Die Ruhe während des Sturms

Unsere Schärenanker oder -bolzen liegen immer noch unbenutzt in der Kiste. Allerdings war das Wetter der letzten Tage auch nicht so, das man neue seemännische Techniken und Tricks erlernen wollte. In unserer Ankerbucht sind wir zwei Tage lang geblieben, einfach, weil es geregnet und geweht hat. So sehr, dass auch passionierte Segler sich lieber mit einem guten Buch als mit Ruder und Schot beschäftigt haben.

Bäckevik Panorama
Bäckevik Panorama

Am dritten Tage musste dann mal etwas passieren, und wir sind weiter Richtung Norden. Man kann, wenn der Wind zur eigenen generellen Fahrtrichtung passt, gut innerhalb des Schärengürtels segeln. Schön geschützt, nur an wenigen Stellen machen sich auch mal Wind und See von draussen bemerkbar. Da sich die ganzen Boote auf den wenigen Strecken sammeln, ist dort auch allerhand los.
Unser Weg führte um Lyr herum vor Orust weiter nach Norden, Ziel Gullhamn.
Orust ist eine der großen Inseln vor der Westküste, nach Gotland und Öland die drittgrößte Insel Schwedens. Työrn ist die Nummer 5, südlich davon. Lyr (oder Lyrö) liegt zwischen den beiden, geografisch. In der Rangfolge kommt’s viel weiter hinten. Und alle zusammen fügen sich so schön in die Küste ein, dass man bei großem Kartenmaßstab kaum sieht, dass da große Inseln vor der schwedischen Westküste liegen.
Also vor dem Wind zwischen den Schären, Holmen und Inseln nach Norden. Manchmal recht eng, aber auch das macht ja den Reiz des Reviers aus. Auf der Strecke ein Ort namens Mollösund. Sicher auch besuchenswert, aber erstens kann man nicht jeden Ort ansehen – unsere Tagesetappen, wenn sie denn überaupt stattfinden, sind erstaunlich kurz, und der ursprüngliche Plan, bis zum Oslofjord zu segeln, reizt gar nicht mehr – und zweitens kommt ja noch die Rückfahrt.
Ein Besuch von Mollösund ist also verschoben, aber der Ort hat Bootstankstellen, gleich zwei. Eine an der Steuerbord- und eine an der Backbordseite der Hafeneinfahrt. Konkurenz belebt das Geschäft, und es scheint sich ja für beide zu lohnen. Wir haben also getankt, das erste Mal seit Kiel, und auch unseren ¨Grauwasser¨-tank leergepumpt. Und einen schweren Fehler begangen, siehe unten.
Weiter Richtung Norden durch die Schärenfahrwasser. 6 Bft. Wind von Südwesten und nur kleine Fock. Reicht völlig für 5 Knoten, und 5 Knoten reichen auch völlig in den engen Durchfahrten, die die Fahrt hier immer wieder spannend machen. Oder auch zu spannend, wenn nämlich plötzlich, bei Gegenverkehr und Felsen auf beiden Seiten, das Ruder nicht mehr, oder nur noch mit großem Kraftaufwand zu bewegen ist. Da kommt Freude auf. Fahrtensegeln ist ja immer eine Tätigkeit, bei der sich lange Phasen der Ruhe mit kurzen Phasen der Betriebsamkeit abwechseln. Hier wurde es sehr betriebsam, denn leider kann man ja mit einem Boot nicht mal eben rechts ran fahren, wenn etwas zu reparieren ist. Der Fehler war schnell gefunden, die Schleppleine für’s Schlauchboot kam an der falschen Seite unter den Ruder hervor und hatte sich offensichtlich irgendwo zwischen Rumpf und Ruder eingeklemmt. Gemeinsam – einer passt auf, was so an Boote und Felsen im Weg ist (Sabine), und der andere (ich) zerrt solange an der Leine rum, bis sie wieder frei ist – haben wir das wieder klar gekriegt. Anderswo wäre das gar nicht erwähnenswert, aber in diesem Revier wird in so einer Situation schon etwas Adrenalin freigesetzt. Alles gut gegangen, Blick auf den Kompass, wo geht’s hier wieder raus, und weiter.

Enge Fahrwasser
Enge Fahrwasser

Der Fehler war wohl schon an der Tankstelle passiert: Leine vom Schlauchi nicht kurz gebunden, beim Liegen abgesunken und dann bein Weiterfahren hinter dem Ruderblatt wieder hochgekommen. Das soll uns eine Lehre sein, Schlauchi bleibt jetzt immer kurz, sch. auf die zehntel Knoten Fahrt.
Tagesziel Gullholm auf Härmansö.
Ein kleiner Ort auf einer Insel, der seinerseits noch zwei Inseln aufweist: Eine größere, auf der ein Teil der Altstadt liegt, und eine kleine mit nur einem Hotel/Restaurant drauf. Die ¨große¨ist über eine Fußgängerbrücke, die kleine über einen Schwimmsteg mit dem Rest verbunden. Zusammen bilden diese Teile den Hafen.
Gullholme, ¨die¨ Brücke
Gullholme, ¨die¨ Brücke

Der aber leider während der Hauptsaison zu klein ist, und wer zu spät kommt, muß draußen am Sund liegen.
Gullholmen Hafen
Gullholmen Hafen

Wir kommen zu spät und dürfen uns den ganzen Abend an Motorbooten erfreuen, die die Geschwindigkeitbeschränkung ignorieren. Denen hupt der Hafenmeister zwar hinterher, aber das hilft relativ wenig, wenn nicht kassiert werden kann.
Appropos kassieren: Wir nähern uns erkennbar der Norwegischen Grenze, und das merkt man an den Preisen. Die Hafengebüren haben sich seit Varberg fast verdoppelt.
Der Starkwind hat uns ein wenig ins ¨Landesinnere¨ verdrängt. Natürlich nicht wirklich, es sind nur wenige Meilen Luftlinie bis zum offenen Skagerak, aber hier drinnen hat man kaum noch den Eindruck, auf Meerwasser zu fahren. Wären nicht der Seetang und ein bisschen Tidenhub, könnte das als Binnensee durchgehen. Nur in den Baumwipfeln rauscht es.
Skagerak bei Koljön, könnte auch als Binnensee durchgehen
Skagerak bei Koljön, könnte auch als Binnensee durchgehen

Für Morgen ist mal etwas weniger Wind angesagt, vielleicht nach Lysekil. Oder noch ein bisschen hierdrin bleiben. Wir werden es berichten.

Autor: cord

Hat mal Physik studiert, aber fast alles wieder vergessen. Hat jetzt altersbedingt viel Freizeit und segelt gerne. Oder macht Musik. Verheiratet, zwei erwachsene Kinder. Und inzwischen zwei Enkelkinder.