetters haben wir es nicht allzu eilig, den Kanal zu verlassen und uns auf dem Vänern eben diesem Wind auszusetzen.
Daher wieder eine recht kurze Etappe, zwar 23 m tief, aber auch nur 2 1/2 Meilen lang. Seemeilen, nicht schwedische. Ziel Norrqvarns Kvarn(2), bestehend aus Schleuse, Brücke und Hotel direkt am Kanal. Was den Ort aber sehenswert macht, besonders für Großeltern (natürlich vor allem für Kinder, haben aber keine dabei) ist Barnens Minikanal(3).

Barnens Mini-Kanal in Norrqvarns Kvarn

Da hat man wesentliche Teile des Göta-Kanals zum Spielen nachgebildet, mit Gefällestrecken, in die man kleine hölzerne Schleusentore einsetzen kann, mit Vänern und Vettern und mit einigen der markantesten Punkte des Kanals. Im Vettern gibts auch ein Nessie-artiges Ungeheuer. Schiffchen kann man gegen 50 Kronen mieten, bei der Rückgabe gibt´s ein Eis. Da Eis zu den Dingen gehört, die in Schweden richtig teuer sind, ist das so schon in Ordnung.

Die Wettervorhersagen für morgen sind wieder deutlich unterschiedlich, je nachdem, welche Quelle oder App man anzapft. Auf jeden Fall aber bleibt es kühl. Und der unaufhaltsame Abstieg geht weiter.


(1) Die Lektorierende korrigiert: 86,6 m und 63,3 m!
(2) Kvarn heißt Mühle. Qvarn auch. Kwarn auch. Qwarn ist mir noch nicht begegnet, heißt aber dann vermutlich auch Mühle.
(3) Barn heißt Kind. Davon gibt es zum Glück wohl nur eine Schreibweise.