Motala

Borensberg liegt am Ostende des Sees Boren und am Göta-Kanal und gehört zu Motala. Es ist nett, aber nicht aufregend. Borenshult liegt am Westende des Sees Boren, gehört zu Motala, liegt am Kanal und hat eine der Schleusentreppen dieses Kanals. Was unter Umständen zu längeren Aufenthalten führen kann. Man kann ja auf so einer Treppe nicht abwechselnd rauf und runter schleusen. Wenn es abwärts geht, muss unter der obersten, vollen Kammer eine leere liegen. Wenn die oberste leer und die zweite von oben voll ist, muss die dritte leer sein, und so weiter. Aufwärts hingegen muss immer eine volle Kammer oberhalb der zu schleusenden Schiffe liegen. Und die Herstellung des Ausgangszustands, optimal: aufwärts alle voll bis auf die unterste, abwärts alle leer bis auf die oberste, braucht Zeit. Kommen dann noch Berufsschiffe dazu, die Vorang haben, kann es auch mal viel Zeit sein.

Verschleust, war noch voll

Da brauchbarer Segelwind herrschte haben wir den Borensee unter Segeln gequert (eigentlich gelängst, aber das Wort gibt´s leider nicht). Weil wir zudem faul waren und der See auf der Karte klein aussah, nur unter Vorsegel. Einige Wassersportskameraden haben uns, meist unter Motor, überholt. Hat ihnen nicht geholfen, denn an der Schleusentreppe haben sich alle wieder getroffen. Und siehe, die letzten werden die ersten sein. Da Martha so klein ist (für Ostseeverhältnisse), wurde sie bei einem Dicken mit eingefädelt, weil sie da noch rein passte. Auf dem Kanal sind alle gleich schnell, oder auch langsam, nämlich 5 kn. Und so waren wir dann beim ersten Pulk in Motala. Die Schleusen gruppieren die Boote ja ganz automatisch in Vierer-Konvois. Oder eben, in unserem Fall, in Dreiergrüppchen.
Motala. Der Kanalreisende weiß natürlich, wo das ist. Hier ist der Kanal-Nabel. Die Stadt etwa in der Mitte, hier ist die Kanalverwaltung. Und wärend der Bauzeit war hier die Zentralwerkstatt, wo alles hergestellt wurde, was man für den Kanalbau so brauchte, wie Spaten, Schaufeln, Schleusentore. Später auch Schiffe, wie die bereits erwähnten Kanal-Passagierdampfer. Aus der Kanalwerkstatt ¨Motala Verkstad¨ hat sich ein Universal-Metallbetrieb entwickelt, der von Schiffen über Lokomotiven und Kochtöpfen bis zu Minen und Torpedos so ziemlich alles hergestellt hat, was man aus Eisen und Stahl herstellen kann. Wenn auch nicht alles mit Erfolg.

Motala Verkstad Industriemuseum

Bekannte Ableger, wenn auch vielleicht nicht im rechtlichen Sinne, sind Firmen wie Elektrolux (Küchengeräte), Luxor (Radios etc) und Husquarna (auch so´n Universalbetrieb, Nähmaschinen, Rasenmäher bis Cross-Motorräder). In Teilen ein Produkt der Motala Verstad soll die Nautilus sein. Schreibt jedenfalls Jules Verne. Ein ganzes Uboot hätte wohl auch nicht durch den Kanal gepasst.
Heute befindet sich in einer der verbliebenen Werkshallen ein Industriemuseum, das einen Querschnitt durch die erfolgreichen und erfolglosen Produkte und auch etliches zur Produktion zeigt.  Mit Elektrolux und Luxor, aber ohne Husquarna.
Wer noch nie etwas von der Verkstad gehört hat, dem könnte der Name Motala trotzdem bekannt vorkommen. Wenn er denn, wie ich, alt genug ist zu wissen, wie ein richtiges Radio aussieht. Links ein Drehknopf für die Lautstärke, rechts einer für die Senderwahl/Abstimmung, vorn unten in der Mitte ein paar Tasten für ein/aus und den Frequenzbereich und darüber eine Glasscheibe, hinter der ein Zeiger läuft und zeigt, welchen Sender man gerade empfangen könnte (Damals wurden Frequenzen ausgehandelt und beibehalten. Nix 3., 4., 5. Generation versteigern!)
Funktionierte nur für Mittelwelle und Langwelle. (Die Älteren werden sich erinneren, was das war) In dieser Liste der Sender standen so exotische Namen wie Beromünster und Motala. Von denen kaum einer wusste, wo oder was das war. Heute wissen wir es. Motala ist hier, ungefähr in der Mitte zwischen Göteborg und Stockholm. Hier stand, weil Schweden ja so groß ist, der stärkste Langwellensender überhaupt. Weil Langwellen nun mal lang sind, war auch die Antenne lang und hing zwischen zwei 120 Meter hohen Gittermasten. Die dazugehörige, sehr üppig dimensionierte Sendeanlage stand in einem Gebäude zwischen den Masten und ist im wesentlichen bis heute erhalten. Genauer, deren sogar zwei, alt und neu, weil man irgendwann mit der Reichweite nicht mehr zufrieden war. Langwelle war´s, weil Mittelwelle in schwedischen Mittsommernächten nicht so recht funktioniert.
Programm wurde hier nie gemacht, das kam über Kabel aus Stockholm.

Langwellensender Motala

Inzwischen auch das Technikgeschichte, aber als Museum durchaus sehenswert. Und es hat den Namen Motala im weiten Umfeld bekannt gemacht. Weil Langwelle ja auch weit reicht. Und in Spezialbereichen auch noch heute genutzt wird, wie Loran, Navtex und Zeitsignale.
Und um das Thema Technikgeschichte in Motala abzuschlileßen: Ein Motala Motor Museum gibt es auch noch. Direkt am Hafen. Mit Husquarna. Wenn man die drei an einem Tag durch hat, ist man auch platt. Wie wir heute abend.

Motala Motor Museum

Nachtrag: Der Stadtplan von Motala ist zwar rechtwinklig, aber nicht rechteckig. Zumindest im Innenstadtbereich verlaufen die Straßen fächerförmig. Damit kreuzen sich die Strahlen und die gekrümmten Querstraßen rechtwinklig ohne ein Kästchenmuster zu bilden. Auch eine Idee von Baltzar von Platen, dem allgegenwärtigen Kanalerbauer. Der liegt hier auch begraben, direkt oberhalb des Kanals. Und Motala ist durchaus älter als der Kanal. Man findet nur nichts brauchbares darüber, wie alt. An der Kirche steht 1774, bei anderen Quellen findet man, das es 6000 Jahre alte Spuren von ¨Zivilisation¨ gibt, wie auf Pfähle gespießte Köpfe. Was dazwischen liegt, ist nicht so leicht heraus zu finden. Da schweigen die Motalaner sich aus. Aber es wirkt heute schon humaner.  Industrie gibt es hier immer noch, woran mich mein Freund und Ex-Kollege Timo erinnert hat. Er war schon mal dienstlich hier. Motala zeigt sich heute aber mehr wie ein Kurort und weniger wie ein Industriestandort. Bis auf die Museen.

 

Geschwindigkeitsrausch

Man soll sich Zeit nehmen für den Göta-Kanal. Sagt die Informationsbroschüre der Kanalverwaltung. Über Oskar, Berg und etliche weitere Einzel- und Doppelschleusen haben wir jetzt 73 m über Normalnull bzw Ostseeniveau erreicht. Mit der Technik von 1820 dauert das ein bisschen. Auf dieser Höhe läuft der Kanal dann etliche km als Konturkanal, also immer am Hang entlang. Bis auf ein paar kurze Durchstiche geht es an Steuerbord immer ziemlich nach unten. Einige Straßen und viele Wirtschaftswege kreuzen den Kanal auf Rollbrücken. Eine Konstruktion, die ich als Straßenbrücke sonst nicht kenne: Der Brückenkörper wird leicht angehoben und dann auf die eine Zufahrtsstraße geschoben. In ganz klein gibt es eine ähnliche Brücke über der Hafeneinfahrt von Hooge.  Die Durchfahrten unter den Brücken sind eng. Gerade so weit, das unsereiner da mit konstanter Geschwindigkeit durchfahren könnte, wenn die Brücken denn offen stünden. Meist werden sie aber, fernbedient, erst geöffnet, wenn man unmittelbar davor ist. Wie die Passagieschiffe da durchkommen, hätte ich gerne mal gesehen.

Die Passagierschiffe auf dem Kanal benutzen eine besondere, robuste Art von Fendern: Senkrecht an der Bordwand aufgehängte Birkenstämme. Wenn Birke platt dann neue Birke. Ein ordentlicher Vorrat an neuen und eine Halde bereits zerquetschter Birken wird an Bord mitgeführt. Leider kommen nicht alle Birken auch wieder an Bord, einigen sind wir ausgewichen, einer nicht. Das macht wach, dürfte aber bei unter 5 Knoten folgenlos geblieben sein.

Überhaupt, Geschwindigkeit: Wir haben für 12 Meilen 5 Stunden gebraucht. Mit einem Zwischenhalt, um uns ein Aquädukt/eine Trogbrücke anzusehen, was sich nicht wirklich gelohnt hat. Etwas mehr als 2 Meilen pro Stunde ist wohl hinreichend entspannt.

Übernachtungshafen Borensberg. Brücke, Einzelschleuse. Über den Motalastrom, der hier durch geht, eine alte Steinbrücke. Im Netz findet man zu Borensberg nur das Thema ¨Bahnstromsysteme¨. Dabei gibt es hier gar keine Bahn mehr. Dafür die Kanalschleuse. Und die ist handbedient. Als einzige auf dem östlichen Kanalteil. Das Holz der Schleusentore sieht noch ziemlich neu aus. Back to the roots?

Handarbeit in Borensberg

In der Zeit, in der wir, nach dem Festmachen, der Schleusenmeisterin bei der Arbeit zugesehen haben, durften sich mehrere Touristen an der Kurbelei beteiligen. So schwer ist der Job also gar nicht. Man muss das nur nach dem Tom-Sawyer-Prinzip delegieren.