Scheibchenweise

Freitag
Wieder raus aus Haderslev. Allein der Fjord wäre ja schon ein Grund, hierher zu kommen. Leider kommt man hier bei Ostwind (haben wir) unter Segeln nicht wieder raus. Die gebaggerte Rinne ist teilweise einfach zu schmal zum Kreuzen, wer mag schon 9 Meilen auf einem 50 Meter breiten Kanal kreuzen, in der Abdeckung hoher Ufer und wunderbarer Wälder. Also raus unter Motor, und dann Richtung Norden, in den Teil des kleinen Belts, der da heißt „Snävringen“. Das ist da, wo der kleine Belt wirkich ganz klein wird. Wie ein Fluss wirkt, einer mir vielen Kurven und teils hohen Ufern. Da, wo früher die Fähren über den Belt gingen und heute die Brücken rüber gehen.  Und wo, unter anderem die kleine, aber feine Stadt Middelfart liegt. Die, der Name zeigt es, die mittlere von drei Fähren von Jütland nach Fünen übersetzte. Middelfart war denn auch unser Ziel. Erstens, weil es  und die Umgebung südlich davon schön sind, haben wir gelesen. Und zweitens, weil man in der Marina von Middelfart auch Seekarten kaufen kann. Haben wir auch gelesen, und auch welche gekauft. War nicht das große Meilenfressen von Haderslev bis Middelfart, aber bei Nordost 3 reicht das für einen Tag. Besonders wenn man nicht früh aufsteht.

Sonnabend
Raus aus Middelfart und weiter Richtung Kattegatt. Das ist ja hier gleich um die Ecke. Aus der Marina, um die Halbinsel, am Stadtzentrum vom Middelfart vorbei (schön), unter den beiden Brücken durch, eine für Straße und Bahn, die andere für die Autobahn (interessant) und an den Häfen und Industrieanlagen von Fredericia vorbei. (Gar nicht schön, aber irgendwoher muss das Bruttosozialprodukt ja kommen)
Brücken, besonders große Brücken, haben ja meist etwas faszinierendes. Man kann meist gut erkennen, was sich da jemand gedacht hat. Die beiden Zeugnisse der Ingenieurskunst am kleinen Belt bilden da keine Ausnahme.
Das geht ganz offensichtlich auch anderen Leuten so: Für die Eisenbahnbrücke von Middelfart werden Brückenführungen angeboten. Nicht auf der Fahrbahnebene, oben auf dem Gitterkastenträger.

Die Brücken von Middelfart
Die Brücken von Middelfart

Ja, und dann weiter, wieder mit Nordost. Wieder mit vielen Kreuzschlägen und wenig Meilen. Kurs ist die Richtung, in die man will und aus der der Wind kommt. Geplantes Ziel: Samsö. Reales Ergebnis: Juelsminde. Der Hafen ist aber auch ganz schön, und wir haben den besten Platz zum Hafenkino gucken.

Sonntag
Wieder großer Unterschied zwischen Plan und Wirklichkeit. Geplant war Juelsminde-Norsminde. Raus gekommen ist Hov. Oder Hou. Auf der Karte und dem Plotter steht „Hov“, auf den Booten im Hafen steht „Hou“. Hov war als Ausweichhafen im Plan enthalten, aber das Segeln in einem der Besatzungsmitglieder hat nicht bis Norsminde gereicht. So ist es bei 23 Meilen (nautisch) gegen den Wind geblieben und wir sind in Hou/Hov. Der Hafen ist groß und in Ordnung, im Ort gibt es einen Supermarkt, und es gibt eine Fähre, vermutlich nach Samsö. Ich fürchte, damit ist die Beschreibung von Hou vollständig.

Warum drei Tage auf einmal? In Middelfart fehlte die Lust zum Schreiben, in Juelsminde fehlten die Mobilfunk-Datendienste und die Zuverlässigkeit des WLANs. Das funktioniert in Hou/Hov. Jedenfalls deutlich besser als in Juelsminde.

Skorbut-Vorbeugung
Skorbut-Vorbeugung

Und warum segeln wir bei Nordost an der Jütländischen Küste nordwärts statt an der Schwedischen? Käptn will diese Woche nochmal nach Bremen, und auf Jütland gibt es eine Bahnlinie. Schweden und Eisenbahn – das ist so ein Thema für sich.

Tief drinnen und lang her

Donnerstag, Mommark

Es war windarm. Und es war neblig, oder hat leicht genieselt, oder beides.

Trotzdem los. Der Wind hat sich dann ganz brauchbar entwickelt. Zwar weiter aus Norden, aber genug zum Segeln. 34 Meilen Strecke bei schwachem Wind aufgekreuzt. Es erfreut das Seglerherz, ist allerdings dem Rest der Menschheit völlig wurscht. Daher nur das Resume: Abends auf Aarö. Noch nicht viel los hier. Die Kinderbespaßungsinfrastruktur  liegt noch darnieder, im Yachthafen besteht kein Mangel an freien Plätzen. Und gegen Abend setzt auch der Nieselregen wieder ein und hat uns an Bord festgehalten.

Ende des Donnerstags.

Freitag: Ortsbegehung Aarö-Dorf. Dänisch-heimelig und übersichtlich. Gut an die große weite Welt angebunden, weil die kleine Fähre ständig hin und her pendelt und die Fahrzeit auch nur ein paar Minuten beträgt.

Wetter: Eher frisch. Selbst die Enten prüfen, ob das Wasser nicht doch zu kalt ist.

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Die Enten prüfen die Wassertemperatur

Plan für heute: Nach Haderslev. Dahin führt von der Ostsee der Haderslev Fjord. Auf der Karte sieht der fast aus wie ein Kanal. In Wirklichkeit ist er aber doch sehr viel schöner. Fast wie ein Fluß und noch sehr unverbaut. Etwa neun Meilen, also 18 Km lang, teils durch Wald und unter hohen Ufern. Ein bisschen wie eine kleinere Ausgabe der Schlei.

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Irgendwo auf dem Haderslev Fjord

Und am Ende eben Haderslev, auf Deutsch auch Hadersleben. Eine Stadt mit ca. 20 000 Einwohnern, mit allen Eingemeindungen fast das dreifache. Viel erhaltene alte Bausubstanz, sehenswert. Flächenmäßig fast dreimal so groß wie Bremen. Auch Aarö z.B. gehört dazu. In seiner Glanzzeit Residenz der Schleswiger Herzöge und drittgrößte Stadt des Herzogtums. Wie alt die Stadt genau ist, weiß man nicht, denn bei ihrer ersten urkundlichen Erwähnung war sie schon groß – nach den Maßstäben des 13. Jahrhunderts jedenfalls.

Wir haben uns auf einen Rundgang durch die Innenstadt beschränkt, und den dann auch beendet, weil der Nieselregen wieder einsetzte, auf den wir, leichtsinnigerweise, kleidungsmäßig nicht vorbereitet waren.

Haderslev soll aber unter anderem etliche sehenswerte Museen haben. Und ist einerseits das Zentrum der deutschen Minderheit in Nordschleswig/Südjütland (Wortwahl je nach Nationalität). Andererseits ist die Schleswig-Holsteinische Frage und der damit verbundene Krieg hier offenbar durchaus noch im Bewußtsein. Bei uns ist das ja eher vergessen. Die Codenummer für’s Klo kann man sich jedenfalls mit etwas Geschichtskenntnis gut merken. Und als ein Bürgermeister vor ein paar Jahren ein zweisprachiges Ortsschild aufstellen ließ – ohne Rücksprache mit dem Rat – da wurde erst das Schild ramponiert, dann abgerissen, und dann der Bürgermeister aus dem Amt entfernt.

Das tut ja aber dem Stadtbild keinen Abbruch.

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Alte und nicht ganz so alte Häuser in Haderslev

Und an nationalistischen Wirrköpfen herrscht ja auch bei uns kein Mangel. Jedes Land muss mit denen leben, warum nicht auch die Dänen.