Ferienhaus in Dänemark ?

Wir sind schon wieder, oder immer noch, in Kerteminde und bewegen das Boot nicht. Allerdings sind wir da nicht die einzigen. In den letzten 2 Tagen habe ich genau zwei Bewegungen von Yachten gesehen: Vorgestern ein Paar, dass trotz des Sauwetters eine gecharterte Hallberg klar gemacht hat und abgelegt hat, und gestern eine größere X-Yacht, die unter Motor rein kam, mit drei offensichtlich belastbaren Seglern an Bord, aber ohne Segel. Beim Chartern ist der Leidensdruck natürlich etwas höher: Man hat ja für ein Boot bezahlt und will es auch nutzen. Ob dass immer zu der optimalen Entscheidung führt, sei mal dahin gestellt.

Ansonsten bleiben alle am Steg. Der Wind ist sehr unstet und die Böen sind schon ganz schön ausdrucksvoll und vor allem unvorhersehbar. Von den unlängst beschriebenen Flaggenmasten steht keiner mehr, die hat man alle niedergelegt – sonst stünden sie vermutlich aber auch nicht mehr.

Kerteminde als Ort zum eingeweht sein ist aber gar nicht so übel. Man hat einen sehenswerten alten Ortskern, einen großen Yachthafen mit genügend Liegeplätzen und noch soviel Fischereihafen, dass ein bisschen Ambiente bleibt. In unserem Uralthandbuch (Jan Werner, erste Auflage) steht noch was von öden Betonplätzen und hohen Silos, aber so sieht es hier nicht mehr aus. Der Bootstourismus ist hier wohl zu einem der wichtigeren Wirtschaftszweige geworden. Hier wurden auch jahrelang Folkeboote gebaut und sind weiterhin gut vertreten. (Die “richtigen”, nordischen.)

Z.Z. läuft hier eine Contender-Meisterschaft. Allerdings ist, auf Grund des Wetters, noch nicht klar, ob überhaupt gesegelt werden kann. Contender sind ja nicht unbedingt Boote für offene See bei 8 Windstärken. Da die Hoffnung noch lebt, werden die Boote vermessen, poliert etc. Ein Teilnehmer hat uns heute Morgen erzählt, er fahre jetzt mit dem Bus nach Kopenhagen – eine nachvollziehbare Entscheidung.

Die Bäume sind schief vom Wind, die Masten müssen so sein!

Knut, Hans Christian und Odin

Hans Christian Andersen (H.C.A.)

Wir sind wieder in Kerteminde und werden hier auch noch ein paar Tage bleiben. Der Wetterbericht ist gruselig – nicht der Bericht, sondern die warnwürdigen Wettererscheinungen, die er voraussagt. Im Bereich des Yachthafens haben sich viele Contender samt den dazugehörigen Seglern, Begleitpersonen, Trailern, Womos etc. versammelt. Auf dem Wasser haben wir heute noch keinen gesehen, obwohl morgen die Weltmeisterschaft beginnt – so war es jedenfalls geplant. Ob bei Böen bis 8 Bft ein Contender noch ein geeignetes Wasserfahrzeug ist, möge die Leitung der Veranstaltung entscheiden. Wir bleiben jedenfalls sicher am Steg.

Gestern Odense, weil wir die meisten Attraktionen von Kerteminde schon abgearbeitet haben.

Odense Altstadt

In Odense wird man schon am Bahnhof recht nordisch empfangen. Was wir, oder ich, als Trolle angesehen haben, ist nach Absicht des Künstler (Bjørn Nørgaard) allerdings etwas anderes gewesen: eine Darstellung von Hans Christian Andersen in der ganzen Vielschichtigkeit seiner Persönlichkeit. Wenn manˋs dann weiß, erkennt man auch eine gewisse Ähnlichkeit mit H.C.A.

H.C.Andersen-Statue vor dem Bahnhof

Hans Christian Andersen taucht in Odense immer wieder auf. Es git ein H.C.Anderson Museum, ein H.C.Anderson Haus, ein H.C.Anderson Kindheitshaus, Portraits und die Figuren aus seinem Schaffen in allen möglichen Formen und Materialien. Leider sind uns als Nicht-Dänen nicht alle Figuren geläufig.

Knut IV

oder auch Knut der Heilige. Nicht zu verwechseln mit dem fast gleichzeitigen Knut dem Großen. Der “Große” war, obwohl Däne, nur in England groß, aber auf Dauer nicht erfolgreich. Der “Heilige” war in Dänemark heilig, zumindest nach seinem gewaltsamen Ende. Wohl in erster Linie, weil er den Wünschen der Mutter Kirche gegenüber recht aufgeschlossen war. Sein Versuch, auch nochmal nach England zu kommen, mit den zu der Zeit üblichen Mitteln, führte dann zu seinem vorzeitigen Ende und im Nachgang zu seiner Heiligsprechung. Seiner entledigt hat man sich hier in Odense, und zwar, pikanterweise, in der von ihm selbst in Auftrag gegebenen Kirche St.Albani. Dort wurde er auch begraben. Heute steht an dieser Stelle der Dom (evangelisch), der jetzt nach Knut heißt und St. Albani (kath.) steht ein paar hundert Meter weiter.

Odin

Von Herrn Odin (auch bekannt als Wodan oder Wotan) sind die Daten weniger gesichert. Dafür allerdings kommt er schon im Namen der Stadt vor, was weder Knut noch H.C.A. geschafft haben. Ansonsten ist er im Stadtbild deutlich weniger präsent als die anderen beiden Herren, aber immer wieder sichtbar. Man muss nur auf den Boden schauen, auf die Odenser Kanalschachtdeckel.

Leider wirken er und seine Repräsentanten teil etwas abgetreten. Aber das kommt wohl so, wenn die Zeit über einen hinweg geht. Immerhin, vergessen ist er hier nicht.

Alleinstellungsmerkmale

Kalundborg war zu Anfang seiner Geschichte wirklich eine Burg. Man kennt sogar das Gründungsjahr und die Namen der Gründer. Die Burg lag, wie auch die Stadt heute, am landseitigen Ende eines Fjords, der von zwei Halbinseln eingefasst ist, Asnæs und Røsnæs. Røsnæs kennt der Segler in der Regel aus den Stationsmeldungen des Wetterberichts, Asnæs in der Regel gar nicht. Der Fjord ist etwa 4 Seemeilen tief, trichterförmig und nach Westen offen. Aus diesem Grund wird Seglern geraten, den Fjord rechtzeitig zu verlassen, wenn Starkwind aus Westen angesagt ist. Andernfalls kann der Aufenthalt in Kalundborg etwas länger werden. Warum man im 13. Jhdt. eine Burg 4 Meilen vom Belt entfernt gebaut hat, erschließt sich dem Laien in Sachen mittelalterlichen Festungsbaus nicht. Aber vielleicht ging es ja gar nicht um den Belt?

Jedenfall hat sich um die Burg eine Stadt gebildet. Und in der steht noch manche Bausubstanz aus dem Mittelalter. Freundlicherweise oft mit den hierzulande beliebten Schildern erklärt. Bischoffspalast, nach der Reformation in vier Wohnungen aufgeteilt. Rathaus mit Gefängnis. Eines der ältesten Häuser Dänemarks, erst Privathaus, später Krankenhaus, heute nur für besondere Veranstaltungen genutzt, da es weder Licht noch Heizung gibt. (Wie das in einem Krankenhaus ohne Licht und Heizung wohl zugeht?)

Der interessanteste Teil der Altstadt ist aber zweifelsohne die romanische Marienkirche alias Frauenkirche alias Vor Frue Kirke, die in ihrer Form wohl ziemlich einmalig ist: Ein gleicharmiges “griechisches” Kreuz als Grundriss, ein großer Turm in der Mitte und vier kleinere in den vier Haupthimmelsrichtungen (Vierungsturm nicht, weil es keine Vierung gibt). Irgendwo da drin auch noch ein Kirchenschiff, das aber neben den Türmen fast untergeht. Hinein sind wir auch nicht gekommen, die Tür ging nicht auf. Unten und in Höhe des Schlosses schon, oben saß sie aber fest. Wir wollten nicht unbedingt als die Kirchenaufbrecher von Kalundborg in die Geschichte eingehen und haben daher von Gewaltanwendung abgesehen.

Warum die mittelalterlichen Baumeister/Architekten sich zu dieser sonderbaren Form entschieden haben, darüber gibt es verschiedene Erklärungen: Funktion als Festung (was ja z.B. für die Bornholmer Rundkirchen gilt), Abbild des himmlischen Jerusalems (was auch immer das sein soll) oder meine eigene: Man befand sich noch in einer Experimentierphase, was den Bau von Kirchen anging.

Die andere Besonderheit von Kalundborg erklärt vielleicht, warum älteren Leute (z.B. uns) der Name bekannt vorkommen könnte. Früher, oder damals, als Radios noch wie Radios aussahen und eine mehr oder minder beleuchtete Glasscheibe hatten, hinter denen ein Zeiger hin und her bewegt wurde, standen auf der Scheibe die Namen der Sender. So merkwürdige Namen wie “Motala”, “Beromünster” oder “Kalundborg”. In Kalundborg steht immer noch ein Langwellensender. Ich hatte diese Technik eigentlich für längst ausgestorben gehalten. Es gibt sie aber doch noch. LW-Sender Kalundborg sendet ungefähr 3 Stunden am Tag mit 300 KW (300 000 W!) Sendeleistung. So können die Elemente der Schnittmenge der LW-Empfänger-Benutzer mit der Menge derer, die Dänisch verstehen, weltweit nicht nur informiert, sondern sogar mit Kochrezepten versehen werden. Wenn man bedenkt, das beide Mengen nicht sehr mächtig sind, sieht man, dass ganz schön viele Watt auf einen Nutzer kommen.

Die Masten sind übrigens von 1927 und sehen auch so aus. Aber wer will da rauf und streichen? Die Sendetechnik wurde schon mal ausgetauscht, bedarf aber immer noch einer kräftigen Kühlung. Das hört man auch. Und irgendwie macht die ganze Anlage einen musealen Eindruck. Aber sie läuft

und läuft

und läuft

und läuft

Amanda und die wilden Kerle

Amanda taucht hier zwar öfter auf, aber Amanda gibt es gar nicht. Weil, wenn man nachliest, wer Amanda war, kommt man drauf, dass Amanda Sophie hieß. Sophie/Amanda lebte Mitte des 19.Jahrhunderts, kam aus Kerteminde, ging nach Kopenhagen, um dort eine Schauspiel-Karriere zu starten und verlobte sich dortselbst mit einem “besseren Herren”. Leider hatte sie die blöde Idee, zusätzlich in Kopenhagen mit einem Kertemindener Jüngling zu flirten, was ihrer Verlobung und infolge dessen auch ihrer Schauspielkarriere nicht gut tat. Ansonsten wissen wir noch von Amanda ihren vollständigen bürgerlichen Namen und dass sie im Alter von 40 Jahren an einer nicht näher bekannten Krankheit starb. Also eigentlich nicht so sehr viel. Allerding hat diese recht banale Geschichte als Liedtext ins dänische Volkslied-Kulturgut gefunden, und so wurde Amanda eine Symbolfigur von Kerteminde und steht, so die Tourismuszentrale, für die schönen Frauen von Nord-Fünen und auch in Granit neben der Brücke, die die beiden Teile von Kerteminde verbindet.

Amanda in Granit


Ein örtlicher Segelverein heißt auch Amanda, obwohl es ja Amanda, wie gesagt, nicht gibt und auch nie gab.


Der Wind heult immer noch, die Boote schaukeln am Steg und wir haben den weiteren segelfreien Tag für einen Museumsbesuch in der Nähe genutzt. Der Ort heißt Ladby und wäre völlig bedeutungslos, hätte man dort nicht einen lokalen Fürsten aufwändig begraben, so um 930 n.Chr., als man mit Chr. hier noch nicht so viel am Hut hatte. Und aufwändig heißt hier: Mit kompletten funktionsfähigen Schiff, einer Menge toter Pferde, etliche Hunde und noch diverse Kleinigkeiten, die man als Wikingerkönig so braucht. Wenn man nach der Rekonstruktion geht, auch noch mit einem Korb Äpfeln. Das Ganze wurde dann mit einem Hügel überdeckt.


Nach wenigen Jahren wurde das Grab geplündert, nach vielen, nämlich etwa 1000, wiederentdeckt und dann in jüngster Zeit museal aufgearbeitet. Heute wächst um den Grabhügel ein So-lebten-die-Wikinger-Areal. Womit wir bei den wilden Kerlen sind. Die gibt es dort. Oder zumindest engagierte Mitmenschen, die dort wilde Kerle (und Deerns) mimen.
Vielleicht hätte Amanda da besser mitspielen sollen?!

.. da waren’s nur noch vier

Der Wind meinte, wir sollten nicht weiter nach Nordwest, zum kleinen Belt. Da wir ja sowieso nicht so genau festgelegt haben, wo wir dieses Jahr eigentlich hin wollen, haben wir nachgegeben: Durch den Svendburgsund zum großen Belt, mit Übernachtung in Troense. Nichts neues also für uns, da waren wir schon öfter.

Und dann, auch weil der Wind es uns nahe gelegt hat, nach Nyborg. Früher, als wir noch jung und die Store-Bælt-Brücke noch gar nicht da war, war Nyborg bekannt und ein gar wichtiger Fährhafen für die Verbindung von Fünen nach Seeland. Wenn man sieht, was heute auf der Brücke los ist, wundert man sich, wie das mit Fähren überhaupt funktioniert haben kann.

Nyborg hat einen Handelshafen, in dem aber anscheinend nicht allzuviel los ist, und etwas chemische Industrie. Vor allem aber eine interessante Altstadt, ein königliches Schloss und Befestigungsanlagen aus diversen Jahrhunderten. Zu letzteren gehört auch das vermutlich tiefste – im Sinne von Abstand zwischen Außen- und Innenfront – Stadttor Dänemarks. Wenn es denn überhaupt irgendwo noch eines gibt, das tiefer ist. Dieses hat man jedenfalls so in die Befestigungen gegraben, wie es am unpraktischsten möglich war.

Das Schloss ist eine Mammutaufgabe. Einst haben hier Reichstage stattgefunden und Könige logiert. Später wurde es nicht mehr gebraucht und verfiel. Jetzt hat man sich freiwillig ein Riesenprojekt an die Backe gebunden, Nyborger Schloss oder dessen Rest zu erhalten und in einen nutzbaren Zustand zu versetzen. Wobei das, was noch steht, nur ein Teil der ursprünglichen Anlage ist.

Was uns in Nyborg nicht ganz so gut gefallen hat, war der Yachthafen. Er ist anscheinend ein ehemaliger Handelshafen und liegt sehr geschützt, und hat alles, was man als Yachhafen so haben sollte. Ist aber so von Häusern eingeschlossen, dass man dort doch einen sehr innerstädtischen Eindruck hat und auch einen guten Blick auf die Raffinerie. Und bei Sommerwetter wird’s im Hafen auch ganz schön warm und windstill.

Der Wind sollte, laut allen verfügbaren Wetterberichte, sehr zurückhaltend sein: W 2 Bft vormittags, 0 Bft Mittags, SE 2 Bft nachmittags. Der Nasensensor sagte uns zur Mittagsstund, dass doch ein bisschen Wind war, und wir sind, rechtzeitig und entschlossen, raus auf dem Belt. Die ersten 2 Meilen unter Motor, vor einer Hafeneinfahrt mit unbezeichneten Flachs auf beiden Seiten und mit Wind genau vor vorn, das kann man segeln, muss man aber nicht.

Dann unter Segel weiter, durch den niedrigen, westlichen Teil der Beltbücke und bis Kerteminde. Wobei die Strömung, wie schon im Svendborg-Sund, auf unserer Seite war. Trotz wenig Wind haben wir so eine annehmbare Strecke geschafft, bis Kerteminde. Und das bei sehr ruhigem Wasser.

Gut, auch da waren wir früher schon mal. Und es hat sich nicht viel am Ort geändert. Nettes Stadtbild, großer Hafen. Anscheinend ist Kerteminde für die Segler aus Odense das, was Wedel für die Hamburger darstellt. Und etwas hat sich doch geändert in Kerteminde: Beim letzen Mal hatte der Yachthafen zwei Einfahrten, jetzt gibt es nur noch eine. Was auf unserer elektronischen Seekarte auch so dargestellt ist, nicht aber in den Hafenhandbüchern.

Und für den nächsten Tag war der Durchgang einer gewittrigen Kaltfront angesagt, danach für etwa 2 Tage kräftiger Westwind.

Eine oberflächliche Inspektion der gefallenen Masten hat gezeigt, das es viel Glück war, dass die nicht schon vorher umgefallen sind. Und das die, die noch stehen, das auch nicht mehr lang tun werden. So hat denn die Böe die Sicherheit des Hafens deutlich erhöht.