Usurpatoren, Eroberer, Vogelscheuchen

Pevensey liegt 3 Kilometer von der Marina Eastbourne entfernt. Der Ort ist niedlich, aber bedeutungslos. Heute.
Als die Römer noch über Britannien herrschten war alles anders. Unsere germanischen Vorfahren waren damals intensiv bemüht, im Britannien Resourcen und Immobilien zu erwerben. Allerdings mit Methoden, die hier nicht besonders geschätzt wurden. Weshalb das Imperium einen menapischen General beauftragte, den Seeräuberunwesen der Franken und Sachsen ein Ende zu bereiten. Menapier heißen heute Belgier. Der Auftrag wurde so gut erledigt, das besagter Menapier selbst zur Gefahr für den Kaiser des Westreichs wurde und man ihn kurzerhand als Hochverräter verurteilte, in Abwesenheit. Woraufhin er sich, um sein Leben zu retten, ebenfalls zum Kaiser ausrufen ließ. So jemanden nennt man ja Usurpator – zumindest, wenn’s nicht klappt. Da das Ausrufen alleine nicht reicht, wurden auch militärische Maßnahmen eingeleitet und Festungen/Lager/Burgen gebaut, um eine Landung der imperialen Truppen zu verhindern.
Das ist zumindest eine der Versionen, die man zu Castrum Anderitum finden kann. Eine andere ist, dass es der Abwehr der fränkischen und sächsischen Piraten diente.
Jedenfalls haben die Römer, welche auch immer, auf einer Insel vor der Südküste dieses Kastell erbaut. Eines von vielen. Die Nutzung ist bis zum Jahr 491 (Angle Saxon Chronicles) bzw. 471 (neuer Forschungen, Datierungsfehler in den A.S.C.) belegt. Da haben die Sachsen gesamte Einwohnerschaft des ehemals römischen Castells umgebracht. Damit verschwindet Castrum Anderitum für einige Jahrhunderte im Dunkel der frühen Mittelalters.

Pevensey Castle, römisch
Pevensey Castle, römisch

Nachdem unsere Vorfahren das Geschäft der Seeräuberei aufgegeben hatte, waren ja die nördlichen Nachbarn in diese Marktlücke gestoßen. Die hießen dann Wikinger oder, nachdem sie französisch gelernt hatten, Normannen. Waren mit den britischen/sächsischen Königen irgendwie verbandelt und stellten irgendwelche Ansprüche auf den Thron. Vermutlich waren auch hier Immobilien und Resourcen der wirkliche Grund.
Jedenfalls hat ein Sohn eines normannischen Herzogs, aber nicht der Herzogin – seine Zeitgenossen nannten ihn Guillaume den Bastard – die Abwesenheit von Heer und König in Südengland ausgenutzt und ist dort mit großem Kontingent gelandet. Die englische Armee musste sich gerade weiter nördlich mit den Norwegern(Wikingern?) rumschlagen. Und als man sich um das normannische Problem kümmern konnte, war es deutlich angewachsen. Guillaume hatte sich in dem alten, aber großen römischen Kastell verschanzt und es ausgebessert.

Pevensey Castle, Normannisch
Pevensey Castle, Normannisch

Merke: William the Conquerer ist nicht in Hastings gelandet, sondern in Pevensey. Das zu diesem Zeitpunkt immer noch eine Insel war, auf dem die Ruinen eines römischen Kastells standen. Wie’s weiter geht ist allgemein bekannt: Es kam zur Schlacht von Hastings. Die auch nicht in Hastings statt fand, sondern an einem Ort, der heute Battle heißt. Und in dem noch eine Kirche an diese Ereignis erinnert.

Pevensey Castle: Links normannisch, hinten und rechts römisch
Pevensey Castle: Links normannisch, hinten und rechts römisch

Für uns wäre es einfacher, wenn die Normannen nicht gekommen wären. Dann müssten wir uns nicht mit der komplizierten englischen Sprache rumschlagen und die Briten würden heute noch ein vernünftiges Plattdeutsch sprechen.
Guillaume, der jetzt William the Coquerer genannt werden wollte, hat das Kastell an seinem Halbbruder gegeben. Und der und seine Nachfolger haben es zu einer ¨modernen¨ normanischen Burg ausgebaut.
Die Burg hat dann ihre Bedeutung verloren. Erstens, weil die Küstenlinie sich verändert hat und sie damit im Landesinneren an einer strategisch unbedeutenden Stelle lag. Und zweitens, weil Burgen durch die Waffenentwicklung überholt waren.
Oder doch nicht? Im zweiten Weltkrieg hat man hier eine kanadische Garnison gehabt und die Gemäuer mit ¨Pillboxes¨ , den englischen MG-Ständen, versehen.
Heute ist, wie schon gesagt, Pevensey ein kleines, unwichtiges Landstädtchen mit einer, selbst für englische Verhältnisse, riesigen Burg. Ein paar netten alten Häusern, einer Kirche unbestimmten, aber mindestens normannischen Alters. Und, im Moment, mit einem Vogelscheuchenwettbewerb.
Morgen soll es wieder Wind geben und die Nomaden (nicht Normannen) ziehen weiter.

 

Autor: cord

Hat mal Physik studiert, aber fast alles wieder vergessen. Hat jetzt altersbedingt viel Freizeit und segelt gerne. Oder macht Musik. Verheiratet, zwei erwachsene Kinder. Und inzwischen zwei Enkelkinder.