Karl Johan, Oskar und Roxen

Zwischen den Liegeplätzen in Norsholm und dem See liegen zwei Brücken und eine Schleuse. Um 9:00 Uhr beginnt der Kanalbetrieb, vier Boote liegen vor der Schleuse und werden eingelassen. Innerhalb der Betriebszeiten arbeitet die Schleuse nach Bedarf. Bei Fahrtrichtung West bei der Einfahrt nach dem Bedarf der Yachties: Man wird hineingelassen und geschleust. Bei der Ausfahrt nach dem Bedarf der schwedischen Eisenbahn. Man wird raus gelassen, wenn es zum Fahrplan passt. Die besagten vier Boote haben über eine Stunde bei brütender Hitze zwichen Straßen- und Eisenbahnbrücke verbracht, ein Zug folgte dem anderen. Wegen eines kleinen Fußgängerübergangs über die Schienen immer mit ¨ding ding ding ding¨ und rotem Licht.
Der See, der sich dann auftut, heißt Roxen.
Sieht auf den ersten Blick aus wie ein Flachlandsee bei uns, Dümmer oder Lauwersmeer. Der Dümmer ist für unser Boot ein unerreichbar exotisches Gewässer. Läge er in den Niederlanden, kämen wir nach Öffnen einiger Brücken wahrscheinlich hin. Tut er aber nicht. Das Lauwersmeer liegt in NL, daher kommen wir auf diesen Vergleich. Fährt man etwas weiter in den Roxen merkt man allerdings den Unterschied.

Denn nicht nur gibt es hier diverse Untiefen und Inseln, die bestehen auch statt aus norddeutsch/niederländischen Sand, Schlick oder Schlamm aus solidem schwedischen Granit. Und steigen auch recht steil aus der Tiefe auf. Weshalb der Roxen auch gut betonnt ist. Er ist etwa 6 mal so groß wie der Dümmer oder ein Viertel vom Bodensee. Um sinnfällige Einheiten zu benutzen.
Die Idee, da rüber zu segeln, ist Idee geblieben. Er hat uns mit Totalflaute und teils spiegelglatter Oberfläche empfangen.

Windstille auf dem Roxen

Und das ist auch bis zur anderen Seite so geblieben.
Südlich des Sees liegt die Stadt Linköping, die aber für uns mit dem Boot fast genauso unzugänglich ist wie der Dümmer. Dahin gibt es zwar einen Kanal, aber mit einer Brückenhöhe von 3.50m. Am Westufer liegt Berg, eigentlich ein Stadtteil von Linköping. Dort geht der Kanal weiter. Und zwar steil bergauf. Mit Karl-Johan und Oskar. Wie liegen jetzt, am Abend, zwischen Karl Johan und Oskar. Die beiden Herren sind nämlich die Schleusenkomplexe. Karl Johan ist eine siebenstufige Treppenschleuse, das obere Tor der einen Kammer ist also immer das untere der Nächsten. Oskar sieht so aus, dass einer Doppelschleuse ein Zwischenbecken folgt und dann eine weitere Doppelschleuse. Die Namen haben sie von König und Kronprinz, die hier zur Eröffnung her kamen.

Karl Johan mit Roxen

Zwischen Karl Johan und Oskar liegen eIn Sportboothafen, ein Cafe, ein Minigolfplatz und eine Ausstellung alter Schleusentore.
Angefangen hat man mit hölzernen Toren. Dann kamen gusseiserne Rahmen mit Holzbeplankung. Dann Stahlrahmen mit Holz und dann Stahltore. Jetzt ist man wieder zu Gusseisen mit Holz zurück. Ein Stahltor, zwar billiger, weil einfacher herzustellen, hält nur 30 Jahre und braucht viel Wartung. Die Gussrahmen hielten 200 Jahre. Die Holzbeplankung auch etwa 30 Jahre. Neu ist nicht immer besser.

 

Thema des heutigen Abends: Die Schleuse

Der Göta-Kanal war das Großprojekt des 19. Jahrhunderts in Schweden. Mit Betonung auf ¨das¨. Ursprüngliche Ziele waren, den damals noch existierenden dänischen Sundzoll zu umgehen und Kriegsschiffe von der Ost- zur Westseite bringen zu können, und umgekehrt, ohne durch dänisches Gebiet zu müssen. Als Bauzeit waren 10 Jahre geplant. Geworden sind es dann 22, und die Kosten wurden um den Faktor 6 überschritten. Heute würde ein Großprojekt natürlich nicht so aus dem Rahmen laufen, oder ?
Wobei der Staat auch noch alles mit eigenem Personal gemacht hat. Der Kanal wurde von schwedischen Soldaten gegraben.
Mit den Mitteln, die damals zur Verfügung standen. Ohne Bagger und ähnliches Gerät. Und mit den Möglichkeiten, die man um 1800 hatte. Also viele kleine Schleusen statt weniger großer. Und die Trasse folgt, wo es möglich ist, den Höhenlinien. Man gräbt am Hang entlang einen Graben und schüttet den Aushub an der Talseite zu einem Damm auf – im Prinzip. Das spart Materialtransporte. Und die vielen Kurven, die sich so ergeben, machen heute den Reiz der Kanallandschaft mit aus.
Wir hatten heute 14 Schleusen, dabei zwei Doppelschleusen, also solche, bei denen das obere Tor der unteren Kammer auch das untere Tor der oberen ist.
Die Schleusen sind hier, besonders im Vergleich zum etwa gleich alten kaledonischen Kanal, eher knapp mit Personal ausgestattet. Wärend dort 3 bis 4 Personen an einer Schleuse arbeiten, ist es hier nur eine. Oder auch nur eine halbe Person, statistisch. In einem Teilabschnitte war es so, das 3 Schleusenmeister 6 Schleusen bedienen mussten. Das führt natürlich zu Wartezeiten. Und viel körperliche Hilfe kann man unter diesen Umständen vom Schleusenmeister oder der Meisterin auch nicht erwarten.
Aufwärts schleusen also am besten so: Vor der Schleuse kurz ans Ufer, eine Person steigt aus und nimmt die Enden der Leinen mit. Boot in die Kammer, Person an Land macht Leinen fest. Tür zu. Person an Bord hält Achterleine stramm, Person an Land Vorleine. Schleuse voll: Achterleine belegen, Motor an, langsam voraus. Vorleine zurück an Bord. Person an Land noch an Land. Person an Land löst Achterleine und steigt samt Tampen wieder ein. Abfahrt. Das mit dem ¨in die Achterleine dampfen¨ musste heute sein, da viel Wind. Einmal haben wir es nicht ordentlich gemacht und prompt lagen wir quer. Es ist leider nicht viel Platz in den Kammern um noch zu reagieren.
Immerhin haben wir mit dieser archaischen Art der Seefahrt zwar nur wenige Kilometer Strecke, dafür aber immerhin 33 Höhenmeter geschafft. Mit 14 Schleusen und zwei Seen.

Schleusen , im Hintergrund 3 weitere

Wie elegant die Schleusungen ausfallen, hängt auch vom Geschick und Einfühlungsvermögen der Schleusenmeister ab. Der von Söderköping hat mir jedenfalls bestätigt, dass man mit der Fernbedienung die Schütze auch teilweise und einzeln öffnen kann. Es muss nicht zugehen wie in der Waschmaschine. Bei manchen tut´s das aber. Andere schaffen es, den Strahl dahin zu lenken, wo keiner in der Kammer liegt.

Wie in der Waschmaschine

Liegen jetzt in Norsholm. Muss man aber nicht kennen. Selbst Wikipedia weiß nur zu berichten, das der Ort zu Norrköping gehört (aha), am Göta-Kanal (na klar), an der Bahn (hört man) und an der Autobahn liegt (sieht man) und keine oder so gut wie keine Arbeisplätze bietet (sieht man eigentlich auch).

Und zu den Kriegsschiffen, die über den Kanal verlegt werden sollten: Die haben den Kanal nie benutzt. Als der Kanal fertig war, waren die dafür schon viel zu groß. Dumm gelaufen.