Mittsommer ?

Nicht ausgelaufen wegen Starkwind. Das hatten wir länger nicht mehr und nun auf dem Kanal! Nachts und auch noch am Morgen war der Wind so heftig, vor allem so böig, das uns das bei unseren Überlegungen, wie wir den Tag gestalten wollten, durchaus beeinflusst hat. Heute ist ja Sommeranfang, alias Mittsommernacht. Ein Ereignis, das in Schweden gleich nach Weihnachten rangiert, oder auch davor, und richtig gefeiert wird. Also lautet der Beschluss, dass man ja nicht fahren muss. Man kann auch bequem mit dem Fahrrad nach Söderköping, die Stadt anschauen, Mittsommer-Atmosphäre mitbekommen und dann morgen weiterfahren. Bei dem Wind liefert man schon mal Hafenkino, muss ja nicht.
Mit den Klapprädern nach Söderköping hat dann, wegen des Windes, doch eine Stunde gedauert. Für sechs Kilometer. Recht bescheidener Schnitt also, und das meiste im ersten Gang.
Söderköping war mal, so im späten Mittelalter, eine bedeutende Stadt und auch ein bedeutender Hafen. Damals wurden dort Reichtage abgehalten und Könige gekrönt. Sagen die Schilder in Söderköping, das ¨Große Online-Lexikon¨ spricht von einem, und so genau wollten wir nicht nachforschen.
Jedenfalls ist Söderköping alt und darum auch nicht rechteckig. Was es von den meisten Städten, die wir bislang auf dieser Tour gesehen haben, belebend unterscheidet.
Durch die skandinavische Landhebung, also die Tatsache, dass die Halbinsel bis heute damit beschäftigt ist, sich vom Gewicht des Eisschildes zu erholen, hat Söderköping zuerst seinen Hafen und dann seine Bedeutung verloren und ist, sozusagen, in seiner Entwicklung etwas zurückgeblieben. Erst mit dem Bau des Göta-Kanals ist wohl wieder etwas Leben in die Stadt gekommen. Heute ist sie mit etwa 8000 Einwohneren immer noch klein, aber dank der vielen Kanaltouristen trotzdem recht bunt.

Söderköping, nicht rechtwinklig

Der Kanal ist heute die Hauptattraktion hier. Wobei das durchaus nicht nur ¨boat-people¨ sind, die hier stehen, sitzen oder rumlaufen und in die Schleuse gucken. Der Kanal hat hier etwas von einem Freizeitpark. In den ehemaligen Packhäusern haben sich Restaurangs, Cafes und Boutiken angesiedelt. Der Kanal läuft zwischen der Altstadt und einem Felsmassiv hindurch, von oben hat man einen guten Blick auf die Stadt. Und hier ist es so, dass die Stadt von innen besser aussieht als von oben. Wir hatten schon Städte, die von fern gut aussahen und sich dann als totlangweilig erwiesen haben.

Söderköping, Blick aus dem Rathausfenster

Und, um Eigenwerbung nicht verlegen, hat Söderköping die weltberühmteste Eisdiele von ganz Schweden. (So oder so ähnlich. Werbung schreckt ja vor nichts zurück, außer korrekter Nutzung des Superlativs) So berühmt, das wir die Schlange abschreckend, aber auch der Dokumentierung würdig fanden.

Schlange vor der berüüühmten Eisdiele

Von der Mittsommernacht haben wir hier nichts bemerkt. Entweder geht das im Touristenrummel unter, es sind alle in Gastronomie und Einzelhandel beschäftigt oder sie fahren nach Norrköping und feiern dort oder noch woanders. Wir sind jedenfalls ohne Mittsommererlebnis zurück nach Mem, haben im ¨Magasin¨ zu Abend gegessen – trotz der merkwürdigen Öffnungszeiten schwedischer Restaurangs – und fahren morgen weiter. Sehr weit wird´s nicht sein, denn nach Söderköping kommen viele Schleusen. Besser, wir kommen auf viele Schleusen zu.
Die detaillierte Karte des Kanals, die wir eigentlich kaufen wollten, haben wir immer noch nicht. Wollte ich eigentlich am Eingang des Kanals erwerben. Die Schleusenwärterin hatte sie auch, kann sie aber nicht verkaufen, weil das Internet nicht geht und sie Bargeld nicht annehmen darf. Sie hat uns nach Söderköping verwiesen. Dort haben wir aber keine gefunden.
Wer doch noch was zum urschwedischen Thema Mittsommer finden möchte, findet es, außer z.B. bei Wikipedia, auch hier: https://symartha.de/mittsommernacht

Links ab

Noch ein Stückchen weiter von Fyrudde Richtung Norden und dann links ab. Allerdings muss man sich die Karten schon etwas länger anschauen, bis man das richtige ¨Links ab¨, und dann von den mehreren ¨Links abs¨ das Beste gefunden hat. Unseres führte unter eine Brücke hindurch, die mit 15 m Durchfahrtshöhe angegeben ist. 11m Mast + 1.20 Antenne + geschätzte 1.70 Deckshöhe gibt 13.90. Muss also passen. Passte auch, ist aber trotzdem ein komisches Gefühl, weil man aus der Froschperspektive den Abstand überhaupt nicht einschätzen kann. Mit dem inneren Ohr hab´ ich schon die Antenne am Beton kratzen hören. Mit dem äußeren aber zum Glück nicht.
Die Landschaft ändert sich, wenn man sich von der Außenkante des Schärengürtels nach innen bewegt. Die Felsen werden größer, die Wälder dichter und vereinzelt findet man Äcker, Wiesen und Vieh. Nun war Schweden ja noch nie ein Ort blühender Landwirtschaft, Schonen mal ausgenommen.
Durch den tief ins Land schneidenden Fjord/Fjärd bis nach Mem, dem Anfangs- bzw. Endpunkt des Götakanals. Für uns der Anfang, für die Kanalverwaltung offenbar der Endpunkt. Denn die Zählung der Schleusen geht von Westen nach Osten, vom Vänern zur Ostsee.

Wir sind noch kurz vor Geschäftsschluss des Kanals durch die erste – die Ersten werden die Letzten sein – Schleuse und liegen jetzt in Mem. Ob diese Schleuse jetzt typisch ist, weiß ich noch nicht. Sie ist recht klein, die Seitenwände sind nach außen gekurvt, wohl um dem Schub des Bodens besser Stand zu halten, ein Tor ist aus Holz und die Schleusung erfolgt sehr flott. Die Schütze im Tor wurden sofort bis zum Anschlag aufgerissen. Was in der Kammer ein gewisses Waschmaschinen-Gefühl erzeugt.

Das Waschmaschinengefühl

Vielleicht wollte die Meisterin der Schleuse aber auch nur endlich Feierabend haben. Sie war ja auch schon für die Mittsommernacht dekoriert.

Die Damen von der Schleuse

Was bietet Mem außer dem Kanalende? Nichts ausser Landschaft, Liegeplätze für kanalreisende Wassersportler und einem Restaurang, das aber schon am Nachmittag schließt.
Dafür gibt es aber, wir sind ja in Schweden, ein Schild, das beschreibt, dass hier die Kanaleröffnungsfete statt fand, Anno 1832. Aus den Baracken, in denen die Kanalarbeiter gelebt haben und die mit der Baustelle mitgezogen sind, wurde dann der königliche Festsaal für eben dieses Fest gebaut. Das Gebäude des Restauran{t/g}s ist eben dieser Festsaal, allerdings einmal runderneuert. Die Einwohner von Söderköping sollen massenhaft zwischen Stadt und Mem hin- und hergelaufen und auch, manche, im Vollsuff in den Kanal gefallen sein.

Ach ja, immer noch, oder schon wieder, beinahe-offline.