Summer in the City

Es fing ganz ruhig an. Mit einer Windstille, wie es sie in dieser Form an der Nordsee nicht gibt. Nicht nur kein Wind, sondern auch die Wasseroberfläche  absolut eben. Bei uns sorgt die Tide eigentlich immer dafür, dass das Wasser an unterschiedlichen Stellen verschieden strömt. Eine ganz glatte Oberfläche gesehen zu haben,  kann ich mich nicht erinnern. Hier, an der Ostsee gibt es das.
Die Befürchtung, durch den ganzen Grönsund motoren zu müssen, war unnötig. Der angesagte Ostwind fing zwar ganz langsam an, aber dann reichte er, um bis zwischen die Brücken von Vordingborg zu kommen. Und mit dem Ostwind wurde es sehr, sehr warm.

Vordingborg ist das Zentrum einer flächenmäßig sehr großen Gemeinde – etwa die doppelte Fläche von Bremen – und ein verkehrstechnisch wichtiger Ort. Hier überqueren die Bahn und die Autobahn der ¨Vogelfluglinie¨ den Storstrøm, das Wasser zwischen Falster und Seeland. Es hat auch eine historische Bedeutung. Die Reste einer der größten Burgen Skandinaviens zeugen davon, errichtet unter König Valdemar Atterdag. Von den Außenmauern ist noch vieles zu sehen und ein Turm steht noch, der Gänseturm, das Wahrzeichen von Vordingborg. Mehrere Friedensverträge wurden hier ausgehandelt und abgeschlossen.

Die Vordingborg in Vordingborg

Abgesehen von der Burg ist der Ort, meiner Meinung nach, nicht sehr attraktiv. Er ist aber ein guter Platz, um sich zu versorgen. Unser Wäschesack war voll, im Kühlschrank hingegen wurde schon recht viel Luft gekühlt. Beim Anlegen hat der Schiffsführer den Platz danach ausgesucht, das im Cockpit Schatten war und der Wind hindurch ging. Leider hat er übersehen, dass bei Ostwind auch die Wellen ungehindert in den Hafen laufen können. Einkaufen und Waschen. Zum Waschen gehört auch Trocknen. Im Cockpit war´s windig und warm, optimal zum Wäschetrocknen. Nur sitzen kann man dort dann nicht mehr. Das mit dem Schatten war damit für die Katz.

Über die Toppen beflaggt

Und die Wellen, die nachts ans Boot klatschen, haben Sabine aus der Kammer in den Salon vertrieben. Und mich an Land, zum Schreiben. Schlafen kann ich nicht mehr, weil´s zu laut ist. Sabine kann es anscheinend. An Bord sitzen und schreiben geht auch nicht, weil etliche noch nicht ganz trockene Textilien alle freien Plätze belegen.

Die Reinigungskolonne tobt hinter mir durch die Anlage.

Guten Morgen, die Sonne geht auf.

Geheimtip

Meinen Geheimtip kann ich hier nicht veröffentlichen, dann wäre er ja nicht mehr geheim. Wir hatten heute einen abwechslungsreichen Tag. Guten Segelwind, und da wir keine Rechte Lust hatten, genau gegen den Wind durch den Grönsund zu motoren, haben wir nach nur 16 Meilen in einem ebenso kleinen wie malerischen Hafen an der Ostseite Falsters wieder festgemacht. Der dazugehörige Ort ist ebenfalls klein und malerisch und hat etwas, was auf Neudeutsch (oder Industriedeutsch) ¨Alleinstellungsmerkmal¨ heißt: Viele Häuser sind nicht nur mit Stroh gedeckt – das gibt es öfter in Dänemark -, sondern die Außenwände sind auch mit Stroh verkleidet – das gibt es sonst nirgendwo in Dänemark. Ich wüßte auch sonst keinen Ort, wo man sowas macht. Diese Bauweise trägt sehr zu Malerischen des Ortes bei.

Mit Stroh verblendete Häuser, alte Technik trifft neue

Die ist nicht entstanden, die hat sich ein Architekt, Name ist Wikipedia bekannt, ausgedacht, nachdem der Ort durch eine Überschwemmung zerstört wurde und neu aufgebaut werden musste. Hinter dem Stroh verbirgt sich ganz normales Fachwerk.

Außer dem Hafen und den verkleideten Häusern gibt´s hier noch zwei Badestrände, viel Wald und im Wald angeblich 800 (achthundert) Hünengräber. Haben wir uns angesehen, den Wald, einen Strand und ein Hünengrab. Der Wald bewandert, den Strand bebadet und das Grab besichtigt.

Hünengrab

An dem Grab hat sich schon vor längerer Zeit ein dänischer König als Amateur-Archäologe betätigt. Was man durch eine Inschrift im größten der Hinkelsteine gewürdigt hat. Vielleicht nicht ganz die Art, wie man heute mit historischen Zeugnissen umgehen würde. Immerhin kann man, obwohl sich  die Anlage, laut erklärendem Schild, in einem schlechten Zustand befindet, noch gut erkennen, wie das Ganze einmal aufgebaut war. Unsere Dolmen sind in der Regel jedenfalls in einem wesentlich schlechterem Zustand.

Und zum Wald: In dem soll eine besondere Buche stehen, unter der der dänische (und deutsche) Dichter Adam Oehlenschläger (Originalschreibweise) den Text der dänischen Nationalhymne verfasst haben soll.  Angesichts der vielen Buchen in den umgebenden Wäldern konnte der historisch wertvolle Baum von uns nicht identifiziert werden. Vielleicht ist er ja auch nicht mehr. An der Abbruchkante der Steiküste haben sich offensichtlich schon mehrere Bäume auf den Weg in die Ostsee gemacht. Wir haben lieber einen sicheren Abstand von dieser bröseligen Struktur gehalten. Auch wenn man hier nicht so tief fällt wie an der benachbarten Kreide, es reicht.
Plan für Morgen: Weiter durch den Grönsund nach Westen. Bis wohin entscheidet der Wind.
Der malerische Hafen ist übrigens der einzige Hafen an der Ostküste von Falster.