Wichter Ee – Hey du, du kommst hier nicht durch

Jede der Ostfriesischen Inseln hat ihr Seegatt. Eigentlich natürlich zwei, an jeder Seite eins, sonst wär´s ja keine eigene Insel. Aber das westliche ist der Insel immer ein bisschen mehr zugeordnet, weil die Orte, und damit auch die Häfen, alle im Westen liegen. Ist so, weil die Inseln dazu neigen, sich nach Osten zu verlagern und die Orte dazu neigen, ortsfest zu sein. Jede Insel hat also ihr Gatt, und durch das kann man sie von See kommend erreichen. Alle? Nein! Ein Seegatt leistet allen Bemühungen, es befahrbar zu machen, heldenhaft Widerstand. Ein kleines, unerschrockenes Loch zwischen Norderney und Baltrum ist nur bei bestem Wetter und ruhger See für gut informierte Einheimische befahrbar. Manchmal.

Wichter Ee bei Bft6, Böen 8

Der Chronist hat sich mal mit einem Baltrumer Kapitän unterhalten, der im Dunklen mit der Fähre von außen rein kam. Der macht das so, dass er vorher bei Niedrigwasser mit dem Schlauchboot raus fährt und die benötigten Wegpunkte selber vermisst.
Heute haben wir 6 Bft, mit Böen 8. Da kommst du hier nicht durch. Auch als Baltrumer nicht.

Das sieht sich der Skipper lieber von da an, wo die besten Kapitäne sind: Von Land

Ansonsten schaukelt´s immer noch, auch im Hafen. Und draussen ist es für die Jahreszeit erheblich zu kalt.

Baltrum – Nicht komfortabel

Für die nächsten 2 Tage sind westliche Winde um 6 Bft mit Böen von 8 Bft angesagt. Da tut sich hier nicht mehr viel in der Sportschifffahrt. Die Boote wackeln etwas am Steg, bei Hochwasser mehr, bei Niedrigwasser weniger. Nur noch die Fähren bewegen sich, und das auch nur bei Hochwasser. Das ist hier immer so, denn Niedrigwasser heißt für den Festlandshafen von Baltrum, Neßmersiel, soviel wie gar kein Wasser. Jedenfalls nicht genug, um darauf mit der Fähre fahren zu können. Die Baltrumer Motorboote sind noch in Betrieb, die sind ja auch ruck-zuck drüben und haben wenig Tiefgang.
Uns bringt das Wetter hier ein beeindruckendes Ambiente, das man sich gerne mit den Füßen auf festem Boden ansieht. (Fester Boden heißt hier eigentlich Sand, macht aber nichts) Die Kiter und die wenigen Windsurfer, die noch zwischen den Kitern zu sehen sind, haben ihre Freude am Wind. Und an Bord ist es auch ganz gemütlich, wenn´s schaukelt. Daran, dass immer etwas klappert, gewöhnt man sich.

Bft 6-7, schönes Wetter für Kiter und Surfer

Am Steg hat sich mittlerweile ein interessantes Geflecht aus Vor-, Achter-, Hilfsleinen und Springs gebildet, dekoriert mit den ortstypischen Kabelgeflechten – im Baltrumer Yachthafen herrscht seit Jahrzehnten ein chronischer Mangel an Steckdosen.

Wetterbedingte Macramé-Arbeiten

Das Elektro-Macrame hat nicht bis zum Abend durchgehalten.

Kinderheime und Kasernen

… oder ¨Die dunklen Seiten der Sonneninsel¨.

Die helle Seite

Jeder sieht Meer, Strand, Dünen. Badeort. Viel grüne Wiesen, glückliche Pferde. Ein Inselwäldchen. Die immer schön gepflegte Inselbahn. Vielleicht auch noch Lilli Marlen vor der Kaserne, deren Sängerin ja auch eine Beziehung zu Langeoog hatte. Und ein Haus hier. Und natürlich auch gar nicht Lale Andersen hieß, sondern Liese-Lotte Brunnenberg. Klingt aber nicht so gut, vor allem nicht so nordisch.

Inselbahn und glückliche Pferde

Viel Strand, denn Langeoog ist eine der wenigen Inseln, deren Westseite nicht mit Beton und Basalt gegen die Erosion geschützt werden muss. Statt dessen gibt es dort einen schönen, unverbauten Strand. Vermutlich, weil Baltrum so klein ist, dass von da mit der Ebbe wenig Wasser kommt und der Strom schön weit von der Langeooger Seite weg bleibt.

Meinungsverstärker für Jungpiraten

Ist ja auch alles in Ordnung, und wir gönnen es den Langeoogern und ihren Gästen.

Die dunkle Seite

Die dunklen Seiten sieht man erst auf den zweiten Blick. Warum nur haben die Langerooger einen solch riesigen Hafen mit völlig überdimensionierten Molen, von dem dann nur ein kleiner Teil tief gehalten wird und der Rest zu einer Schlickwüste geworden ist? Ein Schlick, der im Bereich des Yachthafens übrigens so dünn und weich ist, dass die Boote fast genauso tief im Schlick schwimmen wie bei Hochwasser im Wasser. Nur fahren kann man darin wohl nicht. Durch die Klopumpe ginge er ja vielleicht noch, durch die Kühlwasserpumpe vermutlich nicht. Wir haben beides lieber nicht probiert.

Der riesige Hafen, von dem nur ein kleiner Teil nutzbar ist

Das ist ein Erbe der dunklen Zeiten. Der Hafen diente der Versorgung des Luftwaffenstützpunkts Langeoog. Ob er je in seiner vollen Größe genutzt wurde, entzieht sich der Kenntnis des Chronisten. Aber Gigantomanie war damals ja auch Stil der Zeit. Heute haben Segler immerhin direkt jenseits der Molen sofort viel tiefes Wasser.

Vom Fliegerhorst oder wie das hieß ist auch noch einiges zu sehen. Nach dem Krieg wollten die Briten sowas hier verständlicherweise nicht mehr sehen. Ein Altlangeooger hat uns mal erzählt, dass alle Langeooger ran mussten und auf dem Flugfeld Bäume pflanzen. Heute wird das Ergebnis etwas schamhaft ¨Inselwäldchen¨ genannt und enthält, geschätzt, immer noch genug Beton für eine mittlere Kleinstadt. In die betonierte Ringstraße, die zu der Anlage gehörte, hat man schön abwechselnd rechts und links Löcher gesprengt, um sie unbrauchbar zu machen. Hat seinen Zweck erfüllt, heute wird ein Teil als Fahradstrecke genutzt, immer schön im Slalom um die mittlerweile entstandene Vegetation herum. Mit ein paar Bänken und Wartehäuschen aufgepeppt fällt die finstere Vergangenheit auch nicht mehr so auf.

Durch bepflanzen entwidmete Rollbahn

Segeln mit der Seuche

Lokalkolorit

Diese Jahr alles anders. Sonst bemühen wir uns, Mitte Mai aufzubrechen. Ohne Seuche. Dieses Jahr war es Mitte Juli. Einerseits wegen der Seuche, andererseits war der Skipper temporär gesundheitlich auch nicht so ganz beieinander. Jetzt ist er wieder beieinander. Die Seuche bleibt, und keiner weiß wie lang noch. Das schränkt die Auswahl an Zielen und Fahrtgebieten etwas ein – England geht gar nicht, Schweden ist grenzwertig.
Zudemhaben wir aus guten Gründen hin und wieder die Enkelinder (6 und 3) an Bord. Was bei der Zielwahl weitere Schwerpunkte setzt. Jüngstmatrosen sind erfahrungsgemäß für lange Törns sehr wenig, für Sandstrände leicht und für flache Schlammlöcher mit größter Begeisterung zu haben.

So haben wir Orte im näheren Umfeld besucht, in denen wir schon jahrelang nicht waren, oder auch überhaupt noch nicht:
Bremen-Bremerhaven, Kinder kommen an Bord.
Bremerhaven – Sandstedt. In Sandstedt gibts einen großen Spielplatz, einen Sandstrand und einen Kinderstrand. Letzterer liegt direkt am Bootshafen (gut), besteht oben aus Sand (gut), es geht flach ins Wasser (auch gut) und besteht weiter unten aus sehr feinkörnigem Sediment mit hohem Anteil an Biomasse (vulgo Schlick, Matsch, Gatsche, Pampe. Bewertung je nach Altersgruppe stark unterschiedlich).
Sandstedt-Bremerhaven mit Kindern, so der Plan. Sandstedt – Großensiel, so die Realität. Was nicht an den Kindern, sondern an einer Änderung der Windrichtung lag. Warum auch nicht, man kann ja mal seine engere Heimat besichtigen. zumal wir wirklich schon länger nicht hier waren.

Massentierhaltung

Mittagshochwasser. Da kommt man von Großensiel nicht so richtig gut weg. Nach Helgoland ok, aber da wollen wir nicht hin. Weser raus und bei den Inseln durch´s Seegat wieder rein geht nicht, weil´s dann schon dunkel wird, was auf dem Watt nicht so schön ist – man sieht die meist unbeleuchteten Seezeichen nicht mehr. Und über den Hohen Weg, das Flach zwischen Weser und Jade geht auch nicht, weil´s dann da für uns zu seicht ist – es sei denn, man/frau/schiff fährt stundenlang unter Motor gegen den Tidenstrom. Was wenig Freude macht und viel CO2 in die Atmosphäre bläst. Also Zwischenstop in Bhv.
Hier zeigt sich das ganze Ausmaß der modernen Massentierhaltung.

Iona: Massentierhaltung britisch

Pikanterweise heißt dieser Massentierhaltungskäfig ¨Iona¨. Was, wie man weiß, oder, wenn man es nicht weiß, in einer meiner früheren Berichte auch nachlesen kann, eine Hebrideninsel ist. Die als besonders ¨heilig¨ angesehen wird und auf der eine beträchtliche Anzahl schottischer und eine etwas geringere Anzahl norwegischer Könige begraben liegt. Eine nicht so beträchtliche Anzahl lebender Bewohner gibt´s dort auch. Nach gewöhnlich gut informierten Quellen so etwa 125. Was bei knapp 9 Km³ genügend Raum gibt, den in Zeiten der Seuche gebotenen Anstand zu wahren.
Auf der schwimmenden ¨Iona¨ teilen sich 1762 Besatzungsmitglieder und bis zu 5206 zahlende Passagiere 345x42m in mehreren Ebenen. Die teilen sie sich allerdings noch mit diversen Maschinen- und Bespaßungsanlagen. Muss das schön sein.

Massentierhaltung international

Gibt natürlich nicht nur britische schwimmende Massentierhaltungsanlagen. Und sie schwimmen zur Zeit überall küstennah herum. An der Bremerhavener Stromkaje großen, in den Häfen die kleineren, auf Wanderooge Reede die, deren Größe man schlecht schätzen kann. Wer´s braucht…
Sollte ich je überlegt haben, bei sowas mitzumachen, jetzt nicht mehr…

Regionalverkehr

So ein Boot ist ja alles mögliche gleichzeitig: Fahrzeug, Wohnort, Spielzeug (Segeln macht Spass!), Überlebensgerät (ohne Boot/Schiff lebt es sich auf See meist nicht sehr lang. Und wenn etwas länger, dann nicht sehr schön) und, neue Erkenntnis, hochwertige Quarantänestation. Selten ist man so weit von anderen Keim-schleudern entfernt wie dann, wenn man unterwegs ist. Im Hafen gewährt zumindest der Abstand der Liegeplätze einen gewissen Schutz.
Also raus, nach Westen.
In der Wesermündung begegnet uns eine neue Sorte Kardinaltonnen. Für Nichtsegler: Kardinaltonnen haben nichts mit kirchlichen hohen, wahlberechtigen Funktionsträgern zu tun, sie kennzeichnen ein Hindernis für die Schifffahrt durch Angabe der Richtung, in der dieses liegt. Man nennt sie auch einfach Kardinale, was wiederum auch nichts mit der Schauspielerei zu tun hat.

Nordost-Kardinale

Bislang kannten wir die Geschmacksrichtungen nördlich, südlich, östlich, westlich und unten drunter. Anscheinend hat die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung jetzt auch nordöstlich und südöstlich eingeführt. Oder man hat sie beim Aussetzen verdengelt. Ein und wohlbekannter Mitarbeiter der WSV hat uns aber versichert, dass die sowas, also das Verdengeln, nicht machen.

Jetzt also von Bhv nach Fedderwardersiel. Ein Hafen, in den ich Sabine bislang nur mit großem Aufwand an Überzeugungsarbeit dirigieren konnte. Da liegt man ja schief (stimmt manchmal) oder fällt um (stimmt meiner Meinung nach nicht).

Die Überzeugungsarbeit hat diese Mal die Kombination aus Tide, Tageslicht und Wetter übernommen.
Weiter über Horumersiel/Wangersiel/Wangerland (das ist alles der gleich Ort, sowas können nicht nur Briten, gibt´s auch hier), Wangerooge nach Langeoog.

Wangerooge: Hinter der Tonne kommt gleich die Sandbank!

Die erste Etappe überwiegend unter Segeln, die zweite leider überwiegend unter Motor. Was nicht so schön ist, aber bei Westwind im Watt leider schwer zu vermeiden. Da freut man sich immer, wenn das Fahrwasser mal in eine Richtung geht, in die man auch segeln kann. Das ist nicht nur wesentlich leiser, sondern manchmal sogar schneller.

Diesmal ziemlich viele Tage auf einmal. Gelobe Besserung. Zumindest, wenn keine Kinder an Bord sind!