Meilenweit

Kurs ist die Richtung, in die man will und aus der der Wind kommt. Nord 3. Das ist nicht das, was man sich wünscht, wenn man Richtung Norden will. So haben wir das Ziel vorerst offen gelassen, man weiß ja nicht, wie der Wind sich entwickelt. Es gibt hier am Sund etwa alle 10 Seemeilen einen Hafen, entweder auf der Insel- oder auf der Festlandsseite.
Sabine hat Kalmar gegrüßt, wie von einem Vereinskollegen, der vor Jahren hier war, aufgetragen. Durch rituelles Verschütten geistiger Getränke. Es geht unter traditionsbewussten Seglern die Mär, dieses würde den Verlauf natürlicher Vorgänge wie Wind und Wellen beeinflussen.

Die Ölandbrücke

Zunächst unter der Ölandbrücke hindurch. Das geht heute nur unter Motor, denn zum Kreuzen ist das Fahrwasser vor, unter und hinter der Brücke zu schmal. Und die Ränder sind steil, aber gut markiert. Die Brücke ist 6 km lang und 42 Meter hoch. Die sieht man meilenweit. Wörtlich, weil der Kalmarsund ja auch ganz gerade ist.

Kurs ist die Richtung, in die man will ..

Danach, sobald Raum zu beiden Seiten des Fahrwassers war, kreuzen gen Nord.  Bis Borgholm auf Öland haben Wind und Ausdauer dann gereicht.
Die Ausdauer endete dann bei schwächer werdenem Wind an einem Sperrgebiet, an der Ostseite und kurz vor Borgholm. Genau da, wo am Ufer Soliden liegt, das Sommerschloss der königlichen Familie. Die wollen wohl keine Yachten vor ihrem Garten rumdümpeln haben.

Sperrgebiet und Borgholm Slot, die Ruine

Borgholm ist die einzige Stadt Ölands, das Gebiet umfasst die nördliche Hälfte der Insel. Einen Ort gab es hier schon im Mittelalter, die ist aber wieder verschwunden und die ¨Stadt¨ wurde neu gegründet, mit ursprünglich 33 Einwohnern. Und so angelegt wie viel Städte hierzulande: Rechteckig, übersichtlich, aus Holzhäusern und mit sehr breiten Straßen.
Außer dem Sommerschloss Soliden gibt es hier noch ein zweites Schloss, besser dessen Reste. Aus einer Burg im Laufe der Zeit zu einer riesigen Barockanlage gewachsen, ist es als Schloss aufgegeben worden, wurde zur Fabrik und ist dann 1806 abgebrannt und nicht wieder aufgebaut worden. Die Außenmauern stehen noch und sind heute das andere Bauwerk, das man meilenweit sehen kann am Kalmar-Sund.
Gut, die Lagerhäuser und Industrieanlagen von Kalmar kann man auch meilenweit sehen.

Kommt es oder kommt es nicht?

Gestern hat die Lust nicht ganz bis Kalmar gereicht. Da mit einem Besichtigungsprogramm aber sowieso ein Segeltag mehr oder weniger weg ist, macht das eigentlich nichts. Heute morgen ganz gemütlich von Mörbylanga nach Kalmar. Bei einer solch kurzen Strecke ist auch gelegentliches Dümpeln erlaubt. Nur auf der letzten Meile nicht(1). Da dümpelte man im Fahrwasser, und noch dazu an der engsten Stelle des ganzen Sundes. Allerdings haben wir den ganzen Tag nicht ein größeres Schiff gesehen, jedenfalls nicht in Fahrt. Hier im Hafen liegen schon ein paar Frachter neben Bergen von kurzen Holzstämmen sehr unterschiedlichen Durchmessers. Vielleicht die deutschen Tageszeitungen der nächsten Woche?

Die Wettervorhersagen von heute, einschließlich der Nasen–Synoptik, kommen alle zu unterschiedlichen Ergebnissen, wie der Tag enden wird. Etliche sprechen von ¨risk of thunder¨. Da ist es nicht nicht verkehrt, früh im Hafen zu sein. Auch da fragt man sich immer wieder: ¨Kommt es oder kommt es nicht?¨

Nachdem wir schon Karlskrona ausgelassen haben, muss Besichtigung in Kalmar einfach sein. Beide Städte haben auch manches gemeinsam. Obwohl Kalmar viel älter ist, gibt es auch hier ein rechtwinkliges Straßenmuster in der Altstadt. Und bevor Karlskrona angelegt wurde, war Kalmar die Hauptbasis der schwedischen Marine. Bei Kalmar weiß man allerding nicht, auf wen die Stadtplanung zurückgeht. Dahlberg war es nicht. Wann die Alttadt angelegt wurde, das weiß man: 1650. Und zwar, nachdem man nach mehreren Kriegen und Bränden befunden hat, dass der Standort nicht ganz optimal war. Da ist man auf eine andere Schäre umgezogen. Der alte Stadtkern ist dann nach und nach verschwunden. Ein Friedhof und das Schloss markieren noch den Ort.

Altstadt bzw. Neustadt Kalmar

Inzwischen stehen auch wieder Häuser dort, aber der Eindruck einer geschlossenen Stadt hat sich nicht eingestellt.

In Kalmar wurde auch die Kalmarer Union begründet, jenes merkwürdige Bündnis der drei nordischen Staaten, das nie richtig funktioniert hat.

Bei ihrem letzten Aufenthalt hier hat Sabine nicht viel von Kalmar gesehen, damals ist sie müde und von den Pannen der Bahn genervt nur in`s Auto gestiegen und zum Boot gefahren. Umso mehr Grund, sich jetzt die Stadt anzuschauen. Und mir fehlte noch das Schloss, da bin ich beim letzten Mal nicht hinein gekommen, passte zeitlich nicht. Selbiges Schloss zählt sicher zu den ¨Highlights¨ Kalmars. Begründet schon im 13. Jahrhundert als Burg, also für skandinavische Verhältnisse kurz nach dem Urknall, wurde es, besonders unter der Wasa-Dynastie, zu einem der größten Schlösser Skandinaviens ausgebaut. Dabei hat es seinen Charaker als Burg, oder moderner, Festung, nie ganz verloren. Allerdings wurden ja Burgen dann nicht mehr gebraucht und mit dem Schloss/der Burg ging es abwärts. Über ¨Zwischennutzungen¨ als Gefängnis und Brennerei. Erst um 1935 hat man sich des Erbes besonnen und begonnen, den Zustand unter den Wasa-Königen wieder herzustellen. Was heute als Glanz im Inneren zu sehen ist, ist also vielfach rekonstruiert. Manche Wand- und Deckenbemalung stammt aber wohl noch aus der Zeit der diversen Gustafs und Karls. Und manches steht einfach leer. Da gibt es noch Entwicklungspotential, Angebot an Räumen ist reichlich vorhanden, von Kerker bis Audienzsaal.

Schloss Kalmar: Restaurierte Decke

In einigen der Räume wurde gerade eine Ausstellung zu Vincent van Gogh gezeigt. Ohne einen einzigen van Gogh, aber gut gemacht.

Abends: Wir warten immer noch, ob`s kommt, das Gewitter. Aber der Regen wirkt ganz friedlich.


(1) Der Sund ist auch hier noch einige Meilen breit, das Fahrwasser aber nur etwas 80 Meter.