Nix VIP

Auch wenn die Schären von Göteborg sicher zu den reizvolleren Landschaften gehören, irgendwann will man auch mal weiter. Das liegt so im Segler selbst begründet, er will halt wieder segeln. An der großen Stadt vorbei und in die nördlichen Schären.
Die Göteborger Schären bestehen aus zwei Gruppen, oder vornehmer, Archipelen, den Südlichen und den Nördlichen, getrennt durch die Fahrwasser nach Göteborg selbst. Die südlichen sind die ohne Autos, so wie Donsö und seine Nachbarn, und durch Fähren untereinander und mit dem Stadtkern verbunden. Die nördlichen sind zum großen Teil durch Brücken verbunden und für den Straßenverkehr erschlossen. Wenn auch nicht durchgängig über Brücken, ein paar Fähren sind auch dazwischen. Und sie gehören auch nicht zum Stadtgebiet, sondern bilden eigene Gemeinden. Hauptort der Gemeinde Öckerö ist Öckerö auf Öckerö. Da sind wir jetzt gelandet. Obwohl wir eigentlich noch ein paar Inseln weiter wollten. Aber der Wind war zwischenzeitlich so heftig und vor allem die Sicht war wegen Platzregens so schlecht, das wir den nächsten geeigneten Hafen angelaufen haben. Und da war eben Öckerö. Der Ort ist nicht so wirklich spannend, wenn man von der Insellage absieht.
Was gibt es so aus Öckerö zu berichten? Eine Werft. Eine Seefahrtsakademie. Zwei Häfen, in denen Sportboote festmachen können: Den Fischereihafen, den man sich mit der Werft, den Fischern und vielen Womos teilt, und den Nimbushafen. Letzterer diente früher dem gleichnamigen Göteborger Sportboothersteller als Ausrüstungshafen und wird heute von einem Verein betrieben, der auf seinem Gelände nur Leute haben will, die explizit auf den Genuss geistiger Getränke verzichten. Wir waren im Fischereihafen.
In Schweden ist vieles in den Landesfarben gehalten, das in anderen Teilen der Welt einheitlich anders gefärbt wird. Die Baken an Straßenbaustellen zum Beispiel sind blau-gelb. Auch Verkehrsschilder sind da, wo sie im ganzen restlichen Europa weiß sind, in Schweden gelb. Güterwagen, Plakatsäulen und Zementsilos gibt es hier blau-gelb. Überhaupt ist es immer wieder verblüffend, was man hier alles in blau-gelb oder gelb-blau färben kann. Wie unsere Gastgeber es allerdings geschafft haben, auch dem Himmel diese Farben zu geben, muss noch erforscht werden.

Blau-gelber schwedischer Sonnenuntergang aof Öckerö
Blau-gelber schwedischer Sonnenuntergang aof Öckerö

Nächstes Ziel: Marstrand. Was den Engländern Cowes und den Deutschen Kiel, das ist den Schweden Marstrand: Die Stadt, die vom Segeln lebt. Was sich leider in allen diesen Orten auch in den Preisen widerspiegelt. Marstrand ist wirklich sehenswert, aber auch recht übersichtlich. Keine Autos, überwiegend alte Holzhäuser, darüber eine Festung, und ein sehr reizvolles landschaftliches Umfeld.
Es gibt zwar nicht viel, aber doch mehrere Wege, die auf dem Wasser nach Marstrand führen. Einer davon durch einen Kanal, der sehr den Eindruck macht, als sei er von Menschen durch die Schären gegraben und gesprengt worden. Was angesichts der Vergangenheit von Marstrand als Festungsstadt ja auch nicht ganz unwahrscheinlich ist. Bislang habe ich noch nichts dazu gefunden, trotz der schönen schwedischen Sitte, interessante Dinge durch Schilder zu erklären. Der Status der Festung wurde übrigens bis in die 1990-Jahre aufrecht erhalten, erst da wurde Marstrand aus der Liste der befestigten Orte gestrichen – hatten wir sowas nicht gerade weiter südlich ?
Marstrand-Kanal
Marstrand-Kanal

Uninformiert in sportlichen Dingen, wie der Skipper nun mal meistens ist – er schämt sich noch nicht mal dafür – hat er nicht mitgekriegt, das hier ab Morgen die „World Match Racing Tour“ anfängt.
Match-Racer beim Training
Match-Racer beim Training

Wir müssen morgen früh den Steg für die „VIP“-Boote freimachen, zu denen wir unverständlicherweise nicht gehören. Es werden 15000 Tagesgäste erwartet, wobei wir uns nicht vorstellen wollen, wie die hier gestapelt werden könnten – vermutlich in gemütlichem Körperkontakt. Und wir werden morgen früh das Weite suchen und auch finden. Auf einer der Inseln ein paar Meilen weiter nördlich.

Großstadt, halbtrocken

Zunächst zur Flakmoppe. Die gibt es hier auch in elektrischer Ausführung. Und das ist auf einer so kleinen Insel ja auch sinnvoll, weil, wenn es auch nur eine Lademöglichkeit gibt, dann ist die Infrastruktur ja schon voll ausgebaut. Andererseits ist der gemeinen Flakmoppe aber auch ein furchterregender Konkurrent entstanden: Das gemeine Quad mit einem Tablett vorne drauf. Und das verbreitet sich hier schon und ist den Moppen natürlich in den Fahrleistungen weit überlegen. Kann man die Flakmoppe unter Artenschutz stellen?

Ältere Flakmoppe
Ältere Flakmoppe

Heute hat es mal, im Gegensatz zu den letzten zwei Tagen, auch mal aufgehört zu regnen, und der Schiffsführer war auch nicht mehr fußkrank, was er leider auch die letzten zwei Tage war. Nachdem wir bemerkt hatten, dass es wirklich schon eine ganze Zeit nicht geregnet hatte, haben wir uns mutig entschlossen, nach Göteborg zu fahren. Nicht mit dem eigenen Boot, sondern mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Also ins richtige Göteborg, weil wir ja eigentlich schon in Göteborg sind. Es gibt etliche Schären, Holme und Inseln (Bezeichnungen nach aufsteigender Größe), die zum Stadtgebiet gehören. Und zwischen denen git es auch ÖPNV, also öffentlichen Personen-Nahverkehr.
An keinem anderen mir bekannten Ort ist der ÖPNV so spannend wie hier. Was die Fähren hier bieten, dagegen sind die venezianischen Vaporettos langweilig.

Schiff fast so breit wie die Durchfahrt!
Schiff fast so breit wie die Durchfahrt!

So manche Durchfahrt ist nur wenig breiter als die Fähren, und die Fahrt geht mitunter beängstigend nahe an Schären und Felswänden vorbei.
Göteborger Fähre an der Felskante
Göteborger Fähre an der Felskante

Wo Strecken ohne Hindernisse sind, wird der Hebel auch wirklich auf den Tisch gelegt. Da heute fast ein jeder einen GPS-Empfänger bei sich hat, in seinem Smartphone nämlich, kann man ja leicht nachmessen, war da so rauskommt beim Hebel-auf-den-Tisch-legen: 25 Knoten. Und das zwischen Felsen und, soweit ich weiß, bislang unfallfrei. Vielleicht sollten manche Kreuzfahrtreedereien ihre Schiffsführer in Göteborg anwerben, die können das!
Im Stadtzentrum, wir haben uns auf den Teil hinter den Wallanlagen beschränkt, war es dann nicht mehr ganz regenfrei, aber die letzten Tage haben uns da tolerant gemacht. Natürlich reichen ein paar Stunden nur für einen oberflächlichen Eindruck, mehr haben wir auch nicht erwartet. Und Jogis Tipp, die Markthallen zu besuchen, konnten wir auch folgen. Die Altstadt „Inom Vallgraven“ ist so klein, dass man sie in ein paar Stunden schon gut ablaufen kann.
Stora Saluhallen / Große Markthalle
Stora Saluhallen / Große Markthalle

Gen Abend dann mit der Fähre, auch eine der Attraktionen von Göteborg, zurück in den Schärengürtel, ebenfalls eine der Attraktionen von Göteborg.