Geschwindigkeitsrausch

Man soll sich Zeit nehmen für den Göta-Kanal. Sagt die Informationsbroschüre der Kanalverwaltung. Über Oskar, Berg und etliche weitere Einzel- und Doppelschleusen haben wir jetzt 73 m über Normalnull bzw Ostseeniveau erreicht. Mit der Technik von 1820 dauert das ein bisschen. Auf dieser Höhe läuft der Kanal dann etliche km als Konturkanal, also immer am Hang entlang. Bis auf ein paar kurze Durchstiche geht es an Steuerbord immer ziemlich nach unten. Einige Straßen und viele Wirtschaftswege kreuzen den Kanal auf Rollbrücken. Eine Konstruktion, die ich als Straßenbrücke sonst nicht kenne: Der Brückenkörper wird leicht angehoben und dann auf die eine Zufahrtsstraße geschoben. In ganz klein gibt es eine ähnliche Brücke über der Hafeneinfahrt von Hooge.  Die Durchfahrten unter den Brücken sind eng. Gerade so weit, das unsereiner da mit konstanter Geschwindigkeit durchfahren könnte, wenn die Brücken denn offen stünden. Meist werden sie aber, fernbedient, erst geöffnet, wenn man unmittelbar davor ist. Wie die Passagieschiffe da durchkommen, hätte ich gerne mal gesehen.

Die Passagierschiffe auf dem Kanal benutzen eine besondere, robuste Art von Fendern: Senkrecht an der Bordwand aufgehängte Birkenstämme. Wenn Birke platt dann neue Birke. Ein ordentlicher Vorrat an neuen und eine Halde bereits zerquetschter Birken wird an Bord mitgeführt. Leider kommen nicht alle Birken auch wieder an Bord, einigen sind wir ausgewichen, einer nicht. Das macht wach, dürfte aber bei unter 5 Knoten folgenlos geblieben sein.

Überhaupt, Geschwindigkeit: Wir haben für 12 Meilen 5 Stunden gebraucht. Mit einem Zwischenhalt, um uns ein Aquädukt/eine Trogbrücke anzusehen, was sich nicht wirklich gelohnt hat. Etwas mehr als 2 Meilen pro Stunde ist wohl hinreichend entspannt.

Übernachtungshafen Borensberg. Brücke, Einzelschleuse. Über den Motalastrom, der hier durch geht, eine alte Steinbrücke. Im Netz findet man zu Borensberg nur das Thema ¨Bahnstromsysteme¨. Dabei gibt es hier gar keine Bahn mehr. Dafür die Kanalschleuse. Und die ist handbedient. Als einzige auf dem östlichen Kanalteil. Das Holz der Schleusentore sieht noch ziemlich neu aus. Back to the roots?

Handarbeit in Borensberg

In der Zeit, in der wir, nach dem Festmachen, der Schleusenmeisterin bei der Arbeit zugesehen haben, durften sich mehrere Touristen an der Kurbelei beteiligen. So schwer ist der Job also gar nicht. Man muss das nur nach dem Tom-Sawyer-Prinzip delegieren.

Autor: cord

Hat mal Physik studiert, aber fast alles wieder vergessen. Hat jetzt altersbedingt viel Freizeit und segelt gerne. Oder macht Musik. Verheiratet, zwei erwachsene Kinder. Und inzwischen zwei Enkelkinder.