Segeln mit der Seuche

Lokalkolorit

Diese Jahr alles anders. Sonst bemühen wir uns, Mitte Mai aufzubrechen. Ohne Seuche. Dieses Jahr war es Mitte Juli. Einerseits wegen der Seuche, andererseits war der Skipper temporär gesundheitlich auch nicht so ganz beieinander. Jetzt ist er wieder beieinander. Die Seuche bleibt, und keiner weiß wie lang noch. Das schränkt die Auswahl an Zielen und Fahrtgebieten etwas ein – England geht gar nicht, Schweden ist grenzwertig.
Zudemhaben wir aus guten Gründen hin und wieder die Enkelinder (6 und 3) an Bord. Was bei der Zielwahl weitere Schwerpunkte setzt. Jüngstmatrosen sind erfahrungsgemäß für lange Törns sehr wenig, für Sandstrände leicht und für flache Schlammlöcher mit größter Begeisterung zu haben.

So haben wir Orte im näheren Umfeld besucht, in denen wir schon jahrelang nicht waren, oder auch überhaupt noch nicht:
Bremen-Bremerhaven, Kinder kommen an Bord.
Bremerhaven – Sandstedt. In Sandstedt gibts einen großen Spielplatz, einen Sandstrand und einen Kinderstrand. Letzterer liegt direkt am Bootshafen (gut), besteht oben aus Sand (gut), es geht flach ins Wasser (auch gut) und besteht weiter unten aus sehr feinkörnigem Sediment mit hohem Anteil an Biomasse (vulgo Schlick, Matsch, Gatsche, Pampe. Bewertung je nach Altersgruppe stark unterschiedlich).
Sandstedt-Bremerhaven mit Kindern, so der Plan. Sandstedt – Großensiel, so die Realität. Was nicht an den Kindern, sondern an einer Änderung der Windrichtung lag. Warum auch nicht, man kann ja mal seine engere Heimat besichtigen. zumal wir wirklich schon länger nicht hier waren.

Massentierhaltung

Mittagshochwasser. Da kommt man von Großensiel nicht so richtig gut weg. Nach Helgoland ok, aber da wollen wir nicht hin. Weser raus und bei den Inseln durch´s Seegat wieder rein geht nicht, weil´s dann schon dunkel wird, was auf dem Watt nicht so schön ist – man sieht die meist unbeleuchteten Seezeichen nicht mehr. Und über den Hohen Weg, das Flach zwischen Weser und Jade geht auch nicht, weil´s dann da für uns zu seicht ist – es sei denn, man/frau/schiff fährt stundenlang unter Motor gegen den Tidenstrom. Was wenig Freude macht und viel CO2 in die Atmosphäre bläst. Also Zwischenstop in Bhv.
Hier zeigt sich das ganze Ausmaß der modernen Massentierhaltung.

Iona: Massentierhaltung britisch

Pikanterweise heißt dieser Massentierhaltungskäfig ¨Iona¨. Was, wie man weiß, oder, wenn man es nicht weiß, in einer meiner früheren Berichte auch nachlesen kann, eine Hebrideninsel ist. Die als besonders ¨heilig¨ angesehen wird und auf der eine beträchtliche Anzahl schottischer und eine etwas geringere Anzahl norwegischer Könige begraben liegt. Eine nicht so beträchtliche Anzahl lebender Bewohner gibt´s dort auch. Nach gewöhnlich gut informierten Quellen so etwa 125. Was bei knapp 9 Km³ genügend Raum gibt, den in Zeiten der Seuche gebotenen Anstand zu wahren.
Auf der schwimmenden ¨Iona¨ teilen sich 1762 Besatzungsmitglieder und bis zu 5206 zahlende Passagiere 345x42m in mehreren Ebenen. Die teilen sie sich allerdings noch mit diversen Maschinen- und Bespaßungsanlagen. Muss das schön sein.

Massentierhaltung international

Gibt natürlich nicht nur britische schwimmende Massentierhaltungsanlagen. Und sie schwimmen zur Zeit überall küstennah herum. An der Bremerhavener Stromkaje großen, in den Häfen die kleineren, auf Wanderooge Reede die, deren Größe man schlecht schätzen kann. Wer´s braucht…
Sollte ich je überlegt haben, bei sowas mitzumachen, jetzt nicht mehr…

Regionalverkehr

So ein Boot ist ja alles mögliche gleichzeitig: Fahrzeug, Wohnort, Spielzeug (Segeln macht Spass!), Überlebensgerät (ohne Boot/Schiff lebt es sich auf See meist nicht sehr lang. Und wenn etwas länger, dann nicht sehr schön) und, neue Erkenntnis, hochwertige Quarantänestation. Selten ist man so weit von anderen Keim-schleudern entfernt wie dann, wenn man unterwegs ist. Im Hafen gewährt zumindest der Abstand der Liegeplätze einen gewissen Schutz.
Also raus, nach Westen.
In der Wesermündung begegnet uns eine neue Sorte Kardinaltonnen. Für Nichtsegler: Kardinaltonnen haben nichts mit kirchlichen hohen, wahlberechtigen Funktionsträgern zu tun, sie kennzeichnen ein Hindernis für die Schifffahrt durch Angabe der Richtung, in der dieses liegt. Man nennt sie auch einfach Kardinale, was wiederum auch nichts mit der Schauspielerei zu tun hat.

Nordost-Kardinale

Bislang kannten wir die Geschmacksrichtungen nördlich, südlich, östlich, westlich und unten drunter. Anscheinend hat die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung jetzt auch nordöstlich und südöstlich eingeführt. Oder man hat sie beim Aussetzen verdengelt. Ein und wohlbekannter Mitarbeiter der WSV hat uns aber versichert, dass die sowas, also das Verdengeln, nicht machen.

Jetzt also von Bhv nach Fedderwardersiel. Ein Hafen, in den ich Sabine bislang nur mit großem Aufwand an Überzeugungsarbeit dirigieren konnte. Da liegt man ja schief (stimmt manchmal) oder fällt um (stimmt meiner Meinung nach nicht).

Die Überzeugungsarbeit hat diese Mal die Kombination aus Tide, Tageslicht und Wetter übernommen.
Weiter über Horumersiel/Wangersiel/Wangerland (das ist alles der gleich Ort, sowas können nicht nur Briten, gibt´s auch hier), Wangerooge nach Langeoog.

Wangerooge: Hinter der Tonne kommt gleich die Sandbank!

Die erste Etappe überwiegend unter Segeln, die zweite leider überwiegend unter Motor. Was nicht so schön ist, aber bei Westwind im Watt leider schwer zu vermeiden. Da freut man sich immer, wenn das Fahrwasser mal in eine Richtung geht, in die man auch segeln kann. Das ist nicht nur wesentlich leiser, sondern manchmal sogar schneller.

Diesmal ziemlich viele Tage auf einmal. Gelobe Besserung. Zumindest, wenn keine Kinder an Bord sind!

 

Autor: cord

Hat mal Physik studiert, aber fast alles wieder vergessen. Hat jetzt altersbedingt viel Freizeit und segelt gerne. Oder macht Musik. Verheiratet, zwei erwachsene Kinder. Und inzwischen zwei Enkelkinder.